Die Kommunalpolitik hat ein Vorrangroutennetz für Lastwagen in der Stadt beschlossen. Dabei gab es unterschiedliche Auffassungen, welchen Anwohnern noch mehr Lastwagen-Lärm zuzumuten ist und welchen nicht.
Norderstedt In Norderstedt sollen Lastwagen nicht mehr mitten durch die Stadt rollen, sondern möglichst auf einer Route in die Gewerbegebiete gelangen, die so wenige Anwohner wie möglich durch Verkehrslärm belastet. Teil des Lärmaktionsplanes der Stadt ist deswegen ein Lastwagen-Führungskonzept: Brummi-Fahrer sollen von Navigationsgeräten um die Stadt geleitet werden. Und zwar auf einem Vorrangroutennetz, dass jetzt von der Kommunalpolitik im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr beschlossen wurde.
Lastwagen-Fahrer nutzen nicht alle Navis, Schilder sind deswegen nötig
Das Routenkonzept wurde von dem Ingenieurbüro Argus im Auftrag der Stadt erarbeitet und in mehreren Workshops mit Teilnehmern aus der Logistikbranche diskutiert und verfeinert. Dabei stellte sich heraus, dass die bloße Implementierung von Vorrangrouten für Lastwagen in die Software von Navigationsgeräten nicht den erwünschten Effekt für Norderstedt bringen kann. Noch zu wenige Lastwagenfahrer nutzen „Navis“, eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung gibt es nicht. Eine ausreichende Beschilderung im Stadtgebiet ist also unbedingt nötig. Dazu komme, dass etliche Betriebe und Anlieferer in Norderstedt gar nicht wissen, dass die Betriebe Teil eines namentlich bezeichneten Gewerbegebietes sind, also in Harkshörn oder Nettelkrögen firmieren. Die Gewerbegebiete müssten deshalb besser vermarktet werden.
Das jetzt beschlossene Routenkonzept bildet einen Lastwagen-Ring um Norderstedt. Die Lastwagen werden hauptsächlich über die Bundesstraße 432 und die Schleswig-Holstein-Straße geführt, wenn sie über die Autobahn 7 kommen. Was die Beschilderung der Norderstedter Gewebegebiete direkt an den Autobahnanschlussstellen angeht, so muss die Stadt hinnehmen, dass den Norderstedter Gewerbegebiete vom Landesbetrieb Verkehr die „besonders hohe Bedeutung“ versagt wird, die für die solche Schilder Voraussetzung sei. Das Routennetz hält die Lastwagen besonders aus den hochbelasteten Lärmschwerpunkten Ulzburger Straße, Friedrichsgaber Weg und Rathausallee heraus.
Zwei Routen wurden für die Führung der Lastwagen diskutiert, die von Osten und Süden in das Stadtgebiet einfahren: entweder sollten die Brummis über die Poppenbütteler Straße oder die Segeberger Chaussee geführt werden. Beide Straßen sind vom Lärm hochbelastete Bereiche. Doch an der Segeberger Chaussee sind im Verhältnis zur Poppenbütteler Straße viel mehr Anwohner von Lastwagen-Lärm betroffen. Einer der Gründe, warum die Verwaltung der Politik empfahl, die Lastwagen über die Poppenbütteler Straße in Richtung Norden auf die Schleswig-Holstein-Straße zu führen. Außerdem: Wenn dieser Verkehr über die Segeberger Chaussee und den Ochsenzollkreisel in Richtung Norden fährt, würde es zu Umwegverkehr von sechs Kilometern pro Lastwagen und zusätzlichen Lärm- und Schadstoffemissionen kommen.
Die Stadt wollte die Brummis über die Poppenbütteler Straße schicken
Doch eine Mehrheit aus SPD, CDU und Linke entschied sich für die genau diese Variante. Jürgen Lange, der Ausschussvorsitzende der SPD: „Die Segeberger Chaussee ist eine Bundesstraße und für Lastwagen-Verkehr entsprechend ausgestattet. Wir wollen die Lastwagen aus den Wohngebieten an der Poppenbütteler Straße heraus halten.“
Die Grünen kritisierten diese Argumentation und verweigerten sich dem Beschluss. „CDU, SPD und Linke sorgen für eine Mehrbelastung der Anwohner der Segeberger Chaussee mit Lärm und Schadstoffen“, sagt Detlev Grube, Fraktionschef der Grünen. „Hier wurde offensichtlich nicht den gemessenen und errechneten Lärmwerten der Verwaltung gefolgt, sondern dem Druck derer, die am lautesten schreien.“ Grube spielt darauf an, dass die Anwohner an der Poppenbütteler Straße sich in der Vergangenheit immer mehr gegen den Lärm gewehrt haben als die Anwohner an der Segeberg Chaussee. Im Rahmen des Lärmaktionsplanes wurde auf einem Teilbereich der Poppenbütteler Straße eine Tempo-30-Zone zwischen 22 und 6 Uhr eingerichtet. Grube: „Der Beschluss leistet einen Bärendienst: Wer in Norderstedt im Rahmen der Lärmminderungsplanung ernst genommen werden will, muss sich an objektiven Werten und nachvollziehbaren Kriterien für alle orientieren.“ Die Entscheidung für die Segeberger Chaussee ignoriere die belasteten Menschen dort und erhöhe nicht die Akzeptanz bei der Umsetzung der Lärmminderungsplanung.
Nach dem Beschluss für das Vorrangroutennetz soll es nun mit allen relevanten Parametern wie vorhandene Durchfahrtverbote, Gewichtsbegrenzungen Höhenbegrenzungen in die gängigen Navigationssysteme eingepflegt werden. Das wurde bisher nur modellhaft in Kommunen umgesetzt. Pilotstädte seien Hamm und Dortmund. Die Beschilderung soll übersichtlich und einfach gestaltet werden und ohne Durchfahrtverbote auskommen. Das Beschilderungskonzept werde auf der bestehenden amtlichen Beschilderung aufbauen und Anfang 2014 beginnen.