Kreis Segeberg. Feuerwehr und Rettungsdienst fürchten aufgrund der Bauarbeiten auf A 7, mit großen Einsatzfahrzeugen auf dem Weg zum Unfall stecken zu bleiben.

Im Stau bewegt sich nichts mehr, für eine Rettungsgasse fehlt der Platz. Feuerwehr und Rettungsdienst kommen nicht mehr durch, um Verletzten nach einem Unfall zu helfen. Retter halten ein solches Szenanario nach einem Unfall auf der Autobahn 7 für realistisch: Wenn immer mehr Bereiche zwischen Hamburg und dem Bordesholmer Dreieck wegen der Bauarbeiten verengt werden, wird es für die Helfer immer komplizierter, mit großen Einsatzfahrzeugen an die Unglücksstelle zu gelangen. Darum setzen die Feuerwehren und die Norderstedter Hilfsorganisation KBA jetzt auf Motorräder. Ausgerüstet mit Blaulicht und Martinshorn, Sanitätsmaterial und Feuerlöscher können sich die Fahrer durch die Staus kämpfen, um schnelle Hilfe zu gewährleisten.

„Autofahrer hatten keine Chance, Rettungsgasse zu bilden“

Der Kreisfeuerwehrverband Segeberg hat zwei Maschinen aus dem Katastrophenschutz abgezogen und den Feuerwehren Kaltenkirchen und Bad Bramstedt zur Verfügung gestellt. Sie sind rund um die Uhr verfügbar. Derzeit stehen acht Fahrer bereit, demnächst sollen sich 20 regelmäßig ablösen. Hinzu kommt mit zwei Maschinen die Motorradstaffel des KBA. Die ehrenamtlichen Rettungsassistenten Klaus Schöppach und Franco Scaturro fahren jedes Wochenende auf der Autobahn 7 Streife und werden bei Notfällen von den Rettungsleitstellen oder der Autobahnpolizei alarmiert.

Wie eng es in den Baustellen werden kann, hat Schöppach am vergangenen Wochenende erlebt, als nördlich von Neumünster ein Motorradfahrer im sogenannten 4-0-Bereich schwer gestürzt war. In diesen Abschnitten wird auf vier Fahrstreifen der gesamte Verkehr über eine Richtungsfahrbahn geleitet; Standstreifen fehlen. Schöppach konnte an den stehenden Autos vorbeifahren. Ein Rettungswagen hing im Stau fest, ein zweiter traf erst 30 Minuten nach dem KBA-Motorrad ein.

„Die Autofahrer hatten keine Chance, eine Rettungsgasse in diesem Abschnitt zu bilden“, sagt der 56-jährge Quickborner, der seit Jahrzehnten ehrenamtlich im Rettungsdienst arbeitet.

Auch die Feuerwehren entlang der A 7 haben sich auf die etwa vier Jahre dauernden Bauarbeiten vorbereitet und dabei die Erfahrung ihrer Kollegen aus Niedersachsen ausgewertet, die sich zwischen 2008 und 2012 durch die Baustellen auf der A 1 zwischen Hamburg und Bremen kämpfen mussten.

Schon jetzt steht fest: Die 13 Feuerwehren in den Städten und Gemeinden entlang der A-7-Baustellen müssen sich auf erheblich mehr Einsätze einstellen. „Wir fahren künftig eine Unfallstellen von beiden Seiten an“, kündigt Kreiswehrführer Holger Gebauer an. Wird die Feuerwehr auf die Autobahn gerufen, fährt ein Löschzug über die reguläre Fahrbahn in Richtung Unfall. Ein zweiter Zug versucht, über die Gegenfahrbahn an die Unfallstelle zu gelangen oder nähert sich bei einer Sperrung quasi als „Geisterfahrer“ der Unglücksstelle.

Gebauer geht nach den Erfahrungen seiner niedersächsischen Kollegen davon aus, dass sich in den kommenden vier Jahren bei Notfällen auf der Autobahn der Einsatz von Fahrzeugen und Personal verdreifachen wird. Nutzt die Feuerwehr außerdem die Gegenfahrbahn, sind Vollsperrungen in beide Richtungen unvermeidlich.

Gebauer hofft, dass die beweglichen und schnellen Motorräder die Arbeit der Retter erleichtern werden. Die Fahrer sind schnell vor Ort und können damit den nachrückenden Fahrzeugbesatzungen wichtige Informationen über den Unfall und die Anzahl der Verletzten liefern. Außerdem informieren sie, wie die großen Fahrzeuge – notfalls durch die abgesperrte Baustelle hindurch – zur Einsatzstelle kommen. Auch kann der Fahrer Erste Hilfe leisten, kleine Feuer löschen und die Unfallstelle absichern.

Kreiswehrführer rechnet mit Gefahren im Berufsverkehr

Karsten Radtke von der Freiwilligen Feuerwehr Kaltenkirchen ist verantwortlich für den Einsatz des Motorrades und des Löschzuges, der auf der A 7 im Einsatz ist. Er weist auf die hohe psychische Belastung für Motorradfahrer hin, die möglicherweise auf einen Unfall mit mehreren Verletzten zukommen. „Der Kamerad muss notfalls allein kämpfen“, sagt Radtke. „Damit muss man klar kommen.“

Eine Sorge plagt Radtke besonders: Er fürchtet, dass ganze Fahrzeuge inklusive Besatzungen in einem Stau stundenlang festhängen und für weitere Einsätze nicht bereit stehen. Die Kaltenkirchener Feuerwehr arbeitet jetzt an einem Konzept, um in Notfällen das Personal mit Kleinbussen über Schleichwege aus den Staus zu holen und die Fahrzeuge fürs erste stehen zu lassen. Damit möglichst nicht komplette Löschzüge unbeweglich stecken bleiben, fahren die einzelnen Fahrzeuge bei einem Alarm zunächst Sammelpunkte an den Anschlussstellen an, warten Informationen über den günstigsten Anfahrtweg ab und starten dann im Verband in Richtung Unfallstelle.

So wird auch die Norderstedter Feuerwehr vorgehen, die für den Bereich zwischen Schnelsen-Nord und Quickborn verantwortlich ist, aber über keine Motorräder verfügt. Bevor ein Fahrzeugverband geschlossen auf die A 7 fährt, erkunden Feuerwehrleute von Brücken und Schleichwegen aus, wo die gefürchteten Staus drohen.

Kreisfeuerwehrchef Gebauer erwartet die größten Probleme für die Retter im Berufsverkehr. An den Ferienwochenenden im Sommer rechnet er wegen des enormen Verkehrsaufkommens weniger mit Unfällen als mit internistischen Notfällen in überhitzten Autos, die im Stau stehen. Dann sind besonders die Helfer auf den Motorrädern vom KBA gefragt.

Eine Frage haben die Retter bislang nicht klären können: Wird es einen Ersatz geben, wenn die Motorräder der Hilfsorganisationen im Winter aufgrund des Wetters nicht fahren können? Bislang liegt kein Konzept für den Einsatz und die Finanzierung kleiner, aber sicherer Fahrzeuge vor.

Die Motorradstaffel des KBA finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Wer helfen möchte, kann das Team über eine sogenannte Charity-SMS mit dem Text „KBA Stauhelfer“ an die Rufnummer 81190 unterstützen. Das Handykonto des Absenders wird dann mit fünf Euro plus eventuellen Kosten für die SMS belastet. Davon erhält der KBA 4,83 Euro, 17 Cent gehen an den Provider von Charity-SMS.