Bier-Sommelier und „TriBühne“-Geschäftsführer Rajas Thiele braute mit dem Pale Ale das erste Norderstedter Bier. Weitere Sorten sollen folgen, beispielsweise ein 65er Friedrichsgaber oder ein 65er Wittmoorer.
Heike Linde-Lembke
Norderstedt. Die Zungenspitze schmeckt einen Hauch Aprikose. Am Gaumen sammelt sich das Aroma leicht bitterer Grapefruits, verbunden mit Johannesbeere. Die Kehle wird mit der Note herb schwarzer Schokolade verwöhnt, und im Abgang folgt eine Nuance warmer Holztöne. Kein Rotwein. Sondern Bier. Ein Pale Ale. Das erste Bier, das wohl jemals für Norderstedt gebraut wurde, das „65er Harksheider“.
Bernsteinfarben mit einem Rotton leuchtet Norderstedts erstes Bier im Glas, und die Blume ist nicht nur einfach schlicht weiß, sondern entwickelt beim Zapfen aus dem Hahn ins feine Tulpenglas einen samtigen Schokoton. Trotzdem schmeckt das obergärige Pale Ale frisch und lebendig, mit einer Betonung auf Hopfen.
Rajas Thiele hat die Rezeptur entwickelt. Der Geschäftsführer der Meno GmbH, zu der die „TriBühne“, das Kulturwerk und das Meilenstein mit dem Kleinen Restaurant und der Bar Bargespräch gehören, hat im April ein zweiwöchiges Seminar mit der Prüfung zum Bier-Sommelier absolviert, eine große Herausforderung. Nicht nur, dass er sich durch 133 Sorten Bier trinken musste, auch die Abschlussprüfung war harte Arbeit. Doch nun ist er einer von zwei diplomierten Bier-Sommelieren in Schleswig-Holstein. Und braute jetzt erstmals sein eigenes Bier, das 65er Harksheider.
„Ich habe die Rezeptur geschrieben und von einem Kollegen in Chemnitz prüfen lassen“, sagt Thiele. Anschließend habe er es noch einmal mit Braumeister Ian Pyle in der Micro-Brauerei der Ratsherrn-Brauerei in den Hamburger Schanzenhöfen überarbeitet und dann gebraut.
Zuerst hat er 300 Liter Pale Ale nach seiner Rezeptur angesetzt, um Geschmack, Farbe und Wirkung des Biers mit 5,6 Volumenprozent Alkohol zu testen und eventuell die Geschmacksrichtung durch mehr oder weniger Zusatz der einen oder anderen Hopfen-Sorte mit Verschnitt durch die weiteren 300 Liter noch ändern zu können.
Zwölf Stunden habe der Brau-Prozess bis zum Kochen des Weizens und Abfüllen in den Gärtank gedauert. Abgefüllt hat er das Bier am 1. Dezember, zwei Drittel auf Flaschen gezogen, ein Drittel ins Fass. Haltbar ist es bis Mai.
„Erst wollte ich nur 300 Liter brauen, habe mich dann für 600 Liter entschieden“, sagt Thiele. Der Absatz gibt ihm Recht. Bereits jetzt hat er 150 Liter verkauft. „Die Menschen kommen hier in unsere Bar, nur um das Bier zu kaufen“, freut sich der Sommelier. „Wenn der Absatz weiterhin so gut läuft, habe ich zum Craft Beer Day am 21. März im Kulturwerk kein 65er Harksheider mehr“, sagt Thiele. Sein Plan: Beim Craft Beer Day will er die letzten Tropfen seines ersten Bieres verkosten, um dann die Rezeptur für das zweite Norderstedter Bier zu entwickeln.
Die Zahl 65er, sein Geburtsjahr, bleibt. Ändern wird Thiele den Ortsnamen. Harksheide ist eine der Ursprungsgemeinden des 1970 gegründeten Norderstedt. Das nächste Bier könnte also ein Friedrichsgaber sein, ein Glashütter oder ein Garstedter.
„Mich haben schon Leute gefragt, ob das nächste Bier ein Friedrichsgaber sein könnte, weil der Ortsteil immer vernachlässigt wird, aber das sagen die Glashütter auch von sich“, sagt Thiele. Die Garstedter seien allerdings scheinbar nicht so beliebt. „Es ist schon kurios, was so ein Bier alles an lokalen Empfindsamkeiten und Animositäten ans Licht spült“, wundert sich Thiele über die Biernamen-Diskussion.
Doch hat der Geschäftsführer eines so großen Betriebs wie die Meno GmbH nicht schon genug zu tun? Muss er auch noch unter die Bierbrauer gehen?
„Es hat mich immer gestört, dass zu einem feinen Menü in Restaurants nur Wein empfohlen wird, nie aber ein gutes Bier. Das will ich für unser Kleines Restaurant und für unsere Bar ändern, denn es gibt wunderbare Biersorten, es muss nicht immer ein Pils sein“, sagt Thiele, der nach seinem Seminar 80Biersorten an Bouquet, Farbe und Geschmack bestimmen kann.
„Bier kommt nicht einfach nur aus dem Hahn, es gibt ganz verschiedene Stile, wie beim Wein auch“, sagt Thiele. Es gäbe Lager-Bier, Stouts, Ale bis zu Raritäten und Kostbarkeiten wie die Trapisten-Biere, die von belgischen Mönchen gebraut werden.
Als zweites hat ihn gestört, dass eine Stadt wie Norderstedt kein eigenes Bier hat, denn je mehr er gegen Süddeutschland käme, desto mehr Brauereien gäbe es. „Da wird auf jedem Dorf, in jedem Gasthaus ein eigenes Bier gebraut“, sagt Norderstedts Bierbrauer.