Immer mehr Altenpflegefachkräfte fehlen. Die Awo in Schleswig-Holstein startet eine Kampagne
Norderstedt. "Natürlich ist es ein schwieriger Job, sowohl körperlich als auch psychisch. In der ersten Zeit habe ich viel geweint", sagt Sandra Bätz, Auszubildende in der Senioren- und Pflegeeinrichtung Haus Hog'n Dor in Norderstedt. Vor vier Jahren zog die gelernte Köchin aus Mecklenburg Vorpommern nach Norderstedt, um im Haus Hog'n Dor als Altenpflegehelferin zu arbeiten.
"Im Osten hatte ich damals keine Wahl, was ich machen möchte. Doch mit meinem gelernten Beruf war ich unzufrieden." Auf die Idee, als Altenpflegerin zu arbeiten, brachte sie ihre Mutter. "Ein Jahr wurde ich hier erst mal eingearbeitet. Da lernt man natürlich nur die einfachsten Sachen wie das Waschen und Blutdruckmessen". Aus Interesse an dem medizinischen Bereich wie dem Verabreichen von Medikamenten, dem Spritzen geben und Katheder legen entschied sich Sandra Bätz dann nach vier Jahren, die Ausbildung mit dem Abschluss der examinierten Altenpflegerin zu wagen. Seit einem Jahr geht sie jetzt wieder zur Schule. Das monatliche Schulgeld von 290 Euro muss sie selber aufbringen.
Nur 1200 Ausbildungsplätze in der Altenpflege werden über das Land Schleswig-Holstein gefördert. Gerold Melson von der für Norderstedt übergeordneten Agentur für Arbeit Elmshorn weist auf die rechtlichen Hintergründe hin, die eine Förderung der Ausbildung zum examinierten Altenpfleger verhindern: "Von der Agentur für Arbeit können nur zweijährige Ausbildungen gefördert werden. Da die Ausbildung zum Altenpfleger nicht verkürzt werden kann, ist eine Förderung leider nicht möglich."
Im letzten Jahr konnte 19 Ausbildungswilligen allerdings die Ausbildung über ein Sonderprogramm durch finanzielle Mittel der Bundesregierung ermöglicht werden. In diesem Fall handelte es sich um bereits in der Altenpflege Beschäftigte, die dann am Institut für berufliche Aus- und Fortbildung (IBAF) in Norderstedt die Ausbildung auf zwei Jahre verkürzen konnten.
"Um ehrlich zu sein, ist für die heutigen Jugendlichen eine Beschäftigung in der Altenpflege auch nicht der Traumberuf", gibt Melson zu bedenken. "Heute machen junge Menschen lieber etwas mit Computern oder ziehen einen Job im Bekleidungseinzelhandel vor." Dabei klaffen die Löhne gar nicht weit auseinander. Ein examinierter Altenpfleger wird nach Tarif bezahlt und kann mit einem durchschnittlichen Lohn von 2300 Euro rechnen. Das Gehalt eines Einzelhandelskaufmanns liegt mit durchschnittlich 2000 Euro sogar noch darunter. "Nur das erste Jahr ist Gewöhnungssache", sagt Sandra Bätz, "man lernt irgendwann auch, mit dem Schichtdienst und mit Sterbenden umzugehen."
Zu Zeiten des demographischen Wandels wird der Pflegeberuf immer wichtiger. Laut einer Studie der Universität Freiburg wird sich die Anzahl der Pflegefälle zwischen 2007 und 2050 sogar verdoppeln. Das heißt, der Pflegeberuf ist ein Job mit guter Zukunftsperspektive.
Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) Schleswig-Holstein versucht jetzt, mit der Kampagne "Wir stricken gemeinsam an der Zukunft der Pflege" drei weiteren jungen Menschen die Ausbildung zum Altenpfleger zu ermöglichen. Damit unterstützt sie die Forderungen der der Bundesagentur für Arbeit nach einer flexibleren Ausbildung im Arbeitsfeld Altenpflege und einem neuen Finanzierungsmodell für die dreijährige Ausbildung. Das Stricken wird sogar wörtlich genommen: Deutschlandweit, vor allem aber in Schleswig-Holstein, stricken Menschen an der Zukunft der Pflege. Die Handarbeiten werden anschließend auf Basaren gegen Spenden abgegeben. "Es haben sich ganze Strickgruppen gebildet", sagt Anke Buhl, Referentin für Alten- und Pflegepolitik der Awo Schleswig-Holstein. In Kiel wurde beispielsweise der Versuch gestartet, ein Kleid für einen Baum zu stricken. "Aus Norderstedt hat leider noch niemand gestrickt", sagt Angela Forray aus dem Awo-Servicehaus in Norderstedt enttäuscht, "obwohl wir darauf aufmerksam gemacht haben".
Das Stricken steht als Symbol für den Versuch, Netzwerke zu knüpfen und auf den Personalmangel in der Altenpflege aufmerksam zu machen. Gleichzeitig versucht die Awo, das Image der Altenpflege aufzubessern. Auch Sandra Bätz machte der Beruf erst mit der Zeit richtig Spaß: "Die Geschichten, die ich höre, faszinieren mich. Und wir hatten sogar schon zwei Liebespaare, die sich hier gefunden haben." Sie hilft den Menschen gerne dabei, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen. Allen künftigen Auszubildenden empfiehlt sie, ohne zu hohe Erwartungen an den Job ranzugehen und vorher ein Praktikum zu machen.
Noch bis 12. Mai 2012, dem internationalen Tag der Pflege, wird gemeinsam an der Zukunft der Pflege gestrickt, immer mit dem Ziel von knapp 32 000 Euro Spendeneinnahmen vor Augen.