Norderstedt. Wohnungsbaugenossenschaft Adlershorst hat in Norderstedt 368 Wohnungen energetisch saniert – und alte Mieter trotzdem nicht verdrängt.

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da herrschte noch die Tristesse des 70er-Jahre-Sozialwohnungsbaus an der Waldstraße, Ecke Friedrichsgabe. Grauweiße Fassaden ragten blockweise bis zu acht Stockwerke hoch in den Himmel. Ruß, Schmutz und das, was die Witterung über Jahre an den Adlershorst-Wohnblocks hinterlassen hatte, sorgten für jenen morbiden Charme, an den sich die Schwächsten auf dem Mietmarkt längst gewöhnt haben: Mehr hast du eben nicht zu erwarten als Unterkunft, wenn du nicht mehr als 5 Euro und ein paar Zerquetschte für den Quadratmeter bezahlen kannst.

Wer heute dem Wohnquartier mit 368 Wohnungen und über 23.000 Quadratmetern Wohnfläche einen Besuch abstattet, reibt sich die Augen. Es wirkt fast so, als hätte die Wohnungsbaugenossenschaft alles abgerissen und neu gebaut. Aber es sind die alten Blocks, nur runderneuert.

2500 Fenster wurden ausgetauscht, es gibt neue Balkone und Kinderspielzonen

Die Fassaden der Blocks wurden komplett heruntergerissen, durch 16 Zentimeter starke Wärmedämmplatten ersetzt und hell verputzt, aufgepeppt mit kunterbunten Farbakzenten um etliche Fenster herum und entlang der Treppenaufgänge. 2500 neue Kunststofffenster mit Dreifach-Verglasung und schicken anthrazitfarbenen Rahmen wurden verbaut. Statt Ölheizung haben die Wohnungen nun Anschluss an das klimaneutrale Fernwärmesystem der Stadt. Außerdem neue Balkone mit Stahl-Brüstung und Milchglas-Verblendung, frisch gesäten Rasen auf den Innenhöfen und neu gestaltete Spielzonen für die Kinder.

Das Beste aber an dieser Sanierung ist der Fakt, dass es hier eben nicht so gelaufen ist, wie in vielen anderen bezahlbaren Quartieren in attraktiven Innenstadtlagen in der ganzen Republik, wo es all diese Aufwertungen nur zum Preis der Vertreibung der Altmieter gegeben hat. Gentrifizierung durch energetische Sanierung, die perfide Entmietung durch die Hintertür.

An der Norderstedter Waldstraße bleiben die Menschen wohnen, die bisher dort gelebt haben. Und sie zahlen mit 5,50 Euro nur 12 Cent mehr Miete pro Quadratmeter als bisher – was sich durch die erwarteten erheblichen Einsparungen bei den Energiekosten (40 Euro im Monat bei 80 Quadratmetern) amortisieren wird. Und: Bis 2030 sollen die Mieten an der Waldstraße schrittweise nur bis auf etwa 7,10 Euro pro Quadratmeter ansteigen. Ortsüblich wären auch in dieser Lage im Durchschnitt etwa 9 Euro.

Der Staatssekretär will, dass das Projekt im ganzen Land Schule macht

Nun ist die Sanierung der Adlershorst-Wohnblocks an der Waldstraße ein Leuchtturmprojekt für das ganze Land Schleswig-Holstein. Am Montag warben Adlershorst-Vorstandssprecher Uwe Wirries und Ralph Müller-Beck, der Staatssekretär des Ministeriums für Inneres aus Kiel, für die Offensive für bezahlbares Wohnen, dem Wohnraumförderungsprogramm des Landes. Dadurch, dass Adlershorst aus diesem Programm allein 17 Millionen zinsgünstige Euro von der Investitionsbank Schleswig-Holstein bekommen hat, wurde die Sanierung trotz Mietverlust für die Genossenschaft rentabel. Das Land hat sich im Gegenzug die soziale Bindung von 263 der 368 Wohnungen für zehn bis 15 Jahre gesichert. „Das Quartier bleibt damit ein Ort zum Wohnen für Jung und Alt, für Menschen mit weniger und auch mit mehr Geld“, sagte Müller-Beck.

Er sprach von einem Modell für die Wohnraumförderung des Landes. Alle Partner seien zufrieden. „Wo der Druck auf den Wohnungsmärkten groß ist, zieht die Wohnungswirtschaft mit.“ Das sei die Philosophie der Offensive für bezahlbares Wohnen. Alle Beteiligten des Bündnisses, Innenministerium, Wohnungswirtschaft, Haus und Grund und Mieterbund, arbeiteten geräuschlos, zielgerichtet und zügig zusammen, um für mehr preiswerte und qualitativ gute Wohnungen besonders in den Städten und Gemeinden in direkter Nähe zur Hamburger Landesgrenze, in Kiel und Lübeck sowie auf der Insel Sylt zu sorgen.

Seit dem Start der Offensive vor zwei Jahren wurden nach Angaben von Müller-Beck bisher 3417 Wohnungen mit öffentlichem Geld gefördert, rund 1555 davon im Hamburger Umland, darunter allein 529 in Norderstedt.

Baudezernent Bosse wünscht sich, dass das immer so läuft bei der Sanierung

„Für unsere Stadt ist diese Sanierung von unbezahlbarem Wert“, sagte Norderstedts Baudezernent Thomas Bosse. Die Frage, warum das nicht immer so laufen könnte, bei anderen anstehenden Sanierungsprojekten in der Stadt, treibt auch Baudezernent Bosse um. „Hier wurden mit vertretbarem Aufwand über 170 bedürftige Familien in ihren Wohnungen gehalten. Das sollten sich ganz viele Wohnungsbaugesellschaften genau anschauen. Und es bitte nachmachen.“

Adlershorst wird weiter ähnliche Projekte angehen. „Wir setzen gerade ein Projekt in Elmshorn um. Zwei weitere sind in anderen Städten im Werden“, sagt Uwe Wirries.