Norderstedt hat seit fünf Jahren einen Lärmaktionsplan, wie es ihn bundesweit in anderen Städten nicht gibt. Jetzt wird die Neuauflage des Plans für die nächsten fünf Jahre diskutiert
Norderstedt Lärm macht krank. Wer Tag und Nacht und über Jahre einen Geräuschpegel mit Werten zwischen 55 und über 65 Dezibel ausgesetzt ist, dessen Risiko steigt erheblich, an Allergien, Herzkreislauferkrankungen, Bluthochdruck und Migräne zu erkranken. Norderstedt ist eine der ersten Städte in Deutschland die einen Lärmaktionsplan umsetzt und in allen Bereichen der Stadtplanung die Bekämpfung der Lärmquellen angeht. In den letzten fünf Jahren wurden über 50 Projekte realisiert, die die Stadt leiser gemacht haben. Jetzt liegt der Entwurf des Lärmaktionsplanes (LAP) mit 120 Maßnahmen für die nächsten fünf Jahre bis 2018 vor. Bürger, Behörden und die Politik können ihn bis zum 4. Dezember einsehen, ergänzen oder gegen einzelne Maßnahmen Widerspruch einlegen. Im Frühjahr 2014 soll die endgültige Fassung des Plans in Kraft treten.
„Wie erfolgreich wir mit dem LAP in den letzten fünf Jahren waren, das bewerten wir an seiner Wirkung auf die Bewohner in gesundheitsgefährdenden Lärm-Bereichen in der Stadt“, sagt Anne Ganter, vom Amt Nachhaltiges Norderstedt, in dem der Aktionsplan erarbeitet und mit den anderen Fachbereichen der Stadtverwaltung und den überregionalen Behörden abgestimmt wird.
Der Straßenverkehr ist der Hauptfaktor für Lärm in der Stadt. Das Leben an großen Straßen wie der Segeberger Chaussee, der Ulzburger Straße, des Friedrichsgaber Weges oder oder der Ohechaussee ist nur unter starker Lärmbelastung möglich. 2004, bevor der Lärm aktiv bekämpft wurde, waren in Norderstedt 5600 Menschen tagsüber krankmachenden Dezibel-Werten von konstant über 65 Dezibel ausgesetzt – das ist in etwa so laut wie eine lärmende Schulklasse in der Pause. Nachts litten 8800 Menschen unter Schlaf störenden Dezibel-Werten zwischen 55 und 69. Das hat sich durch den LAP laut Anne Ganter stark verbessert. Im Stadtgebiet ließen sich heute nur noch 3060 Menschen identifizieren, die tagsüber mehr als 65 Dezibel Lärm ertragen müssen, nachts hat sich die Gruppe der Betroffenen mit heute 3600 im Vergleich zu 2004 mehr als halbiert. „Die Werte sind deutlich zurückgegangen. Dennoch sind längst noch nicht alle maßgeblichen Lärmprobleme gelöst“, sagt Ganter.
Die Instrumente, mit denen der LAP arbeitet, sind oft indirekt wirksam. Durch den Ausbau des Norderstedter Radwegenetzes, die Verbesserung der Takte im öffentlichen Nahverkehr und den Aufbau von Next-Bike-Verleihstationen sei der Verkehr in der Stadt reduziert worden. Durch bauliche Veränderungen an Straßen werde der Verkehr verlangsamt, oder durch die Einführung von Tempo-30-Zonen in der Nacht, wie auf Abschnitten der Niendorfer und der Poppenbütteler Straße. „Die haben großes Aufsehen erregt, überregional“, sagt Ganter. Denn sie zählen zu den ersten ihrer Art im Land. „Diesen Erfolg wollen wir demnächst noch betonen, in dem wir Dialog-Displays in den Abschnitten aufstellen.“ Autofahrer, die sich nachts an die Tempo-Regelung halten sehen, werden dann mit einem Smiley und einem „Danke!“ bedacht.
Geblitzt werden Autofahrer, die in den Zonen zu schnell fahren nicht. „Die Polizei verweigert die Kontrolle derzeit“, sagt Stadtsprecher Hauke Borchardt. Die Stadt möchte in Zukunft die Verkehrsüberwachung in Lärm sensiblen Bereichen der Stadt selbst übernehmen. Darüber sind die Stadt und der eigentlich für die Überwachung zuständige Kreis in einen Streit geraten, der mittlerweile zwischen Innen- und Verkehrsministerium in Kiel debattiert wird. „Wir hoffen, dass Innenminister Andreas Breitner demnächst zugunsten der Städte und der Lärmminderung entscheiden wird“, sagt Borchardt.
In den kommenden fünf Jahren soll die Lärmminderung im ständigen Dialog mit dem Bürger fortgeführt werden. „Unser Dank gilt der Interessengemeinschaft Lebenswertes Norderstedt, eine engagierte Gruppe von Bürgern, die sich seit 2004 an der Planung und Umsetzung des LAP beteiligt“, sagt Ganter. Der neue Maßnahmenkatalog, der jetzt zur Abstimmung vorliegt, umfasst unter anderem Lärm mindernde Elemente bei der Sanierung der Segeberger Chaussee, weitere Prüfungen von Tempo-30-Zonen auf der Ulzburger Straße, der Rathausallee und anderen Hauptverkehrsachsen und den weiteren Ausbau und die Förderung des Radverkehrs.
Ein weiterer Bereich ist die Lenkung des Lastwagen-Verkehrs im Stadtgebiet. Die Stadt steht in Kontakt zu Firmen, die die Datensätze für die Navigationssysteme liefern. „Hier wollen wir die Routen implementieren, die die Lastwagen weitestgehend aus dem Stadtgebiet heraus halten“, sagt Ganter. Zusätzlich soll künftig eine spezielle Beschilderung die Schwerverkehre in die Gewerbegebiete leiten.
Der Entwurf des Lärmaktionsplanes liegt noch bis zum 4. Dezember im Norderstedter Rathaus öffentlich aus. Während der Öffnungszeiten haben alle Interessierten die Gelegenheit, den Entwurf einzusehen und gegebenenfalls Einwände dagegen vorzubringen. Stellungnahmen können bis zum 18. Dezember schriftlich oder – während der Dienststunden – zur Niederschrift abgegeben werden.
Wer sich über den Lärmaktionsplan und seine Maßnahmen direkt informieren lassen möchte, der kommt am Mittwoch, 13. November, um 17.30 Uhr, in den Plenarsaal des Rathauses. Fachgutachter erläutern den Bürgern an diesem Abend den Lärmaktionsplan und dessen Hintergründe. Der Abend beginnt mit einem Info-Forum, in dem sich alle Besucher über die Lärmschwerpunkte der Stadt und die möglichen Gegenmaßnahmen informieren können, ehe um 18 Uhr die Fachleute das Wort haben.