In unserer Firmenserie stellen wir Ihnen heute den Norderstedter Küchenhersteller Hummel vor, bei dem jede Minute ein Schrank vom Band läuft.
Norderstedt. Acht Quadratmeter Küche, die Hausfrau schwitzt zwischen Zwiebelschneiden, Bratengießen und Umrühren allein in ihrem Hobbyraum, während der Gatte munter mit den Gästen plaudert. "Diese Zeiten sind vorbei, die Küche entwickelt sich immer mehr zum Teil des Wohnraums", sagt Matthias Flick, Chef von Hummel-Küchen in Norderstedt. Offene Küchen seien gefragt, solche Fronten und Geräte, die sich den Wohntrends anpassen.
Die Hersteller müssten neue Produktideen entwickeln, bei den Farben sei Vielfalt gefragt. Da würden auch schon mal Schränke und Türen in Lila bestellt - und natürlich auch geliefert. Kräftige Blau- und Rottöne, Orange, die Mitarbeiter in der Lackiererei müssen häufiger als früher die Farbpalette abarbeiten. Möglich sind Tausende von Farbnuancen - alles, was die sogenannte RAL-Skala hergibt.
"Unsere Stärke ist die individuelle Fertigung. Für uns ist eine Küche wie ein Baukasten mit Lego, es gibt fast unendlich viele Möglichkeiten, die Steine zusammenzusetzen", sagt Flick, der mit seinen rund 100 Mitarbeitern im Werk in Friedrichsgabe etwa 7000 Küchen pro Jahr herstellt und die Automatisierung weiter vorantreibt. Gerade verhandelt er über eine neue Zuschnitt-Anlage, die den Verschnitt reduzieren und den Fertigungsprozess beschleunigen soll. Rund 3000 Platten sind im Lager gestapelt, aber nicht sortenrein nach Dekor, sondern durcheinander. Die neue Anlage wird über Nacht die 2,60 mal 2,10 Meter großen Basisplatten für die Schränke so vorsortieren, dass sie für die Aufträge des nächsten Tages bereit liegen. Bisher musste ein Staplerfahrer die Spanplatten in vielen Arbeitsgängen herausfischen.
Schon jetzt ist die Produktion weitgehend automatisiert. Wer vor der mehr als 80 Meter langen Fertigungsstraße steht, sieht zwar noch Menschen an den Maschinen, doch die haben eher Kontrollfunktion. Gleich rechts stoppt der Greifarm mit schlafwandlerischer Sicherheit über dem vorgefertigten Schrankboden, setzt die Saugnäpfe auf die glatte weiße Oberfläche und hebt Brett für Brett, Leiste nach Leiste aufs Laufband. Die EDV diktiert nicht nur dem Greifer, was er zu tun hat, sondern auch die anderen Maschinen, die Bretter auf Länge sägen, Kanten fräsen, farblich passende Umleimer ankleben, nuten und Dübellöcher bohren. Prunkstück der Produktionsstraße ist die Presse, die Seitenwände, Boden und Rückseite zum fertigen Schrank zusammenfügt. Auch vollautomatisch.
Für Sonderwünsche gibt es Tischler, die Küchen für Dachschrägen bauen
Erst dann sind wieder Tischler, Holzmechaniker und Holztechniker gefragt. Auszüge für Schubladen, Griffe oder die Füße für Schränke werden manuell montiert. Dennoch gibt es eine Tischlerei, in der Sonderwünsche erfüllt werden. Getischlert werden beispielsweise Küchen, die in eine Dachschräge eingepasst werden, oder Schränke, die aus der Norm fallen, nicht 50 oder 60, sondern 57 Zentimeter breit werden sollen. Da soll die neue Zuschnittanlage eingreifen, die dann das Sondermaß fertigt, ebenfalls ohne menschliches Eingreifen.
Voraussetzung dafür ist eine zweite Innovation: "Wir sind dabei, unsere EDV noch weiter zu modernisieren", sagt Flick. Den Schub in die Zukunft soll eine neue Software liefern. Zusammen mit externen Software-Entwicklern arbeiten die firmeneigenen IT-Experten an einer EDV, die alle Geschäftsabläufe durchgängig erfasst und einheitlich darstellt. Das Enterprice Ressource Planning (ERP) heißt das System, das die jetzigen Insel-Lösungen für die unterschiedlichen Unternehmensbereiche wie Küchenplanung, Auftragsvergabe, Rechnungswesen und Produktion ersetzen soll. Der Ist-Zustand bedeute nicht nur mehr Aufwand, sondern auch zusätzliche Fehlerquellen, weil Daten mehrfach eingegeben werden müssen.
650 000 Euro fallen an, um die EDV zu optimieren. 200 000 Euro steuert das Land bei, das damit den innovativen Charakter des Projektes betont. "Mit der Software lassen sich Aufträge schneller und problemloser abwickeln, die Verknüpfung der Daten liefert dem Management zudem wichtige Informationen für die Steuerung der Unternehmensabläufe", hatte Dr. Bernd Bösche, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH, gesagt, als er den Bewilligungsbescheid im Norderstedter Küchenwerk überreichte.
Es gibt 300 Standard-Schranktypen, rund 200 Fronten und 80 Griffvarianten
Schon jetzt ermöglicht die High-Tech-Herstellung einen enormen Durchlauf: Durchschnittlich jede Minute geben die Produktionsstraßen einen fertig montierten Schrank frei, Hochschränke brauchen eineinhalb Minuten, Hängeschränke nur 40 Sekunden. 300 Standard-Schranktypen, rund 200 Fronten und 80 unterschiedliche Griffe erlauben eine große Kombinationsvielfalt. Dazu kommen als gestalterische Elemente 30 Dekore für Arbeitsplatten - Granit, Glas, Edelstahl oder Holz nicht eingerechnet.
Hummel-Küchen ist Deutschlands nördlichster Küchen-Hersteller, hat sich im Norden etabliert und hatte den Weltmarkt im Visier. Vor allem Chinesen sollten in Hummel-Küchen ihre Speisen zubereiten. Zwei Musterküchen hatte der Norderstedter Küchenbauer ins Reich der Mitte verschifft. Doch dann wurde nichts aus dem Geschäft. "Damit müssen wir leben, wir werden den Markt in Fernost aber weiter beobachten", sagte der Chef.
Im Werk werden Küchen für 1500, aber auch für 90 000 Euro gefertigt
Im Moment liegt der Fokus eher in der Region. In Hamburg werden in den nächsten Jahren viele Wohnungen gebaut, in Norderstedt und im Umland vollziehe sich der Generationswechsel. Wenn die neuen Besitzer modernisieren, wird meist auch die Küche ersetzt. Da hofft das Hummel-Team auf Aufträge. Schon jetzt zählen Bauträger und Wohnungsbaugesellschaften zu den Stammkunden, knapp 70 Prozent des Umsatzes wird aus diesem "Objektgeschäft" erwirtschaftet, die Produktion für Fachhändler und Privatkunden ist das zweite Standbein. Im Werk werden Küchen für 1500, aber auch für 90 000 Euro gefertigt. "Wir sehen uns wie VW. Es gibt Einstiegsmodelle wie den Up!, aber auch hochpreisige Fahrzeuge wie den Phaeton", sagt Flick, der die Stärke des Unternehmens in der Qualität, Zuverlässigkeit und Flexibilität sieht. Diese Eigenschaften schätzten große Wohnungsbaugesellschaften wie die Saga. "Wenn Wohnungen frei werden, müssen sie modernisiert und schnell wieder vermietet werden", sagt Flick. Hummel könne Standard-Küchen innerhalb von zwei Wochen liefern.
Die Verkäufer werden regelmäßig geschult. "Nur wenn sie das schonende Dampfgaren selbst ausprobiert haben, können sie es den Kunden auch authentisch nahebringen", sagt Flick. Doch auch innerbetrieblich wird seit kurzem das Blickfeld geweitet: Wenn sie wollen, können sich die Mitarbeiter in den anderen Abteilungen umsehen. "Das fördert das Verständnis füreinander und beschert uns auch konkrete Verbesserungsvorschläge", sagt der kaufmännische Leiter Olaf Hahnefeldt.
30 Musterküchen sind im ersten Stock des Firmengebäudes aufgebaut. Klassisches neben modernem Design. "Momentan liegen zwar kräftige Töne im Trend, aber Weiß und insgesamt helle Farben bleiben immer aktuell", sagt Firmenchef Flick, der damit fast das Firmenmotto formuliert: bodenständig und grundsolide, aber aufgeschlossen für Neues.
Am kommenden Montag stellen wir Ihnen das Eisenbahnunternehmen AKN vor.