Die Verwaltung trinkt nur noch fairen Kaffee, Supermärkte und Gastronomen verkaufen und verarbeiten faire Produkte: Die Stadt ist zum Vorreiter für die Förderung fair gehandelter Produkte geworden.
Norderstedt. Klinkenputzen musste Michael Lamprecht. Wie ein reisender Handelsvertreter von Tür zu Tür in Norderstedt. Hier mal ein Paket fair gehandelten Zucker, dort mal ein Karton des fairen Norderstedt-Kaffees „Fairflixt Goot!“. Besonders zäh sei die Suche nach Abnehmern in der Gastronomie gewesen. Manche Wirte beehrt Lamprecht bis zu zehnmal, ehe sie einwilligen. „Ich spannte sogar alle Menschen im meinem Umfeld ein. Meine Frau hat in Supermärkten die Regale nach fairen Produkten abgesucht“, sagt Lamprecht.
Aber am Ende haben sich Lamprechts Mühen und die der anderen Engagierten von Norderstedter Marketing, vom Verein Eine Welt für Alle und vom Amt Nachhaltiges Norderstedt gelohnt. Sie hatten 19 Supermärkte und Läden, zwölf Restaurants, Mensen oder Imbisse, drei Kirchengemeinden und drei Schulen für die Idee gewonnen, mindestens ein Produkt aus fairem Handel zu verkaufen oder zu verarbeiten. Außerdem wird im Norderstedter Rathaus nur noch fairer Kaffee und Tee getrunken. Die Kriterien waren erfüllt, um vom Verein Trans Fair in Köln, der das Fair Trade Logo vergibt, in die weltweite Gemeinschaft der „Fair Trade Towns“ aufgenommen zu werden. 1500 solcher Städte gibt es weltweit in 23 Ländern. In Schleswig-Holstein ist Norderstedt die siebte Stadt, in der der faire Handel gezielt gefördert wird.
Im dritten Stock des Rathauses hängten Ina Streichert vom Amt NaNo und Lamprecht am Dienstag die Urkunde „Fairtrade-Stadt“ neben all die anderen Urkunden, die die Stadt in ihrer 44-jährigen Geschichte erworben hat. Im Gegensatz zu einigen anderen Dokumenten ist diese Urkunde aber nur eine auf Zeit. Und es ist nicht nur ein Stück Papier, sondern eine Verpflichtung.
„Durch ihr Engagement für den fairen Handel vor Ort nimmt die Stadt Norderstedt eine Vorreiterrolle ein. Dies setzt ein konkretes Zeichen für eine gerechtere Welt, indem Norderstedt dazu beiträgt, dass durch faire Handelsbeziehungen den benachteiligten Produzentengruppen im Süden zu einem verbesserten Einkommen verholfen wird.“ So lautet der Text auf der Urkunde. Die Kriterien und ihre Erfüllung werden vom Verein Trans Fair in zwei Jahren erneut überprüft. Und zwar nicht oberflächlich. „Die machen anonyme Kontrollanrufe bei den teilnehmenden Firmen und erkundigen sich nach Produkten des fairen Handels“, sagt Lamprecht. Wenn ein Teilnehmer den Verkauf oder die Verarbeitung der Produkte aufgibt, fällt das also auf.
Doch in Norderstedt sieht es eher danach aus, als ob sich die Idee weiter verbreitet. „Im Moment werden wir von den Schulen überrannt, die alle faire Produkte haben wollen“, sagt Ina Streichert. Da die Abwicklung momentan noch komplett über den Weltladen des Vereins Eine Welt für alle läuft und die ehrenamtlichen Helfer teilweise selbst die Auslieferung erledigen, stößt die Logistik an ihre Grenzen. Wenn es noch mehr Abnehmer werden, sollen Sammelbestellungen direkt vom fairen Großhändler Süd-Nord-Kontor in Hamburg per Lastwagen ausgeliefert werden.
Durch die Kampagne in der Stadt würden sich nun auch große Firmen für den fairen Handel interessieren. So stießen Rewe und Blume 2000 zur Aktion hinzu. Die Schokoladen-Spezialisten von Herza haben Kontakt zur Lenkungsgruppe von Norderstedt Marketing. Dort werde überlegt, verstärkt fairen Kakao zu verwenden.
Die wichtigste Rolle in der Fairtrade-Stadt Norderstedt haben nun die Verbraucher. Aus der schönen Idee von der Unterstützung benachteiligter Produzenten im Süden kann nur etwas werden, wenn die Verbraucher die Produkte in Norderstedt kaufen und verlangen.