Norderstedt . Bis zum 2. April können die Kunden noch bei Joachim Werner am Alten Kirchweg einkaufen

Etwas wehmütig geht Joachim Werner durch den Laden, der sein Leben geprägt hat. Die alten Keksdosen mit Motiven aus Zeiten, in denen der Sarotti-Mohr noch in den Regalen dominierte, hochwertige Pralinen und Niederegger-Marzipan zu den Verkaufsschlagern gehörten. Doch die Reminiszenzen stehen inzwischen in zweiter Reihe, haben Produkten Platz gemacht, die jetzt verlangt werden. „Kalte Muschi“ gehört dazu, Weinbrause, die Leute nicht unbedingt nur wegen des Geschmacks kaufen. Überhaupt Getränke, Chips und Pringels, Brötchen, Zeitungen, Süßigkeiten und Zigaretten – das geht über die Ladentheke, hinter der auch die alte Kaffeemahlmaschine noch an die Anfänge des Geschäftes erinnert.

Nun steht das Ende bevor. Norderstedts letzter Tante-Emma-Laden schließt. Am Donnerstag vor Karfreitag wird der 47 Jahre alte Werner zum letzten Mal die Tür zum Laden am Alten Kirchenweg, gegenüber der Tankstelle, öffnen. Er und seine Schwester, mit der er den Laden betreibt, brauchen einfach mal eine Pause. „Das tut schon weh, nach so langer Zeit aufzuhören, das steckt man nicht so einfach weg“, sagt Werner.

Mit Wehmut steht Werner in dem Laden, den er von klein auf an kennt
Mit Wehmut steht Werner in dem Laden, den er von klein auf an kennt © Michael Schick

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Sechs Tage in der Woche ist das Geschäft geöffnet. Um 5 Uhr ist der Geschäftsmann schon im Einsatz, und der Arbeitstag endet meist erst gegen 20.30 Uhr. „Das schlaucht auf die Dauer, hinzu kommt, dass es unserer Mutter nicht so gut geht und wir uns intensiver um sie kümmern wollen“, begründet Joachim Werner das Ende einer Einzelhandelsgeschichte, die vor 62 Jahren begann.

Damals machte sich sein Vater mit dem Laden selbstständig. Er war vom Fach, hatte Einzelhandelskaufmann gelernt und wollte nun auf eigenen Beinen stehen. Dennoch war der Sprung in die Selbstständigkeit eine mutige Entscheidung. Drumherum war nicht viel, erinnert sich der Sohn, der quasi zwischen Kasse, Tresen und Regalen aufgewachsen ist. Nur eine Handvoll Häuser gruppierte sich um das neue Einkaufsangebot. „Am Harksheider Markt war mehr Leben“, sagt Werner. Einzelhändler prägten das Bild, Schlachter, Schuhmacher, Eisenwaren- und Spielzeugladen, eine kleine Drogerie und der Schreibwaren und Zeitungsladen Lange, der bis heute überlebt hat.

Und der Ladengründer kannte die Pläne und wusste, dass in den nächsten Jahren gebaut wird und die Bevölkerung wachsen wird. Das Konzept ging auf, die Kunden kamen, ließen sich vom Senior beraten, kauften Aufschnitt auch in kleinen Mengen, bestellten belegte Brötchen und kalte Platten für Jubiläen, Konfirmationen oder Firmenfeiern. „Damals hatten wir ein komplett anderes Sortiment, viel weniger abgepackte Ware“, sagt Werner. Butter und Milch gab es lose, Süßigkeiten sowieso. Anschreiben funktioniert bis heute.

Der Laden war Treffpunkt. Die neuesten Nachrichten gab es zum Einkauf dazu. „Man kannte sich, und die Menschen hatten noch Zeit für einen Klönschnack“, sagt der Inhaber.

Mit Aldi, Famila, Rewe und Co veränderte sich das Einkaufsverhalten. Die Menschen fahren dorthin, wo sie ihr Auto parken und alles auf einen Rutsch kaufen können. Dennoch: Viele Kunden blieben den Werners treu. „Aber inzwischen sind auch sie in ein Alter gekommen, in dem sie nicht mehr so mobil sind und eben mal einkaufen können. So mancher ist gestorben, weggezogen oder in ein Altenheim umgesiedelt“, sagt Werner, dem sein Beruf immer noch Spaß macht.

Deswegen will er während der Auszeit überlegen, wie die Räume künftig genutzt werden können. Das Haus gehört der Familie, und weitermachen will er auf jeden Fall, offen ist noch, wann und wie. Es gebe auch schon Anfragen von Interessenten. Fest steht hingegen, dass die Kunden bis zum Donnerstag, 2. April, nicht nur weiter bei ihm einkaufen können. Werner bietet das schon leicht ausgedünnte Sortiment auch zu Sonderpreisen an.