333 Vorschläge sind für den Bürgerhaushalt eingegangen. Viel Zuspruch gibt es für ein PC-Café für Senioren
Henstedt-Ulzburg. Mehr direkte Demokratie geht kaum: In diesem Jahr konnten die Stimmberechtigten in Henstedt-Ulzburg bereits an zwei Bürgerentscheiden teilnehmen. Jetzt können alle Einwohner die Umsetzung von Bürgervorschlägen mitbestimmen. Das Interesse ist riesig: Für den Bürgerhaushalt wurden 333 Vorschläge gemacht. Per Internet-Votum auf www.hu-mitgestalten.de können diese Vorschläge bewertet werden.
Damit haben die Henstedt-Ulzburger sehr viel Interesse an einer aktiven Mitgestaltung der Gemeinde bewiesen. Volker Vorwerk, Geschäftsführer des Instituts „Buergerwissen“, der die Umfrage zum Bürgerhaushalt für die Gemeinde Henstedt-Ulzburg konfiguriert hat, hält die hohe Zahl der Beteiligungen für geradezu phänomenal: „Im Vergleich zu anderen Orten in Deutschland ist es geradezu phantastisch.“ In Norderstedt, fast dreimal so groß wie Henstedt-Ulzburg, hatten sich im vergangenen Jahr gerade mal 309 Menschen an der Bürgerhaushalt-Umfrage beteiligt.
Auf der extra dafür eingerichteten Homepage sind die Vorschläge einsehbar. Einige dürften der Mehrheit aus dem Herzen gesprochen sein: So hatte zum Beispiel jemand die Idee, die Fast-Food-Ketten für die Beseitigung der in die Gegend geworfenen Verpackungen sorgen zu lassen. Eine andere Idee beschäftigt sich mit der Reduzierung des Straßenlärms: Tempo 30 bei Nacht auf allen Straßen. Auch der Vorschlag, kompostierbare Hundekotbeutel einzuführen, wurde gemacht. Jemand möchte zwei große Uhren am AKN-Bahnhof in Ulzburg aufstellen lassen. Es gibt aber auch realistischere Vorschläge, die bisher schon entsprechend oft bewertet wurden. Zum Beispiel die Einrichtung einer Buslinie von Rhen und Quickborn-Heide zur AKN-Station Meeschensee, die Einführung der Katzen- und Pferdesteuer oder das Pflanzen eines Baumes für jedes Neugeborene auf Kosten der Gemeinde.
Auf überraschend große Resonanz ist die Forderung nach einer eigenen Internetseite für die Feuerwehr gestoßen. Ob die abgegebenen Stimmen eher positiv oder negativ sind, ist jedoch noch nicht zu erkennen. Offen zu lesen sind nur die abgegebenen Kommentare zu einzelnen Vorschlägen, nicht aber die Bewertungen.
Die Politiker wollen möglichst viele der Vorschläge in die Tat umsetzen
Noch bis Sonntag, 15. Dezember, haben alle Einwohner der Gemeinde Gelegenheit, die Vorschläge online zu bewerten. Unter fünf Kategorien kann gewählt werden: „sehr wichtig, wichtig, teils-teils, unwichtig, völlig unwichtig.“ Einen Anspruch auf Umsetzung der eingebrachten Ideen hat kein Beteiligter, aber durch die Benotung entsteht eine Rangliste, an der sich Gemeindepolitiker und Gemeindemitarbeiter orientieren können. Alle Fraktionen in der Gemeindevertretung haben zugesichert, möglichst viele gut bewerteten Ideen der Bürgerinnen und Bürger umzusetzen.
Die Liste kann online und im Rathaus bis Ende der Woche eingesehen werden
Für die Ideensammlung der Bürgerprojekte, für die die Gemeinde 10.000 Euro zur Verfügung stellt, sind sieben Vorschläge eingegangen. Darunter zum Beispiel der Vorschlag, ein WLAN-Freifunknetz für Henstedt-Ulzburg zu schaffen oder öffentliche Grünanlagen mit Obstbäumen zu bepflanzen, um die Ernte Schulen und anderen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.
Das größte Interesse fanden bisher zwei Vorschläge für die Senioren in der Gemeinde: Die Einrichtung eines PC-Cafés im Gebäude der Volkshochschule für ältere Mitbürger sowie die Schaffung eines Seniorentreffpunktes mit Café wurden bislang am häufigsten bewertet.
Wer die Internetseite www.hu-mitgestalten.de aufruft, findet unter dem Menüpunkt „weitersagen“ ein Formular mit den Bürgerprojekten als pdf-Datei. Das Formular kann ausgedruckt oder als Datei per E-Mail verschickt werden. Volker Vorwerk hofft, dass auf diese Weise noch mehr Personen an der Umfrage und am Bewertungssystem beteiligt werden.
Wer das Internet nicht nutzen möchte, kann die Liste der Vorschläge bis Freitag, 13. Dezember, auch bei der Gemeinde einsehen oder als Broschüre anfordern und auf Papier bewerten. „Wir gehen diesen aufwendigen Weg, damit wir alle Menschen in Henstedt-Ulzburg erreichen“, sagt Bürgermeisterin Elisabeth von Bressensdorf. „Gerade die Skeptiker, die nicht glauben, dass die Politik dem Bürgerwillen folgt, lade ich herzlichst ein mitzumachen.“ Je mehr mitmachen, desto stärker werde das Votum die Entscheidungen der Gemeindevertretung beeinflussen.
Dass es Verwaltung und Politik ernst ist, zeigt sich auch daran, dass alle positiv bewerteten Vorschläge geprüft werden. „In anderen Kommunen wird zumeist nur eine kleinere, zweistellige Zahl der am besten bewerteten Vorschläge geprüft“, sagt Volker Vorwerk. „Natürlich ist das kein wirklicher Bürgerentscheid, aber es gibt aktuell kaum ein Verfahren, dass einem Bürgerentscheid näher kommt.“ Er weiß, wovon er spricht: Vorwerk ist nebenbei Dozent für Bürgerbeteiligung an der Fernuniversität Hagen.