Zu den wichtigen Politikfeldern Landtagswahl in Schleswig-Holstein nehmen die sechs Direktkandidaten des Wahlkreises 27 Stellung.
Zu den wichtigen Politikfeldern in Schleswig-Holstein nehmen die sechs Direktkandidaten für die Landtagswahl Stellung. Es geht um Schulden, um Koalitionen, um den demografischen Wandel, um Biogas, die Zukunft der ländlichen Räume und um die allgemeine Politikverdrossenheit. Die Kandidaten hatten eine enge Vorgabe von der Redaktion bekommen - kurze Antworten auf wichtige Fragen.
Wie können die ländlichen Räume aufgewertet werden?
Axel Bernstein (CDU): Ich wünsche mir, dass die ländlichen Räume auch in Zukunft verschiedene Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, landwirtschaftliche Produktion, Naherholung und Naturschutz wahrnehmen können. Damit das gelingen kann, müssen sie attraktive Lebensbedingungen bieten. Dazu gehören moderne Verkehrsanbindungen, qualifizierte Arbeitsplätze, modernes Breitband und ein zeitgemäßer Einklang von Naturnutzung und Naturschutz.
Marc-André Ehlers (SPD): Der ländliche Raum hat seine Stärken, und diese liegen in meinem Wahlkreis in den Bereichen Tourismus, Handel, Gesundheitsregion und Dienstleistung. Wir müssen eine bessere Vernetzung und Vermarktung unserer Region vornehmen. Die projektbezogene Einwerbung von EU-Mitteln für unsere Region ist eine Erfolgsgeschichte und ich werde mich dafür einsetzten, dass diese fortgesetzt wird.
Werner Smidt (FDP): Gerade in ländlichen Räumen kann die Lebensqualität verbessert werden. Dazu bieten zahlreiche EU Förderprogramme gute Anreize. Auch die medizinische Versorgung kann durch eine elektronische Vernetzung und die Telemedizin in den ländlichen Räumen verbessert werden. Ich setze mich dafür ein, dass öffentliche Förderprogramme in meinem Wahldistrikt besser genutzt werden.
Peter Stoltenberg (Bündnis90/Die Grünen): Die Menschen müssen aktiv eine Vorstellung davon entwickeln, wie ihr Dorf in zehn Jahren aussehen soll: In welcher Form Tourismus und Gewerbe stattfinden soll, welche Infrastruktur gebraucht wird, wie der Naturreichtum erhalten oder wiederhergestellt werden kann, wie Landwirtschaft aussehen muss, um Klima- und Gewässerschutz zu gewährleisten. Schaffung energieautarker Gemeinden.
Björn Radke (Die Linke): Bei über 1000 kleineren Städten und Gemeinden ist eine gut ausgebaute Infrastruktur für die Menschen in unserem Land unabdingbar. Gemeinden, die aufgrund mangelnder Finanzmittel die Grundversorgung nicht mehr aufrechterhalten können, zerstören das Vertrauen der Menschen in die Gemeinschaft.
Thomas Wilken (Piratenpartei): Regionale Clusterkompetenz statt partikulare Dorfinteressen, Breitbandversorgung Internet, ärztliche Versorgung, Ausbau des ÖPNV zum Beispiel durch "türkische Dolmus-Lösungen", private Fahrdienstleister organisiert über Internet.
Welche Koalitionen können Sie sich nach der Landtagswahl vorstellen?
Axel Bernstein (CDU): Schleswig-Holstein braucht eine stabile Regierung. Ich kann mir deshalb eine Dreier-Koalition mit knapper Mehrheit, und vielleicht gar unter Beteiligung der Vertreter der dänischen Minderheit, nicht vorstellen. Eine starke CDU garantiert stabile Verhältnisse. Falls wir stärkste Fraktion werden, würden wir mit allen Fraktionen sprechen, die für eine stabile Mehrheit zu Verfügung stehen.
Marc-André Ehlers (SPD): Ich kämpfe dafür, dass wir die stärkste Fraktion werden und Torsten Albig Ministerpräsident. Rot-Grün steht für diesen gewünschten Regierungswechsel. Denkbar wäre auch eine Minderheitsregierung, wie im skandinavischen Raum, denn dort wurden mit diesem Modell bereits gute Erfahrungen gesammelt. Dies bedeutet für Schleswig-Holstein: Rot-Grün mit Tolerierung durch den SSW.
Werner Smidt (FDP): Meine Wunschkoalition ist mit der CDU in Schleswig-Holstein, da sehe ich die größte inhaltliche Schnittmenge. Angesichts der aktuellen Umfragewerte ist jedoch eine Fortführung der derzeitigen Koalition nicht sehr wahrscheinlich. Es sieht derzeit vielmehr danach aus, dass nach der Wahl eine Dreierkoalition das Land regieren wird.
Peter Stoltenberg (Bündnis90/Die Grünen): Im Prinzip jede, solange die programmatischen Ziele übereinstimmen. Eine Zusammenarbeit mit Parteien, die menschenverachtende oder demokratiefeindliche Positionen vertreten, schließe ich aus, egal ob rechts oder links. Meine Wunschkoalition: SPD und Grüne.
Björn Radke (Die Linke): Die Landesregierung muss, um Konsolidierungshilfen vom Bund von 720 Millionen Euro bis 2020 zu erhalten, ein strukturelles Finanzierungsdefizit von 1,3 Milliarden Euro abbauen. Alle Parteien, außer der Linken, wollen dies mit einem einseitigen Sparkurs zu Lasten des öffentlichen Sektors erreichen. Die verschiedenen Koalitionsoptionen ändern daran nichts.
Thomas Wilken (Piratenpartei): Nach meinen demokratischen Grundverständnis sind alle gewählten Parteien koalitionsfähig (Ausnahme Nazis).
Wie kann Schleswig-Holstein Schulden abbauen?
Axel Bernstein (CDU): Ausgaben im Griff behalten, wie es die CDU-geführte Regierung in den vergangenen Jahren getan hat, und die Rahmenbedingungen für stabiles Wachstum gestalten - auch das haben wir erfolgreich begonnen. In wenigen Jahren kann so mit dem Abbau der Schulden der vergangenen 40 Jahre begonnen werden. Leider sind wir die einzige Fraktion im Landtag, die ohne Wenn und Aber für diese Ziele eintritt.
Marc-André Ehlers (SPD): 1. Stärkung von Bildungsinvestitionen, mit denen wir künftige Belastungen des Haushaltes durch Sozialtransfers senken helfen. 2. Investitionen in Forschung und Entwicklung, Infrastruktur und Energiewende zur Stärkung der Wachstumskraft unseres Landes. 3. Kürzungen bei Abgeordneten, Landtagsfraktionen, der Regierung sowie bei den Verwaltungsausgaben.
Werner Smidt (FDP): Einerseits durch konsequente Kürzungen der Ausgaben und durch die Ausdehnung des "Private Partnership Programms", indem private Investoren Anteile an kommunalen Aufgaben übernehmen.
Peter Stoltenberg (Bündnis90/Die Grünen): Konzentration auf die wesentlichen Politikziele: Klimaschutz mit dem dafür nötigen ökologischen Umbau, Bildung, Gesundheit. Kritische Überprüfung der Verwaltungsstrukturen. Stärkung der Einnahmenseite, nur durch Sparen wird eine Entschuldung nicht gelingen ohne die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu gefährden.
Björn Radke (Die Linke): Wir wollen einen anderen Weg, als den Sparkurs zu Lasten des öffentlichen Sektors gehen: Durch die Erhöhung der steuerlichen Einnahmen im Bund - so zum Beispiel eine gerechtere Besteuerung der hohen Einkommen und Vermögen - wollen wir dem Land mehr Einnahmen verschaffen. Bildung und Sozialstaat zusammenstreichen ist keine Perspektive.
Thomas Wilken (Piratenpartei): Konsequentere Aufgabenkritik unter Einbeziehung des Bürgerwillens (Bürgerhaushalt), Prüfung eines kommunalen Insolvenzrechtes, Verwaltungsreform.
Wie muss Schleswig-Holstein auf den demografischen Wandel reagieren?
Axel Bernstein (CDU): In ganz Deutschland müssen wir besser dabei werden, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Das ist übrigens nicht nur eine Aufgabe der Politik, sondern auch der Wirtschaft und der Gesellschaft, die noch nicht überall kinderfreundlich ist. Schleswig-Holstein ist in der U-3-Betreuung, den Kindergärten und im Bildungsbereich auf einem guten Weg.
Marc-André Ehlers (SPD): Der demografische Wandel stellt uns vor große Herausforderungen. Die Erfahrungen der älteren Menschen, ihre Sensibilität und ehrenamtliche Einsatzfreude wollen wir nutzen, z.B. für Patenschaften und Freiwilligendienste. Wir werden neue Wohnformen und Infrastrukturangebote fördern, damit ältere Menschen lebenslang in der eigenen Wohnung zu leben.
Werner Smidt (FDP): Die Gesundheits- und Pflegeversorgung muss sichergestellt sein. Dabei spielt die elektronische Vernetzung von Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken und Pflegediensten eine große Rolle. Mit Hilfe der Telemedizin kann schon heute die medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen deutlich verbessert werden. Die Landesregierung muss bündeln.
Peter Stoltenberg (Bündnis90/Die Grünen): Besser ausbilden, gutes Lebensumfeld für interessante Arbeitsplätze und qualifizierte Arbeitskräfte schaffen. Altersgerechte Wohnmöglichkeiten schaffen, Mehrgenerationenhäuser, medizinische Versorgung und Pflege sicherstellen, bedenken, dass es sich um ein zeitlich begrenztes Phänomen handelt.
Björn Radke (Die Linke): Nicht die "Überalterung" ist das Problem, sondern die drohende Altersarmut, die nur durch eine Kehrtwende in der Verteilungspolitik behoben werden kann. Dazu müssen die Lohnbremsen aus dem Arbeitsrecht raus, und die Kürzungsfaktoren müssen aus der Rentenformel gestrichen werden, damit die Rente wieder mit den Löhnen steigt.
Thomas Wilken (Piratenpartei): Komplexe Frage; kurze Antwort: Durch eine aktive Energiewende Ansiedlung innovativer Firmen der regenerativen Energie; Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen für junge Fachkräfte, damit verbunden aktive Familienpolitik auch durch Arbeitgeber als Gegenmaßnahme zur Überalterung der Gesellschaft. Hier werden die Piraten aktiv mitwirken.
Biogasanlagen - Fluch oder Segen?
Axel Bernstein (CDU): Biogas ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Es ist eine Aufgabe von nationaler Tragweite, die zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung eines Industrielandes auf regenerative Energien umzustellen. Wichtig ist, dass der Fortschritt der Biogas-Technik zunehmend die Verwendung von Reststoffen ermöglicht und so Alternativen zum Mais wirtschaftlich werden.
Marc-André Ehlers (SPD): Die Steigerung der Biogasproduktion lässt zu Recht die kritischen Stimmen lauter werden. Auf Regionalplanungsebene muss für die Biogasproduktion ein Konzept erarbeitet werden, wie wir es z. B. mit dem Wind-Kataster geschafft haben. Eine Erstellung von rationalisierten Grünlandbilanzen ist vorzubereiten, der Boden vor Monokulturen zu schützen.
Werner Smidt (FDP): Biogasanlagen sind eine sinnvolle Ergänzung zur Energieversorgung. Es dürfen aber nicht zunehmend mehr landwirtschaftliche Nutzflächen in Monokulturen umfunktioniert werden - und das noch mit staatlichen Fördergeldern.
Peter Stoltenberg (Bündnis90/Die Grünen): Grundsätzlich eine gute Ergänzung im zukünftigen Energiemix, aber durch die gegenwärtige Förderpolitik in völlig falsche Bahnen geraten. Der Trend zu Großanlagen mit zunehmendem Verkehr und Intensivlandwirtschaft mit Monokulturen lässt Biogasanlagen zurzeit eher zum Fluch werden.
Björn Radke (Die Linke): Biogasanlagen gelten als Teil der alternativen Energieerzeugung. Negative Folgen: Zunehmende Monokulturen durch Maisfelder, die eine starke Belastung von Boden und Umwelt darstellen. Zur Vermeidung einseitiger Entwicklungen sollte ein Energiemix angeboten werden, der unter aktiver Bürgerbeteiligung von Land und Kreisen befördert wird.
Thomas Wilken (Piratenpartei): Eindeutig Fluch! Der einzige Vorteil (dauerhafte Grundlast) wird durch die Vielzahl an Nachteilen (Grundwasserverschmutzung, Grünlandumbruch, ökologischer Verödung, Verlust von Ackerland, Vermaisung der Landschaft, Artensterben, etc) zur ökologischen Zeitbombe.
Wie kann Politik interessanter gestaltet werden, um auch bisherige Nichtwähler zu überzeugen?
Axel Bernstein (CDU): Es gibt heute kaum noch die wenigen großen Themen, bei denen man ohne viel Detailwissen "richtig" oder "falsch" sagen konnte. Politik muss besser darin werden, die aktuellen komplexen Fragen so darzustellen, dass die Kernentscheidungen für den Laien nachvollziehbar bleiben. Neue Medien und soziale Netzwerke können dabei helfen, das direkte Gespräch bleibt für mich aber unersetzlich.
Marc-André Ehlers (SPD): Ich werde durch die Eröffnung eines Wahlkreisbüros für die Menschen vor Ort da sein. Zusätzlich wird es im Wahlkreis feste Termine geben, an denen ich über meine Arbeit im Landtag berichte. Sie werden mich auch erneut auf den Marktplätzen der Region antreffen, denn dort habe ich auch Kontakt zu Bürgern, die politisch frustriert sind. Mein Ziel ist es, ein bürgernaher Abgeordneter zu sein.
Werner Smidt (FDP): Die Bürger müssen bei weitreichenden politischen Entscheidungen besser einbezogen werden. Auch Politiker sind besser beraten, wenn sie frühzeitig eine bürgernahe Rückmeldung bekämen. Das Internet bietet schon heute attraktive und interessante Möglichkeiten dazu, die von allen Parteien genutzt werden könnten, aber zu wenig genutzt werden.
Peter Stoltenberg (Bündnis90/Die Grünen): Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger schaffen, ohne die politischen Mandatsträger aus der Verantwortung zu entlassen. Die Menschen müssen erfahren können, dass ihre Anliegen wahrgenommen und transparent und nachvollziehbar bearbeitet werden. Es wird nicht darauf ankommen, Politik interessanter zu machen, sondern wahrhaftiger.
Björn Radke (Die Linke): Wir müssen immer wieder deutlich machen, wie sich politische Entscheidungen auf die persönliche Lebenssituation der Bürger auswirken. Eine Öffnung der Parteien hin zu den Anliegen der Bürger (statt der Lobbygruppen) und deren praktizierter Mitsprache vor Ort, so zum Beispiel in Bürgerhaushalten, ist überfällig.
Thomas Wilken (Piratenpartei): Durch die Piratenpartei und deren Instrumente der Bürgerbeteiligung (Liquid Feedback, Mumble, offene Stammtische, Livestreams von Sitzungen in Land, Kreis, Kommunen). Offenere Teilhabe der Bürger an Entscheidungen statt Hinterzimmer-Gemauschel.