Vor den Augen der Polizei nahmen sie Kurs auf den neuen Kreisverkehr am Ochsenzoll und radelten über die Fahrbahn. Der Ausflug über den Asphalt ist zwar verboten, doch die Polizisten schritten nicht ein.
Norderstedt. Am Schluss haben sich alle getraut: Vor den Augen der Polizei nahmen 60 Radfahrer Kurs auf den neuen Kreisverkehr am Ochsenzoll und radelten über die Fahrbahn. Viele hatten sich mit Leuchtwesten ausgerüstet, andere sogar gelbe Überzüge über Mützen und Helme gestülpt. Die Radler waren einem Aufruf des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) gefolgt, der mit der Aktion auf die seiner Ansicht nach missratene Planung des Kreisels für Radfahrer hinweisen wollte. Der Ausflug über den Asphalt ist zwar verboten, doch die Polizisten werteten die Tour als Spontanaktion und schritten nicht ein.
Doch langfristig können die Radfahrer nicht auf Nachsicht setzen. Der Verkehrsexperte des Norderstedter Polizeireviers, Kai Hädicke-Schories, kündigte an, dass seine Kollegen einschreiten werden, wenn sie auf dem Kreisel erwischt werden. „Die Regeln sind eindeutig“, sagt er. Da der Kreisel noch neu und gewöhnungsbedürftig sei, werde man es zunächst bei einem „erzieherischen Gespräch“ belassen.
Auf Dauer kommen jedoch Strafen in Betracht, die zwischen 15 und 25 Euro liegen werden. Kommt es zu gefährlichen Situation oder wird ein Radler immer wieder auf dem Kreisverkehr gesichtet, seien auch Bußgelder von 60 Euro und sogar Punkte in Flensburg denkbar. „Die Radwege sind benutzungspflichtig – trotz aller Hindernisse“, betont der Leiter des Polizeireviers, Jochen Drews.
Die Aktivisten vom ADFC beurteilen die Rechtslage jedoch anders. Der Norderstedter Vereinsvorsitzende Rolf Jungbluth vertritt die Meinung, dass an mehreren Punkte die „Verkehrsbeziehung“ zwischen der Fahrbahn und dem Radweg nicht besteht, so dass der Radfahrer sehr wohl auf die Straße ausweichen darf. Manche Polizisten vermuten bereits, dass eine kleine Klientel der Radfahrer es auf einen Strafzettel ankommen lassen wird und Einspruch einlegen möchte, um gerichtlich die Rechtslage klären zu lassen. Wie berichtet, fordert der ADFC einen Umbau des just eingeweihten Kreisel inklusive Fahrradweg.
Dass die „Verkehrsbeziehungen“ am Kreisel und andere Details nicht nur den Radl-Profis, sondern Alltagsfahrern unklar sind, belegen die zahlreichen Fragen an die Polizisten, die die ADFC-Tour am Sonnabend beobachteten und teilweise mit Blaulicht absicherten. „Darf ich hier fahren?“ fragte eine ältere Frau und zeigte auf den Zebrastreifen. „Nein, Sie müssen absteigen“, sagte der Polizist. „Das ist ein Fußgängerüberweg.“ Hat der Radler über diesen Zebrastreifen den Fahrbahn in Richtung Langenhorn überquert, trifft er auf ein Schild, dass ihm das Radfahren erlaubt. Aber nur für wenige Meter, dann folgt der Zebrastreifen auf der Fahrbahn aus Richtung Langenhorn.
Für Verwirrung sorgen auch Hinweistafeln, die an Überwegen an Baustellenbaken angehängt sind. Sie zeigen mit einem Pfeil von der Langenhorner Chaussee in Richtung Osten und fordern Radfahrer und Fußgänger auf, zur Segeberger Chaussee Tunnel und Fahrstuhl zu nutzen. Auf diese abstrusen Hinweise konnten sich die Polizisten ebenso wenig einen Reim machen wie ADFCler. Fazit: Mancher Radfahrer würde sich gern korrekt verhalten, weiß aber nicht wie.
Bevor die Zweirad-Demo den Weg über den Kreisel nahm, hatten Jungbluth und seine Vereinsfreunde der Gruppe die weiten Wege vorgeführt, die ein Radfahrer nehmen muss, wenn er sich auf das Abenteuer Ochsenzoll einlässt. Dazu gehören Fahrstühle, Tunnel und ein riesiger Bogen zur Fußgängerampel über die Segeberger Chaussee. Wer sich nicht auskennt, wird Mühe haben, sich zurecht zu finden. Wer sich auskennt, fährt auf anderen Wegen, weil er einen fünf Minuten langen Umweg am Kreisel über Fahrstühle und Ampel vermeiden will.
Das ADFC-Engagement stößt jedoch nicht bei allen Radfahrern auf Gegenliebe. „Ich bin stinksauer“, sagte Radfahrerin Renate Pötter, in am Sonnabend im Radler-Pulk selbst gemalte Plakate hochhielt. Sie hält es für lebensgefährlich, wenn Radfahrer auf dem viel befahrenen Kreisel neben den Autos unterwegs sein sollen.
Für Hädicke-Schories steht eines fest: Mit der neuen Verkehrsführung kommt jeder sicher über die Straße. Und absteigen musste ein Radfahrer früher auch – vor der roten Ampel.