Erst Blitzeis, dann Tauwetter: Überfrierender Regen hatte weite Teile des Nordens gelähmt. Allein in Hamburg 170 Unfälle registriert.

Hamburg. Blitzeis schlug gestern im Norden gnadenlos zu. In Melle (Landkreis Osnabrück) wurde eine 30-jährige Frau am Dienstagabend bei einem Unfall leicht verletzt. Auf spiegelglatter Straße schleuderte sie mit ihrem Wagen gegen einen Baum. Der Seitenairbag ihres Autos verhinderte offenbar schlimmeres, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Schwer verletzt wurde eine 42-Jährige bei einem Unfall zwischen Eicklingen und Wathlingen (Landkreis Celle). Ihr Auto war mit dem eines 18-Jährigen zusammengestoßen, der zuvor auf winterglatter Straße auf die Gegenfahrbahn geraten war. Der 18-Jährige wurde dabei leicht verletzt. Auch im Landkreis Rotenburg meldete die Polizei zahlreiche Unfälle. Hier blieb es allerdings bei Blechschäden.

In den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim ereigneten sich am Dienstagabend insgesamt zehn Glätteunfälle. Bei Emsbüren auf der Autobahn 31 fuhr ein Kleinlaster nach Polizeiangaben in die Mittelleitplanke. Zwei Personen wurden leicht verletzt. Die Autobahn musste für zwei Stunden voll gesperrt werden. Auf der Autobahn 30 bei Salzbergen rutschten ein Kleinlaster und ein Lkw ineinander. In dem sich daraufhin bildenden Stau ereigneten sich drei weitere Unfälle. Es blieb aber bei Blechschäden.

In den ostfriesischen Landkreisen Aurich und Wittmund wurden nur wenige leichtere Unfälle mit Blechschäden registriert. Die Bürger seien wegen der im Radio verbreiteten Glatteiswarnungen vorsichtig gewesen, sagte eine Polizeisprecherin.

„Als es nach dem Regen anfing zu scheinen, haben die Leute schnell ihre Geschwindigkeit angepasst“, sagte ein Polizeisprecher in Hannover. Ein Kollege aus Bremen kommentierte die Belchschäden: „Das ist das ganz normale Hin-und-Hergerutsche bei Glatteis.“

In der zweiten Nachthälfte entspannte sich die Lage auf den Straßen zunehmend. Bis Mitternacht kam es zu vielen Unfällen aufgrund von Blitzeis und starkem Schneefall. Dabei blieb es in den meisten Fällen bei Blechschäden. Wie die Polizei mitteilte, beruhigte sich die Lage auf den Straßen durch das einsetzende Tauwetter am frühen Mittwochmorgen deutlich. Auch das sofortige Handeln der Winterdienste und die angepasste Fahrweise der Autofahrer sorgte für eine Beruhigung des Straßenverkehrs.

Glätte bereitete in Schleswig-Holstein vor allem den Autofahrern im Südwesten des Landes Probleme. Alleine in den Kreisen Steinburg und Dithmarschen krachte es bis gegen Mitternacht rund 15 Mal. Laut Polizei handelte es sich fast ausschließlich um Unfälle mit Blechschäden. Einige Menschen wurden dabei aber auch leicht verletzt.

Hamburgs Blitzeis-Bilanz: 170 Unfälle - Eisbrocken legen Verkehr lahm

Aufgrund des Tauwetters haben sich Eisbrocken von einer Plattform des Hamburger Fernsehturms gelöst und sind in die Tiefe gestürzt. Der Messeplatz vor dem Fernsehturm ist mitsamt der Straße daher für den Verkehr gesperrt worden. Höhenretter der Feuerwehr sollen sich nun abseilen und den Turm kontrolliert vom Eis befreien. Bislang ist noch unklar, wie lange die Sperrung andauern wird.

Am Dienstagabend ist der Berufsverkehr am Morgen in Hamburg weitestgehend reibungslos gelaufen. „Alles war gut – keine Probleme“, sagte ein Sprecher der Verkehrsleitstelle in Hamburg. Am Abend hatte leichter Nieselregen bei Minusgraden die Straßen im Norden in Rutschbahnen verwandelt. Allein in der Hansestadt registrierte die Polizei zwischen 160 und 170 Unfälle – meist blieb es aber bei Blechschäden.

Der Hamburger Winterdienst mobilisierte zusätzliche Kräfte und war seit dem Abend mit 120 Streufahrzeugen im Einsatz. Die Stadtreinigung streute rund 300 Tonnen Feuchtsalz auf den Hauptverkehrsstraßen der Stadt. Ab 18.30 fielen am Dienstag feine Tropfen auf den frostkalten Asphalt. Sofort bildete sich ein Eisfilm. Der dünne Eisfilm sei oft unscheinbar und schwer zu erkennen gewesen und habe deshalb ein sehr hohes Risiko dargestellt, sagte ein Sprecher. Besonders im Hamburger Osten war es spiegelglatt. Betroffen waren aber alle Stadtteile. Der schwerste Unfall ereignete sich auf der Hamburger Straße. Hier kollidierten vier Wagen. Die Hamburger Straße blieb während der Rettungsarbeiten voll gesperrt. Es kam zu langen Staus. Die Feuerwehr intensivierte ab 18.30 den Rettungsdienst, setzte Reserven in Fahrt. Insgesamt fuhren die Retter 57 wetterbedingte Einsätze. Drei Personen erlitten Verletzungen.

Seit heute morgen sind die großen Straßen nach Angaben der Verkehrsleitzentrale weitgehend eisfrei. "Die Hauptstraßen sind gestreut, dort fahren wir heute aber noch einmal Kontrollen", sagt Reinhard Fiedler, Pressesprecher der Hamburger Stadtreinigung. Heute morgen habe sich die Situation zunächst beruhigt, bei steigenden Temperaturen erwarten Polizei, Verkehrszentrale und Stadtreinigung eine Normalisierung der Verkehrslage. Auf den Nebenstraßen und Gehwegen sei dagegen noch immer Vorsicht geboten, sagt Fiedler.

Da vor allem auf vielen Gehwegen nicht gestreut war, hangelten sich am Dienstagabend an vielen Stellen die Fußgänger an Hauswänden entlang, um Stürze zu vermeiden, die jedoch allernorts passierten.

Die plötzliche Glätte betrifft jedoch nicht nur Hamburg, auch in Schleswig-Holstein schlug das Blitzeis zu. Ein Sprecher des Lagedienstes in Kiel sagte: „Es ist glatt überall.“ Schwere Unfälle gab es in Schleswig-Holstein zunächst jedoch nicht.

Auch in Niedersachsen und Bremen zählte die Polizei am späten Dienstagabend zahlreiche wetterbedingte Unfälle. Besonders aufsehenerregend verlief ein Zwischenfall auf der neuen Bundesstraße 3 bei Nörten-Hardenberg. Dort war ein 27-jähriger Autofahrer mit seinem Pkw wegen des einsetzenden Schneefalls von der Fahrbahn abgekommen. Der Wagen krachte gegen einen Baum. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der gesamte Motorblock des Autos herausgerissen und auf die Fahrbahn geschleudert. Der alkoholisierte Fahrer wurde leicht verletzt.

Wenige Minuten nach dem Unfall bemerkte ein 21-jähriger Autofahrer den auf seinem Fahrstreifen liegenden Motorblock zu spät und kollidierte mit dem Aggregat, wie in Sprecher der Polizei Northeim mitteilte. Er verlor die Kontrolle über seinen Wagen und rutschte ebenfalls in die Böschung. Der 21-Jährige blieb jedoch unverletzt. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden.

Auch Richtung Süden breitet sich das Blitzeis aus: Es hat bereits zu zahlreichen Unfällen auf den Straßen des Regierungsbezirks Münster geführt. Wie die Landesleitstelle der nordrhein-westfälischen Polizei in Neuss mitteilte, mussten Teilstücke der Autobahn 31 wegen der plötzlichen starken Glatteisbildung gesperrt werden.

Ein weiterer Unfallschwerpunkt war darüber hinaus die Autobahn 43. Über Personen- oder Sachschäden konnten zunächst noch keine Angaben gemacht werden. Die Polizei appellierte an alle Autofahrer, auf unnötige Fahrten zu verzichten. Allein in Nordrhein-Westfalen summierten sich Blechschäden nach Polizeiangaben auf insgesamt etwa 2,2 Millionen Euro.

Mit Material von dpa und dapd