Der Wegfall der Wehrpflicht und der doppelte Abi-Jahrgang haben die Zahl der Studienbewerber ansteigen lassen. Vorlesung im Kino?

Kiel. Eine Vorlesung im Kinoformat mit Sourround-Sound oder im Ratssaal der Stadt Kiel? Der Andrang auf die Hochschulen in Schleswig-Holstein fordert kreative Bewältigungsideen. Der doppelte Abiturjahrgang in Niedersachsen und der Wegfall der Wehrpflicht haben an den Hochschulen in Schleswig-Holstein für einen deutlichen Anstieg der Bewerbungszahlen auf Studienplätze gesorgt.

Die Universität Kiel verzeichnet mit 10.000 Bewerbungen mehr den größten Anstieg. Die Zahl der Bewerbungen für das bevorstehende Wintersemester stieg somit auf etwa 26.500, wie eine Sprecherin am Dienstag mitteilte. Diese Bewerbungen beziehen sich allein auf die rund 2500 Studienplätze für zulassungsbeschränkte Studiengänge, die in diesem Jahr um Geschichte und Psychologie erweitert wurden.

Mit den Hochschulen besteht laut Wissenschaftsministerium Einvernehmen, dass es Baumaßnahmen aus Anlass des Hochschulpaktes nicht geben wird. Denn es es sei davon auszugehen, dass sich die Studienanfängerzahlen ab etwa 2020 wieder auf dem gegenwärtigen Niveau einpendeln werden. Zur Bewältigung der derzeit erhöhten Nachfrage würden die Hochschulen zusätzliches Personal einstellen. "Welche weiteren organisatorischen Regelungen die Hochschulen treffen, bleibt ihnen überlassen.“ Die Ausweitung der Nutzungszeiten von Hörsälen und Seminarräumen werde aber ebenso dazu gehören wie in Einzelfällen die vorübergehende Anmietung zusätzlicher Räume. "Ich bin davon überzeugt, dass die Hochschulen die Herausforderung des Hochschulpaktes kreativ meistern werden“, sagte Wissenschafts-Staatssekretärin Cordelia Andreßen.

Kreativ könnte unter anderem bedeuten, dass wegen des Platzmangels der Ratssaal der Stadt Kiel für Uni-Veranstaltungen genutzt werden könnte. Außerdem werde erwogen, Lehrveranstaltungen in Kinosälen oder der Hermann Ehlers Akademie zu verlegen. Die Uni-Sprecherin betonte, dass die tatsächliche Zahl an Neuanfängern erst Mitte Oktober feststehen werde, wenn die Einschreibfrist für die etwa 120 freien Studiengänge (1. September-10. Oktober) abgelaufen ist.

Einen Anstieg der Bewerberzahlen um etwa 20 Prozent verzeichnet die Uni Flensburg für ihre zulassungsbeschränkten Fächer. Allerdings sei noch nicht genau abzuschätzen, wie viele Doppel-Bewerbungen dabei seien, erläuterte ein Uni-Sprecher. Praktisch unverändert zum Vorjahr ist die Situation an der Uni Lübeck. Dort bewerben sich etwa 952 junge Leute für 80 Plätze in dem begehrten Studiengang Molecular Life Science. In den mechanischen Ingenieurwissenschaften liegen 430 Bewerbungen vor und damit rund 100 mehr als im Vorjahr. "Von einem Ansturm kann keine Rede sein“, so eine Uni-Sprecherin; sie bezeichnete die Situation als "entspannt“.

An den Fachhochschulen in Flensburg, Lübeck und Kiel zeichnen sich ebenfalls höhere Studienbewerberzahlen zwischen 10 und 20 Prozent ab. Eine Steigerung sogar um 50 Prozent auf etwa 3500 bis 4000 Interessierte meldet die Fachhochschule Westküste in Heide (Kreis Dithmarschen). „Entscheidend hierfür ist allerdings der neue Studiengang Wirtschaftspsychologie“, erklärte eine Uni-Sprecherin. Für 45 Studienplätze gebe es 1100 Bewerbungen. „Der Fortfall der Wehrpflicht spielt da kaum eine Rolle, denn 80 Prozent der Interessenten sind Frauen.“ Besonders gefragt ist außerdem der Studiengang internationales Tourismusmanagement mit 1200 Bewerbungen.

Das Kieler Wissenschaftsministerium rechnet landesweit für 2011 insgesamt mit bis zu 1500 Studienanfängern mehr als im vergangenen Jahr. Bewerberzahlen allein sagten noch nichts über die tatsächliche Auslastung aus, hieß es in einer Stellungnahme. Erfahrungsgemäß gebe es "in ganz erheblichem Umfang“ Doppel- und Mehrfachbewerbungen an verschiedenen Hochschulen. Der von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte Hochschulpakt stelle zusätzliche Studienanfängerplätze bereit: Bezogen auf das Jahr 2005 als Basisjahr sind dies in Schleswig-Holstein rund 9700 zusätzliche Plätze in den Jahren 2011 bis 2015.

Schleswig-Holstein erwartet vom Bund, sich stärker als bisher in der Grundfinanzierung von Hochschulen zu engagieren. Gemeinsam mit anderen Ländern wolle Kiel hier gegenüber dem Bund aktiv zu werden.