In meinem Bio-Markt, da sind Kassiererinnen nicht Kassiererinnen, sondern erstens KassiererInnen und zweitens Menschen, die ihren Arbeitsplatz ganzheitlich und nachhaltig interpretieren.
Jetzt haben die da eine neue Dame, die begrüßt jeden mit einem tiefen, wahrnehmenden Blick in die Augen und einem positiven, ganz offenen und den zwischenmenschlichen Diskurs eröffnenden Hallo. Dann freut sich über jeden Artikel, der über das Band gerollt kommt, blickt mit der jungfräulichen Begeisterung von Zonen-Gabi im Intershop auf jede Gurke als wäre es die erste Banane.
Die Schlange der eigentlich das alles ja auch irgendwie OK findenden Menschen dreht derweil munter Kapriolen durch den gesamten Bio-Markt. Zärtlich haucht ein Mädchen mit Kurzhaarschnitt und bodenlangem Mantel, ob eine zweite Kasse aufgemacht werden könnte. „Ey, klar, ruf ich gleich aus“, sagt Zonen-Gabi, entdeckt begeistert eine Tofu-Wurst und vergisst das Ausrufen gleich wieder.
Die Genervtheit der Wartenden bricht sich Bahn, zwei Damen mittleren Alters geraten sich in die Haare, weil die eine der anderen das Kleie-Müsli umgeworfen hat. Ein entgeisterter, ungekämmter Jüngling nutzt die unverhoffte Quality-Time in der Schlange für eine hospitalistisch anmutende Tanzperformance, im Rhythmus des Flapp-Flapp-Flapp seiner auf dem Estrich klatschenden Mauken in Schuhgröße 54.
Kurz überlege ich, mir einen Stuhl zu holen, um diesem niedlichen Panoptikum bis Ladenschluss entspannt beizuwohnen. Nur Loriot kommt an dieses Unterhaltungsniveau heran.