600 Soldaten aus Boostedt, Bad Segeberg und Kellinghusen sind im Kosovo im Einsatz. Wolfgang Klietz, Redakteur der Norderstedter Zeitung, hat ihre Arbeit beobachtet.

Wenn der sechs Jahre alte Oliver das fünfte Paket aus dem Kosovo bekommt, weiß er, dass Papa bald nach Hause zurückkehrt. Das war bisher immer so, wenn Hauptmann Mike E.\* vom Panzergrenadierbataillon 182 aus Bad Segeberg im Ausland im Einsatz war. Regelmäßig packt der 32-Jährige Spielzeug und Süßigkeiten für den Kleinen ein, der zu Hause in Bad Oldesloe mit seiner Mutter auf die Rückkehr seines Vaters wartet.

"Am 7. Februar geht's nach Hause", sagt Mike E. und fügt gleich hinzu: "Wenn nichts dazwischen kommt." Nach drei mehrmonatigen Einsätzen im Kosovo mit insgesamt 500 Tagen weiß E., dass sich die Lage in der abtrünnigen serbischen Provinz jederzeit schlagartig ändern kann.

Was geschieht, wenn das Kosovo demnächst die Unabhängigkeit ausruft? Was passiert, wenn der uralte Hass zwischen den Albanern und den Serben wieder aufflammt? Dann müssen E. und seine Kameraden versuchen, für Ruhe zu sorgen - auch über die geplante Dienstzeit hinaus.

E. ist in der Mitte Prizrens, der zweitgrößten Stadt des Kosovo, am Kfor-Stützpunkt VJ Casino untergebracht. VJ steht für Volksarmee Jugoslawiens, deren Offiziere es sich bis zum Eingreifen der Nato im Kosovo in dem Casino gut gehen ließen. Ein mit Stacheldraht und Schranke abgeriegelter Platz, ein paar Container mit Gefechtsstand, Wohnkabinen und Sanitärbereich und ein großer Parkplatz neben dem leer stehenden Casino für die Bundeswehr-Fahrzeuge - VJ Casino hat nicht viel zu bieten. Darum sind die Schichten auf 48 Stunden begrenzt, danach geht es zurück ins Feldlager am Stadtrand.

Die meisten Menschen in Prizren heizen mit Holz

Als E. mit seiner Patrouille aufbricht, liegt Smog über Prizren und seinen 200 000 Einwohnern. Die Stadt erstreckt sich in einem Tal, die meisten Menschen heizen mit Holz. Nach dem Rechten sehen, Präsenz zeigen, mit den Menschen sprechen - das ist die Aufgabe der Soldaten, die von der Innenstadt ins Viertel auf den Berghang südlich des Flusses Bistrica gehen. Noch vor wenigen Jahren stand hier ein intaktes und lebendiges Wohnviertel, in dem 300 Serben lebten. Heute stehen entlang der steilen Straßen nur noch Häuser mit verkohlten Balken, ohne Fenster und zerstörten Dächern. Außer den Soldaten der internationalen Schutztruppe Kfor ist hier kaum jemand unterwegs. Albaner vertrieben bei brutalen Ausschreitungen im März 2004 ihre Nachbarn - weil sie einer anderen Volksgruppe angehören. "Verstehen kann man diesen Konflikt nicht", sagt der 32 Jahre alte Kompaniechef, als er sich mit seinen Panzergrenadieren den Weg nach oben an Stacheldrahtrollen vorbei bahnt. "Das ist ein jahrhundertealter Konflikt." Seine Erfahrung: Kennen sich Serben und Albaner persönlich und verstehen sich gut, gibt es keine Probleme. Stehen sich jedoch Fremde beider Ethnien gegenüber, droht Gewalt. Mike E.: "Mit Ruhm bekleckern sich beide Seite nicht." Schnee und Eis machen den Soldaten bei der Patrouille zu schaffen. Der Wege sind rutschig und steil. Mike E. und seine Kameraden patroullieren zur serbisch-orthodoxen Erlöserkirche, dem höchsten Punkt des Viertels, in dem ebenfalls 2004 ein gewalttätiger Mob wütete. Das Gelände ist militärisch gesichert, Gottesdienste werden hier schon lange nicht mehr gefeiert. Die Bundeswehr hat auf dem Gelände des beschädigten Gotteshaus den rund um die Uhr besetzten "OP Auge" eingerichtet. OP steht für Observation Point (Aussichtspunkt). Von hier haben die Soldaten die gesamte Stadt im Blick. Als Unterkunft dient ein Zelt, ihre Technik müssen die Soldaten in Nebenräumen der Kirche verstauen. "Heimweh habe ich glücklicherweise kaum", sagt E., als er über das dunstige Panorama der Stadt blickt, aus dem die Minarette der Moscheen deutlich hervorragen. Ein halbes Jahr im Kosovo ist für E. bald herum, in dem er nur per Brief und Telefon Kontakt zu seiner Familie hatte.

66 Euro zahlt die Bundeswehr pro Tag als Zuschlag zum Sold

"Nach so einer Zeit braucht man erst einmal Urlaub", sagt E. 66 Euro pro Tag zahlt die Bundeswehr zum Sold als Zuschlag für den Kfor-Einsatz. Genug, um sich erholsame Ferien mit Sohn und Ehefrau leisten zu können. Mike E. weiß, dass viel Zeit mit der Familie nach einem Auslandseinsatz besonders wichtig ist: "Man muss sich zu Hause erst einmal einfinden und schon vorher über die gegenseitigen Erwartungen reden." Mancher Soldat liebt die rauschende Willkommensparty nach der Landung, mancher freut auf ein Glas Rotwein ganz allein mit seiner Frau. Worauf freut sich der Hauptmann abgesehen von seiner Familie am meisten, wenn er - wenn nichts dazwischen kommt - nach Hause reist? "Auf gutes Essen." Seine Patrouille ist ohne Zwischenfälle ins Zentrum Prizrens zurückgekehrt. Eine scheinbar friedliche Stadt, in der viele Kriegsschäden beseitigt wurden, in der jedoch Hass und Rachegelüste lauern. Gegen solche Gefühle ist auch die Kfor machtlos. (Fortsetzung folgt)

\*Die Namen der Soldaten wurden auf Wunsch der Bundeswehr abgekürzt.