Die Polizei ist besorgt: Bandidos dringen ins Revier der Hells Angels ein und gründen Club in Bad Segeberg
Kreis Segeberg. Die Polizei ist alarmiert: Landesweit versuchen Rockerclubs, neue Reviere zu erobern und dort ihren Einfluss zu sichern. Dabei gerät zunehmend auch der Kreis Segeberg ins Visier verfeindeter Banden. Besonders besorgt beobachten die Spezialisten des Landeskriminalamtes (LKA) die aktuelle Situation in Bad Segeberg. Dort haben die Bandidos einen Ableger für Anwärter (Prospect Chapter) gegründet, der bundesweit in den Internet-Foren der Organisation begrüßt wurde. Die Bandidos sind mit den Hells Angels verfeindet, die seit Jahren den Kreis Segeberg als Einflussgebiet für ihre Aktivitäten beanspruchen.
Die Segeberger Bandidos, die ihre Mitglieder in der Region rekrutieren, haben sich den Chapternamen Northgate gegeben und treffen sich regelmäßig. "Ihr Treffpunkt ist der Antikschuppen", sagt Stefan Jung, Sprecher des Kieler LKA. Der Antikschuppen ist eine beliebte Diskothek in der Kreisstadt. Um ihren Gebietsanspruch zu demonstrieren, haben die Bandidos bereits sichtbar Präsenz in der Stadtmitte gezeigt. Dabei trugen sie die typischen Rockerjacken mit dem Emblem ihres Clubs auf dem Rücken, die in der Szene "Kutten" genannt werden.
Nach Informationen der Norderstedter Zeitung sollen kurz danach auch die Hells Angels mit Kutten in der Innenstadt aufgetaucht sein - möglicherweise, um ihren Machtanspruch ebenfalls zu demonstrieren. "Die Konflikte schwelen weiter", sagt Jung. "Die Szene ist in Bewegung, wir stellen Expansionsbestrebungen fest."
Die Sonderkommission Rockerkriminalität des LKA beobachte sehr aufmerksam die Szene. Bandidos und Hells Angels hatten sich 2009 und 2010 in Schleswig-Holstein blutige Auseinandersetzungen geliefert. Beide Gruppen werden von der Polizei als kriminelle Organisationen eingestuft und mit Menschenhandel, Prostitution, Geldwäsche und Waffengeschäften in Verbindung gebracht.
Erst vor wenigen Wochen hatten die Hells Angels des Charters North End aus Alveslohe an der Ecke Ulzburger Straße/Quickborner Straße in Norderstedt einen neuen Treffpunkt gegründet. In der Rock Bar treffen sich Mitglieder des Alvesloher Charters, die in der Rockerhierachie großes Ansehen genießen und international vernetzt sind. "Dort ist die Lage ruhig", sagt LKA-Sprecher Jung. Bislang haben sich Befürchtungen nicht bestätigt, dass die Höllenengel ihr Hauptquartier von Alveslohe nach Norderstedt verlagern. Sie gehen weiterhin auch im Clubheim an der Fischwehrstraße in Alveslohe ein und aus und kündigen auf ihrer Homepage ihre nächsten Partys mit Striptease, Oben-ohne-Bedienung und Bier für 1,50 Euro, aber ohne Drogen ("No drugs!") an. Laut LKA haben die Red Devils die Regie in dem Clubhaus übernommen, die mit den Hells Angels befreundet sind und als Unterstützer arbeiten. "Die sind für die Drecksarbeit zuständig", sagt ein Beamter.
Seit Mai dieses Jahres beobachtet die Polizei in mehreren Bundesländern verstärkte Aktivitäten in der Rockerszene. Damals lief ein einjähriges Abkommen aus, dass zwei hochrangige Anführer der Bandidos und Hells Angels öffentlichkeitswirksam in einer Anwaltskanzlei in Hannover per Handschlag im Mai 2010 besiegelt hatten. Nach brutalen Auseinandersetzungen zwischen den Clubs hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, innerhalb eines Jahres keine neuen Ableger ihrer Clubs zu gründen. Danach sollten Neugründungen nur nach Absprache erfolgen. Ob sich beide Seiten daran noch gebunden fühlen, ist allerdings offen.
Die Auseinandersetzungen in Schleswig-Holstein hatten 2010 als "Küstenkrieg" Schlagzeilen gemacht. Bei Messerstechereien in Neumünster und Kiel wurden mehrere Menschen schwer verletzt. In Kaltenkirchen wurde ein Rocker zur Holstentherme gelockt und auf dem Parkplatz angeschossen. Auf der Autobahn 7 drängte ein Autofahrer einen Motorradfahrer von der Fahrbahn und verletzte ihn erheblich.
Im April 2010 griff das Innenministerium durch und verbot den Club der Hells Angels in Flensburg und die Bandidos-Gruppe in Neumünster, die mit dem berüchtigten Rechtsradikalen Ralf B. verbandelt war. Die Treffpunkte wurden geschlossen. "Seit dem Verbot war es zunächst auffallend ruhig", sagt Jung. Doch im Juni dieses Jahres durchsuchte die Polizei erneut den Treffpunkt der Bandidos in Neumünster und stellte fest, dass die Rocker ihre Akti
itäten im Geheimen fortgesetzt hatten. Inzwischen sind sie ins dänische Padborg ausgewichen.
Ein neuer Konflikt zeichnet sich bei den Hells Angels in Kiel ab, die die Stadt für sich beanspruchen, das Rotlichtmilieu kontrollieren und Konkurrenz nicht dulden. Nachdem sich im Stadtteil Gaarden der Rockerclub Mongols niedergelassen hatte, der mit den Angels weltweit in Clinch liegt, griffen 20 Vermummte das Vereinslokal an. "Die Sonderkommission Rocker ermittelt", sagt der LKA-Sprecher.