Norderstedt. Bis zu 30 Männer und Frauen treffen sich jede Woche im Norderstedter Stadtpark zum Boule – locker und entspannt. Jeder ist willkommen

„Aufstellen“ – der Ruf hallt durch den Stadtpark, doch es dauert, bis die Männer und Frauen Folge leisten. Die einen müssen noch zu Ende klönen. „Ich habe noch gar nicht ausgepackt“, sagt eine Seniorin und eilt zur Bank, um ihr Equipment aus der Hülle zu befreien. Zum Vorschein kommen sechs Stahlkugeln, der Norderstedter Stadtpark steht am Dienstag ganz im Zeichen des Boule. Bei herrlichem Wetter haben sich 27 Spieler eingefunden, um ihre Metallkugeln möglichst dicht unf vor allem näher als der Gegner am „Schweinchen“ zu platzieren – so heißt die kleine Kugel, auf die geworfen wird.

Gespielt wird in kleinen Gruppen, meist sind es zwei Zweier-Teams, die gegeneinander antreten. Die Mannschaften werden nach dem Zufallsprinzip zusammengewürfelt, damit sich keine Cliquen bilden und die Gruppe offen bleibt. „Bei uns kann jeder mitmachen“, sagt Gerhard Fischer, Initiator des kugeligen Freizeitvergnügens.

Boule im Norderstedter Stadtpark

23 Boulespieler werfen auf Kommando und bestimmen die Mannschaften
23 Boulespieler werfen auf Kommando und bestimmen die Mannschaften © Michael Schick
Anke Frankenthal, 71, beim Werfen
Anke Frankenthal, 71, beim Werfen © Michael Schick
Initiator Gerhard Fischer, 64, sieht das Spielen ganz entspannt
Initiator Gerhard Fischer, 64, sieht das Spielen ganz entspannt © Michael Schick
Hermann Offermann, 74, misst, welche Kugel am dichtesten am
Hermann Offermann, 74, misst, welche Kugel am dichtesten am "Schweinchen" liegt © Michael Schick
Sechs Stahlkugeln samt
Sechs Stahlkugeln samt "Schweinchen" -- so sieht ein Spiellset auas © Michael Schick
Anke Frankenthal, Gerhard Engelland, Anita Hänsel und Gerhar Offermann (von links) in Aktion
Anke Frankenthal, Gerhard Engelland, Anita Hänsel und Gerhar Offermann (von links) in Aktion © Michael Schick
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Vorbild ist Frankreich, das Mutterland des Kugelwurfsports (s. Infokasten). Typische Bilder sind mit dem französischen Nationalsport verknüpft: Gebräunte Männer, mit Baskenmütze, ein Glas Rotwein griffbereit, und alles ganz entspannt. Abgesehen von Mütze und Wein trifft das auch für die Norderstedter Bouler zu. Initiator Gerhard Fischer sitzt mit einem Hut auf der Bank, blinzelt in die Sonne und wartet auf die Mitspieler. Er suchte ein Hobby für die Rentenzeit und erinnerte sich an die Kugeln, die er geschenkt bekommen hatte. Als aus der Landesgartenschau 2012 der Stadtpark wurde, waren er und seine vier Mitstreiter die ersten, die den Park mit Leben füllten.

Der breite und lange Sandweg am See sei ideal. Da lasse sich in mehreren Kleingruppen spielen, ohne dass sich die Werfer ins Gehege kommen. Fischer hat die ersten Wurfobjekte inzwischen gegen Profikugeln getauscht. Das Namenskürzel „GFi“ ist eingraviert, auch andere schützen ihre Kugeln durch eine persönliche Gravur davor, dass sie in falsche Hände zu geraten. „Die Kugeln können an die Hand angepasst werden“, sagt Fischer, in dessen Sammlung sich auch sogenannte Schießkugeln finden. Sie sind leicht an ihren Dellen zu erkennen, mit ihnen zielt Fischer direkt auf Kugeln, die vor dem „Schweinchen“ liegen, und versucht, mit kräftigen Wurf, das Hindernis wegzuschießen. Zwischen 680 und 800 Gramm, so Fischer, wiegen die Spielobjekte.

Aus dem Startquartett ist inzwischen eine Großgruppe geworden. Bei gutem Wetter tummeln sich fast 30 Spieler vor dem Stadtparksee, Rentner wie der Initiator. „Die Hälfte sind Frauen“, sagt Fischer. Die erste, die „Quotenfrau“, wie sie selbst sagt, war Renate Trachsel, 71. „Ich bin zufällig dazu gekommen“, sagt die Norderstedterin. Sie gehört zum Team, das ehrenamtlich den park pflegt. Im Oktober 2012 begleitetet sie eine Kita-Gruppe für das Projekt „Klasse im Grünen“, sah den Boule-Männern zu und wurde gleich aufgefordert, selbst zu werfen. „Das hat mir auf Anhieb so viel Spaß gemacht, dass ich dabei geblieben bin“, sagt die Norderstedterin.

Den hat auch Anke Frankenthal, 71. Sie spielt, wie auch andere, noch beim Norderstedter Sportverein. Das Training zahlt sich offenbar aus, die Spielerin schaffte es fast immer, ihre Kugeln am dichtesten ans Ziel zu manövrieren.“Wir ziehen die gleich einen Punkt ab“, sagt Gerhard Offermann. Der 74-jährige Norderstedter kam über Fischer in zum Bouletreff im Stadtpark, die beiden waren Arbeitskollegen. Nun steht er im Wurfring, aus dem alle werfen müssen, und versucht, die Kugeln seiner Konkurrentin aus dem Weg zu räumen. „Das wird nicht leicht“, sagt er nach erneutem Blick auf die Spielfläche. Fast wie ein Golf-Profi vor dem Putten mustert Offermann das Gelände und stellt fest, dass der Weg leichtes Gefälle auf. Er wirft, die Kugel landet auf einem Steinchen und fliegt ganz anders als beabsichtigt, was der Werfer mit Kopfschütteln und einem Lächeln quittiert.

„Natürlich will man gewinnen, doch der Spaß und das Klönen stehen im Vordergrund“, sagt der Rentner. „Beim NSV spielen wir auf festen Bahnen und reglementierter als hier. Hier ist alles viel freier, was ich sehr genieße“, sagt Anke Frankenthal. Der See im Blickfeld und viel Natur vor Augen, schon die Umgebung entspannt. Zum lockeren Miteinander gehört auch das obligatorische Du. Nachnamen bleiben unbekannt, die Gruppe funktioniert anarchisch, einen Verein und Funktionäre gibt es nicht.

Im Unterschied zum Frankreich-Klischee ist Alkohol tabu, schon deswegen, weil auch trockene Alkoholiker unter denen sind, die sich jeden Dienstag zwischen 10 und 12 Uhr zum Freizeitspaß am See treffen. „Wenn es im Sommer heiß ist, bringen wir uns etwas zu Trinken mit“, sagt Fischer. Zudem können sich die Spieler n der Stadtpark-Gastronomie stärken, die nur ein paar Meter entfernt ist. Gespielt wird bei jedem Wetter, nur Regen verhindert den wöchentlichen Boule-Treff. „Notfalls räumen wir auch selbst den Schnee weg“, sagt Fischer. auf

Die Stadtpark GmbH hat die Boule-Spieler zum Parkerwachen am 1. Mai eingeladen, „weil wir die ersten Aktiven waren“, wie Fischer sagt. Ihr Hobby wird die Gruppe auch beim Europatag am 10. Mai am Kulturwerk vorstellen.