Mit allen Sinnen erleben - ein vorempfundener Rundgang über die Landesgartenschau Norderstedt
Dort, wo früher Ziegel gebacken wurden, mit denen Hamburg aufgebaut und für die in Norderstedt der Kalksandstein abgebaut wurde, durch das ehemalige Potenbergwerk nämlich, geht es hinein in die zweite Landesgartenschau des Landes Schleswig-Holstein. Das runderneuerte Fabrikgebäude ist die Schleuse für die erwarteten 600 000 Gäste und während der Schau das "BlütenWerk", in dem die besten Floristen des Landes zeigen, wie aus Schnittblumen Kunstwerke werden.
Hinter dem "BlütenWerk" wartet der Horizont. Die Weite über dem 25 Hektar großen Stadtparksee ist an Sonnentagen atemberaubend, bis der Besucher dem Reflex des ausgiebigen Durchatmens nachgibt. Wie ein sandfarbenes Band umgibt der zwei Kilometer lange Loop, der Rundweg, den See. Auch wenn die Gartenschau gerade angefangen hat, so denkt der Norderstedter bei diesem Anblick doch gleich an danach. Wenn auf dem Loop die Menschenmassen von der Ruhe der Natur ersetzt sind, und der Loop um den See es mit den hübschesten Laufstrecken der Region aufnehmen kann.
Was für ein Strand! Die Kröten sind nicht umsonst gestorben
Wer Kinder dabei hat, bleibt aber gleich hinterm Eingang hängen. Perfide ausgeklügelt haben die Planer hier den Wasserspielplatz gebaut. Netterweise haben sie daneben die Hauptgastronomie mit 600 Plätzen und À-la-Carte-Service gesetzt. Während sich die Kleinen also von oben bis unten klatschnass machen (Wechselklamotten mitnehmen!), können Mama, Papa, Oma, Opa, Onkel, Tante und der ganze Rest der Familie bei Milchkaffee oder Mittagessen verharren und das Treiben beobachten.
Mehr als 200 Birken, Kiefern und Eichen machen die Seepromenade zu einer aufgeräumten Allee, die am Restaurant startet und am Strand vorbei die Besucher auf die sanften Hügel im Norden des 72 Hektar großen Landesgartenschaugeländes entlässt. Doch kaum jemand wird dem Drang nachgeben können, dabei den 4000 Quadratmeter großen Strand einfach rechts liegen zu lassen. Die Norderstedter Politik hatte lange diskutiert, hier nur eine schmale Halbinsel mit Mini-Strand zuzulassen, weil eine Bucht, die für die Fauna des Sees bedeutend war, nicht zugeschüttet werden sollte. Die Entscheidung fiel für den Strand und gegen die Kröten. Wer jetzt im gelben Sand steht und über den See blickt, sich vorstellt, wie hier im Sommer die Familien baden gehen und sonnen, sich vorstellt, wie vermüllt es früher hier am See aussah, wie es nach Hundekot roch und dann versucht, eine annähernd attraktiveres Strandbad in der Region zu finden, der kann behaupten, dass die Kröten keinen ganz sinnlosen Tod gestorben sind. Im Waldpark, versteckt zwischen den Bäumen hat die Pflanzplanerin der Gartenschau, also die Frau, die für die Arrangements der Blumen, für den spektakulären Auftritt der Flora verantwortlich war, ihren Lieblingsplatz. Agnes Hofmeister, Landschaftsarchitektin aus Dresden, hat es die "Glücksquelle" genannt. Über mit Rindenmulch ausgelegte Pfade weicht der Besucher vom Weg ab, taucht ein in die mystisch-märchenhafte Welt des Unterholzes und findet die Quelle des Glücks. Ein Kreisverkehr im Zeichen des Klees. Ein sanftes Hügelchen, umgeben von Bänken, auf denen Seelen baumeln und müde Beine rasten können. Der Rest ist lauschen, auf den Wind zwischen den Ästen der Bäume.
Sechs weitere Blumeninseln gibt es im Waldpark versteckt, sie heißen "Feengeflüster", "Glockengrund", "Elfentanz", "Hexenküche", "Teufelsspiegel" und "Trollengaukelei". Verspielt-romantische Flecken Erde im Sehnsuchtsort Wald. Irgendwie fast schon kitschig, dass hier sogar die Heide blüht. Über geschwungene Holzstege geht es mitten hinein in das Boden deckende Altrosa am Rande des Waldparks.
Pflanzen gewordene Zelluloid-Träume für Reihenhausparzellen
Noch blütenträchtiger wird es aber im Feldpark, wo die Leistungsschau der Gartenexperten aus Schleswig-Holstein und Hamburg zu einem Blüten treibenden Wettstreit der Ideen geführt hat. Themengärten im Geiste Hollywoods, Zelluloid-Träume werden zu Gartenträumen, der Pflanzen gewordene "Herr der Ringe" auf 180 Quadratmetern für die design-orientierten Inhaber von Reihenhausparzellen. Wie ein bodenständiges Gegengewicht dazu grenzen die Schrebergärten von gestern, heute und morgen an die Filmindustrie nebenan und zeigen dem hemdsärmligen Hobbygärtner, was hausgebastelt machbar ist. Doch - Moment, woher kommt dieser Duft? Nach Lavendel, Salbei, Majoran und Melisse? Aus dem Bustan, dem biblischen Obst- und Weingarten des Vereins "Chaverim - Freundschaft mit Israel". Menschen reichen Fladenbrot, beträufelt mit Olivenöl und Saata, einem himmlischen Kräutergemisch. Es ist wie vor 2000 Jahren in den judäischen Bergen.
Ein Gebet im "Himmelszelt" oder doch lieber Erbsensuppe?
Am anderen Ende der großen Wiese des Feldparks steht das wahrzeichenhafte Bekenntnis der evangelischen, katholischen und freien Kirchengemeinden zur Landesgartenschau, eine ökumenische Kunststoffkuppel von größtmöglicher Transparenz, ein "Himmelszelt", das kaum etwas zwischen Gebet und Himmel lässt. Und wieder haben die Planer wohl kalkuliert einen Spielplatz daneben gesetzt, mit Wackelschafen, dahinter den Bauernhof mit den vielen Tieren, der von Norderstedter Werkstätten betrieben wird.
Während also die Kinder toben, gönnen sich die Eltern einen Moment der Besinnung im "Himmelszelt", danken dem Herrn für die Schönheiten der Natur, für die reichen, spektakulären Einfälle des Schöpfers. Ganz profan kann man aber auch in die Feldpark-Gastronomie gehen und sich einen Teller Erbsensuppe oder eine Curry-Wurst-Pommes-Variation reinziehen. In beiden Fällen ist das sinnliche Erlebnis garantiert. Wie überhaupt auf der gesamten Gartenschau.