Die Sparprogramme des deutschen Luftfahrtriesen im Zeichen des Kranichs treffen die Norderstedt-Beschäftigten existenziell. Etliche Mitarbeiter in Norderstedt dürfen auf befristete Weiterbeschäftigung hoffen.
Norderstedt. Dass bei den Lufthansa Revenue Services am Norderstedter Schützenwall irgendwann die Lichter ganz ausgehen werden, darüber macht sich niemand mehr unter den verbliebenen 360 Mitarbeitern Illusionen. Die Sparprogramme des deutschen Luftfahrtriesen im Zeichen des Kranichs treffen die Norderstedt-Beschäftigten existenziell. Hoffnung keimt nun aber bei ihnen, dass der Rausschmiss nicht so radikal werden wird, wie ursprünglich von der Frankfurter Konzernzentrale geplant.
"Unsere Vorstände sind zumindest von dem radikalen Szenario weg, dass sie uns Anfang des Jahres verkündet hatten", sagt der Betriebsratsvorsitzende der Norderstedter Lufthanseaten, Klaus Kahlcke, am Freitag. Lufthansa-Finanzvorstand Simone Menne hatte im Februar die Schließung des Standortes bis 2017 angekündet und darüber hinaus die Ansage gemacht, dass die wesentlichen Tätigkeitsbereiche der Revenue Services, also das Erfassen und Verarbeiten von über 54 Millionen Flugscheinen pro Jahr, bis 2015 vom Standort Frankfurt/Main aus von der dort sitzenden Lufthansa Global Business Services (LGBS) erfolge, bei der aus Norderstedt nur etwa zehn Leute einen neuen Arbeitsplatz finden könnten. "Davon sind wir jetzt weit weg", sagt Kahlcke.
Denn zu seiner und der Freude seiner Kollegen gingen die Vorstände auf ein Szenario ein, dass der Betriebsrat erarbeitet hat. Und das dämpft die soziale Härte der Konzernentscheidung für die Mitarbeiter. Es sieht nun so aus, dass die Mitarbeiter in erster Linie Zeit gewinnen. Sie werden wohl noch deutlich länger als bis 2017 am Standort Norderstedt oder Hamburg arbeiten können. Die Arbeitgeberseite hat wohl erkannt, dass es für die Qualität der Revenue Services besser ist, befristet mit dem versierten Team am Norderstedter Schützenwall weiterzumachen. "27 wichtige Mitarbeiter im IT-Bereich haben Norderstedt bereits verlassen und sich neue Jobs gesucht. Das war ein heftiger Schlag für das Unternehmen. Eine kleine Abweichung von der Qualität in unserer Arbeit bedeutet gleich das Fehlen großer Summen in der Kasse", sagt Kahlcke. Ein erheblicher Teil der Norderstedter Beschäftigten könnte nach den jetzt zur Debatte stehenden Plänen nach einer Betriebsänderung in einer neuen Lufthansa-Gesellschaft mit befristeter Laufzeit am Standort Hamburg Arbeit finden. Darunter sind viele, die schon weit mehr als 15 oder 20 Jahre bei der Lufthansa sind und tarifvertraglichen Kündigungsschutz genießen. Für sie könnte die Regelung die zeitliche Lücke bis zur Rente schließen. Doch auch für die übrigen Lufthanseaten bringt der Zeitgewinn Vorteile. "Die werden nicht einfach in die Welt entlassen, sondern bekommen mehr Zeit und Hilfe für die Neuorientierung", sagt Kahlcke. Auch sie könnten zunächst befristet am Standort Norderstedt oder auch in Hamburg beschäftigt werden. In den nächsten Wochen soll der Interessenausgleich zwischen Lufthansa-Vorstand und Mitarbeitern detailliert ausgearbeitet werden.
"Grundsätzlich wird der Arbeitgeber natürlich nicht vom Ziel der Endlichkeit in Norderstedt abgehen. Es wird in den kommenden Wochen viel schmutzige Wäsche gewaschen werden Dabei wird es viele Verlierer unter uns geben. Das ist hier kein Wolkenkuckucksheim", sagt Klaus Kahlcke.
Unterstützung erfuhren er und seine Kollegen am Mittwoch durch den SPD-Bundestagsabgeordneten Franz Thönnes, der sich schon während des Arbeitskampfes im Februar für die Interessen der Norderstedter Lufthanseaten eingesetzt hatte. Thönnes besuchte den Betriebsrat und die Mitarbeiter am Schützenwall und brachte sich auf den neusten Stand der Entwicklungen. Thönnes: "Der jetzige Verhandlungsstand macht deutlich, dass die gemeinsamen Proteste der Beschäftigten mit ihrer Gewerkschaft Ver.di sowie die Strategie des Betriebsrates erste, positive Wirkungen zeigen. Es werde sich jedoch noch erweisen müssen, ob Lufthansa seiner sozialen Verantwortung letztendlich nachkomme."