23 Anlagen gibt es im Kreis Segeberg. 16 weitere sollen hinzu kommen. Kritiker befürchten das Ende der Kulturlandschaft, die Politiker sind verunsichert

Auf seinem 80-Hektar-Hof in Wakendorf II weideten einst 70 Milchkühe. Diesen Hof hat Johann Georg Mohr inzwischen seinem Sohn übertragen, heute geht der frühere Landwirt einem anderen Job nach. Seine Milchkuh ist jetzt aus Beton, sein Arbeitsplatz ist ein kleines Büro am Sandberg im Henstedt-Ulzburger Ortsteil Götzberg. Hier sitzt der 63 Jahre alte Wakendorfer vor einem Computerbildschirm und beobachtet den Betrieb in der Biogasanlage, die seit August 2007 in Betrieb ist. Johann Georg Mohr bezieht jetzt ein Geschäftsführergehalt: Zusammen mit den Landwirten Helmut Schmuck und Kai Henning Schröder hat er eine GmbH gegründet, die diese Anlage betreibt. Ihre Firma zur Erzeugung von Elektrizität und Wärme aus erneuerbaren Energieträgern ist im Handelsregister unter "AgrarEnergie Götzberg" eingetragen.

Zwei Millionen Euro haben die drei Landwirte vor vier Jahren investiert, um diese Anlage zu bauen. Ein Modell "von der Stange", das Strom und Fernwärme produziert. Der Strom, 525 Kilowatt pro Stunde, wird von der E.on Hanse zu einem Festpreis (9,09 Cent pro Kilowattstunde), garantiert für 20 Jahre, übernommen, das warme Wasser, 540 Kilowatt, läuft in Rohren zu benachbarten Landwirten, einem Gartenbaubetrieb und zu fünf Wohnhäusern. "60 Prozent der Wärme werden wir los", sagt Johann Georg Schmuck, der sich die Technik dieser Anlage nach und nach verinnerlichen musste. 2011 gibt es für die Gesellschafter erstmals eine Ausschüttung.

Die Luft in der Biogasanlage riecht leicht säuerlich - etwas unangenehm für jeden, der sich hier zum ersten Mal aufhält. Geschäftsführer Mohr hat sich daran gewöhnt. Aber allzu lange hält er sich in seinem kleinen Büro und auf dem übrigen Gelände auch nicht auf: Alles läuft vollautomatisch. Der starke Geruch stammt vom Mais, der auf dem Gelände gehäkselt lagert, automatisch der Anlage zugeführt und in den etwa 6,50 Meter hohen Betonbehältern Tag und Nacht von Bakterien zersetzt wird. 25 bis 28 Tonnen Mais werden hier jeden Tag in drei Behältern verarbeitet. Das hat unübersehbare Folgen: Die Landwirte im Umkreis von zehn Kilometern setzen verstärkt auf Maisanbau. Ein gutes Geschäft für beide Seiten: Die GmbH hat sichere Lieferanten, die Landwirte einen sicheren Abnehmer. Von dem komplizierten weltweiten Gefüge, aus dem sich der Getreidepreis zusammensetzt, sind die Landwirte mit ihrem Mais nicht direkt abhängig. 1400 Euro bekommen die Bauern für einen Hektar Mais. Jeder Stromkunde finanziert gemäß dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) die fortschreitende Industrialisierung der Landschaft mit.

Nur zwei Kilometer weiter in Richtung Henstedt-Ulzburg wohnen die erbitterten Gegner der "AgrarEnergie Götzberg GmbH". Karin, 61, und Rolf Möller, 70, sind Gründer der "Initiative pro Henstedt-Ulzburg", die sich wiederum der bundesweiten Aktion "Initiativen mit Weitblick" angeschlossen hat. Ihr Ziel ist es, weitere Biogasanlage - das Wort "Bio" wird vermieden, stattdessen wählen sie den Begriff "Agrargasanlagen" - zu verhindern. Zusammengefasst sind das die Argumente der Gegner: Die "Vermaisung" der Landschaft, gehe mit einer Zerstörung der Artenvielfalt einher. Das bedeute eine Belastung der Umwelt, weil der Maisanbau einen hohen Aufwand an Düngemitteln erfordere. Diese Faktoren gefährden nach Auffassung aller Anlagengegner das Grundwasser langfristig, es entstehe ein Schaden an Flora und Fauna. Der Ausstoß von CO2, Feinstaubbelastung und Lärm durch Schwerlasttransporte belaste die Umwelt ebenso wie die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen im Einzugsbereich der Anlagen. Für das Ehepaar Möller war der Lärm durch den Anlieferungsverkehr zunächst ausschlaggebend für ihr Engagement. Inzwischen sind sie Experten auf dem Biogas-Gebiet. "Aus ökologischer Sicht sind viele Anlagen, so wie sie geplant werden, eine Mogelpackung", sagen Karin und Rolf Möller. "Bedauerlich ist, dass sich so viele Kommunalpolitiker davon täuschen lassen." Es gehe um den Profit einzelner auf Kosten der Allgemeinheit.

Im Kreis Segeberg sind derzeit 23 Anlagen in Betrieb, die zusammen 9023 Kilowatt Strom pro Stunde erzeugen. Drei Anlagen sind im Bau, weitere 13 Anlagen sind beantragt oder in Planung. Stehen eines Tages alle, könnten pro Stunde 14 349 Kilowatt erzeugt werden. 284 395 Tonnen Mais müssen mit 9128 Fahrten von den Feldern zu den Anlagen transportiert werden. Auf 6929 Hektar landwirtschaftlicher Fläche muss Mais angebaut werden. Diese Fakten, zusammengetragen von der Kreisverwaltung in Bad Segeberg, machen auch einige Kreispolitiker nachdenklich. Der Umweltausschuss des Kreistages beschäftigt sich am Mittwoch, 17. August, im Segeberger Kreishaus mit dem Antrag der Grünen-Fraktion, ein Biogasanlagen-Kataster für den Kreis Segeberg zu erstellen (18 Uhr). "Es gibt Wildwuchs und kein Regulativ", sagt Grünen-Fraktionschef Arne Hansen. In einem Kataster müsse der Flächenbedarf derartiger Kraftwerke dokumentiert werden.

Johann Georg Mohr hat wenig Verständnis für die Kritiker, die er in erster Linie für "wohlbetuchte Rentner" hält. Zwar verhinderten Maisfelder den Weitblick über die Landschaft, aber schließlich produziere Mais mehr Sauerstoff als Getreide. Die GmbH will die Anlage um einen Behälter erweitern. Die Henstedt-Ulzburger Gemeindepolitiker haben den Antrag erst einmal abgeschmettert - weil Biogas-Anlagen im Verdacht standen, EHEC-Keime zu produzieren. Im Herbst aber kommt der Antrag wieder auf den Tisch.