Zum Abschluss des deutsch-russischen Forums bremste Bundeskanzlerin Merkel russische Hoffnungen auf höhere deutsche Gasimporte.

Hannover. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zum Abschluss des Petersburger Dialoges für eine neue Struktur des deutsch-russischen Forums geworben. „Ich glaube, dass sich der Petersburger Dialog etabliert hat, aber wir müssen aufpassen, dass er lebendig bleibt“, sagte die CDU-Politikern am Dienstag bei der Abschlussveranstaltung in Hannover. Deshalb müsse künftig der Jugend auch in Führungsetagen eine Chance gegeben werden.

Aus Merkels Sicht ist der zivile Dialog zwischen Deutschland und Russland generell unverzichtbar. „Sie dürfen nicht an Regierungen hängen“, sagte Merkel den Mitgliedern des deutsch-russischen Jugendparlamentes. „Je unabhängiger sie sind, desto lieber kommen wir zu ihnen.“ Die Zivilgesellschaft könne auch ohne Regierungschefs miteinander reden.

Merkel warb dafür, in den Gesprächen auch strittige Themen nicht zu verschweigen. „Ich wünsche mir, dass der Petersburger Dialog unvoreingenommen alle Themen auf die Tagesordnung nimmt.“ Dabei dürfe das Ansprechen von Themen nicht dazu führen, dass man sich angegriffen fühle.

Zudem müsse es mehr Austausch zwischen beiden Ländern geben. Dies dürfe nicht nur für Akademiker gelten, sondern auch für andere Berufszweige. „Ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr hierzu was vorlegen können.“ Bislang habe Deutschland den einfacheren Zugang gebremst. Künftig solle die Einreise vereinfacht werden. „Daran arbeiten wir jetzt mit Hochdruck“, sagte Merkel.

Auch Kremlchef Medwedew forderte, sich einer Modernisierung des Forums nicht zu verschließen. „Es ist eine gute Erfindung und Hauptsache ist, dass es nicht zu langweiliger Geschichte wird“, sagte Medwedew. Das Forum werde immer offener und erfülle seit elf Jahren seine Funktion als Ideenlabor. „Es ist sehr wichtig, hier weiterhin akute Probleme anzusprechen und keine anderen aus den Fingern zu saugen. Das sei der Kern der Modernisierungspartnerschaft zwischen Deutschland und Russland. „Besser streiten als schweigen“, sagte Medwedew. Es müsse immer möglich sein, offen und ehrlich anzusprechen, „was nicht ganz richtig erscheint“. Glücklicherweise, fügte er hinzu, gebe es zwischen ihm und Merkel nur „ganz wenige Streitereien. „Von der Ehrlichkeit hängt die Zukuft deutsch-russischer Beziehungen ab.“

Desweiteren sprach sich Medwedew für mehr unabhängige Medien in Russland aus. „Es ist besser, wenn Massenmedien selbstständig existieren können“, so der Kremlchef. In Russland würden noch immer viele Massenmedien nur mit staatlichen Subventionen überleben können. Dadurch bestehe jedoch insbesondere in der Provinz die Gefahr, dass die Medien zur „Stimme für eine Person oder Organisation“ würden. „Das ist nicht besonders gut“, betonte Medwedew. Die Zukunft der Medien gehört aus Sicht des russischen Staatspräsidenten jedoch ohnehin den Medien im Internet. Wer sich nicht im Internet finden lasse, werde den Konkurrenzdruck nicht überleben, sagte er.

Medwedew sprach sich grundsätzlich auch dafür aus, in Russland einen Öffentlichen Rundfunk zu etablieren. „Die Frage ist, wie eine unabhängige Existenz möglich ist.“ Sofern ihm von seinen zuständigen Mitarbeitern eine entsprechende Rahmenkonstruktion vorgelegt werde, würde ich sie gerne behandeln. „Auch deutsche Erfahrungen müssten hier einfließen“. Medwedew kündigte an, das Thema im kommenden Jahr weiter vorantreiben zu wollen.

Ein weiteres Thema war die Energieversorgung. Trotz des Atomausstiegs muss Deutschland nicht sofort seine Gaslieferungen aus Russland erhöhen. „Das ist ein sehr langsamer Prozess“, sagte Merkel. Die Dimensionen der Lieferungen würden nicht in den „Himmel wachsen“. Es müssten keine neuen Röhren gebaut werden, der zusätzliche Gasbedarf bewege sich in einem „überschaubaren Bereich, der sicher von Gazprom abgedeckt werden kann“, sagte Merkel.

Kremlchef Dimitri Medwedew hatte zuvor betont, dass die noch bis 2030/2031 bestehenden Verträge über die Gaslieferungen jederzeit verändert werden könnten, wenn andere Mengen angefragt würden. „Das Gas wird reichen, da brauchen Sie keine Angst haben“ sagte Medwedew. Russlands Vize-Regierungschef Viktor Subkow betonte, dass die Gaskapazitäten des Energielieferanten Gazprom nicht begrenzt seien. Es gebe noch 33 Billionen Kubikmeter Vorräte, sagte Subkow, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender von Gazprom ist.

Auch die komplizierte Visa-Politik zwischen Russland und Deutschland soll vereinfacht werden. Merkel kündigte einen Stufenplan an, der die Einreise erleichtern soll. Ziel sei es, eine sogenannte Visa-Warn-Datei aufzubauen, in der alle diejenigen verzeichnet werden sollen, die in krimineller und terroristischer Sicht auffällig geworden sind.

„Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr dazu etwas vorlegen können“, sagte die CDU-Politikerin. Merkel sagte, dass die Bundesregierung den Prozess in den vergangenen Jahren gebremst habe. „Ich bin bereit, die Schuld auf mich zu nehmen“, betonte Merkel. „Wenn wir in Deutschland eine offenere Politik fahren, wird Europa hier nicht der Bremser sein.“

Insbesondere für die Wirtschaft, aber auch für Studierende, Auszubildende und touristische Zwecke sei mehr Austausch „wünschenswert“. Infolge des wachsenden Fachkräftemangels wirbt Deutschland derzeit verstärkt im Ausland um Facharbeiter und Akademiker. Dazu zähle auch die bessere Anerkennung der jeweiligen Studien- und Berufsabschlüsse.

Medwedew betonte, dass Russland einfachere Visa-Regelungen unterstütze. „Da gibt es keine Bremsen auf unserer Seite.“ Sowohl für Geschäftsreisen als auch für Touristen sollten die Registrierungsverfahren maximal liberal gestaltet werden.

Als der „Petersburger Dialog“ 2001 vom damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ins Leben gerufen wurde, gab es für die Institution ein Vorbild: Die deutsch-britischen Königswinter Konferenzen, die 1950 entstanden und die Beziehungen der ehemaligen Kriegsgegner nachhaltig verbesserten.

Der „Petersburger Dialog“ hat insgesamt acht Arbeitsgruppen mit Themen wie Bildung, Kultur oder Medien und versteht sich als offenes Diskussionsforum. Einmal im Jahr kommen mehr als 100 Teilnehmer abwechselnd in beiden Ländern zusammen. Premiere hatte der Dialog in St. Petersburg, zuletzt wurde 2010 in Jekaterinburg am Ural getagt. Seit Sonntag wurde das Treffen, die elfte Hauptkonferenz, erstmals in Niedersachsen – in Wolfsburg und Hannover – veranstaltet. (dpa/abendblatt.de)