Kurz vor Weihnachten trifft die Nachricht die 43 Bewohner und 30 Mitarbeiter hart. Die Kirche will das Heim schon zum zweiten Mal loswerden.
Nordstrand. Diese Nachricht trifft die 42 Bewohner und die 30 Mitarbeiter des Kinder- und Jugendhauses St. Franziskus auf der nordfriesischen Insel Nordstrand wie ein Schlag: Der Vorstand der katholischen Kirchengemeinde St. Knud, der das Anwesen gehört, hat den Pachtvertrag mit der Caritas zum 31. Dezember 2011 gekündigt. Das bedeutet wohl das Aus für die Vorzeigeeinrichtung.
Damit versucht die Kirche zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren, das Heim loszuwerden. Schon 2006 gab es heftige Auseinandersetzungen um St. Franziskus, in deren Folge die damalige Leiterin Schwester Constanze gehen musste. Die Empörung war groß.
"Wir sind schockiert. Dass wir kurz vor Weihnachten die Kündigung erhalten, macht einfach sprachlos", sagt Michael Schwarz jetzt. Der Diplom-Sozialpädagoge leitet die Einrichtung seit vier Jahren. "Die jungen Menschen, die bei uns leben, kommen aus schwierigen Familienverhältnissen und haben in ihrem Leben schon viel durchgemacht. In diesem Haus erleben sie häufig zum ersten Mal, was Geborgenheit heißt."
Die Kirchengemeinde bietet das Anwesen zum Verkauf an
Die Kündigung erreichte die Caritas in Kiel vor wenigen Tagen, doch bereits zuvor gab es Verunsicherung auf Nordstrand. Ein Maklerbüro hatte im Auftrag der Gemeinde St. Knud das Anwesen mit dem rund 33 000 Quadratmeter großen Grundstück und fast 4000 Quadratmeter Nutzfläche für 1,2 Millionen Euro per Zeitungsanzeige zum Verkauf angeboten.
Warum will die Kirchengemeinde verkaufen und hat die Kündigung ausgesprochen? "Uns bleibt keine andere Wahl. Da die Caritas solch eine geringe Miete bezahlt, machen wir seit Jahren ein Minusgeschäft", sagt Pfarrer Mirko Zawiasa. Es könne nicht sein, dass die Caritas aufgrund eines mit der heißen Nadel gestrickten Mietvertrags teilweise nur einen Euro pro Quadratmeter bezahlt. Einige Bereiche würden völlig mietfrei genutzt. Die Kirchengemeinde biete der Caritas den Gebäudekomplex seit einem Jahr zum Kauf an. "Die Caritas hat nur mit einem völlig unzureichenden Angebot reagiert."
Nach Abendblatt-Informationen gibt es zwischen der Gemeinde und der Caritas Auseinandersetzungen wegen angeblich noch ausstehender Nebenkosten. Das bestätigt auch Caritas-Landesdirektor Georg Falterbaum: "Wir haben da unterschiedliche Auffassungen. Aber leider war die Gemeinde bislang nicht bereit, sich mit uns an einen Tisch zu setzen und darüber zu sprechen."
Überhaupt will Falterbaum die Vorwürfe von Pfarrer Zawiasa so nicht stehen lassen: "Wir haben einen Mietvertrag, den wir gemeinsam mit der Gemeinde und der Zustimmung des Erzbistums Hamburg abgeschlossen haben. Wenn der Kirchengemeinde die vereinbarten Konditionen nicht mehr passen, dann sollte man zunächst darüber reden."
Das Haus St. Franziskus stand bereits im Jahr 2006 im Fokus der Öffentlichkeit: Damals wollte das Erzbistum Hamburg das Kinder- und Jugendhaus zum Jahresende schließen, weil dieses sich nicht "mehr wirtschaftlich führen ließ". Nur 22 der damals 31 Plätze seien besetzt, hieß es zur Begründung.
Doch nachdem das Abendblatt exklusiv über die Pläne des Erzbistums berichtete, gab es einen Aufschrei in der Öffentlichkeit. Die Politik schaltete sich ein, und der ehemalige Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Peter Schmidt und Udo Prinz von Schoenaich-Carolath, der das Haus seit Jahren unterstützt, kämpften für den Erhalt. Mit Erfolg. Zum 1. Oktober 2006 übernahm der Caritasverband Schleswig-Holstein die Trägerschaft und sicherte so die Zukunft des Hauses.
Schließlich übernahm Michael Schwarz die Leitung des Hauses und machte St. Franziskus zu einem Erfolgsmodell: "Jugendämter aus ganz Norddeutschland schicken uns ihre Schützlinge. Besonders unsere Mutter-und-Kind-Betreuung ist sehr gefragt. Wir schreiben schwarze Zahlen", sagt Schwarz. In der Einrichtung leben beispielsweise zehn Mütter, die häufig noch minderjährig sind, mit ihren Kindern in betreuten Wohngruppen.
Auch Franzi aus Berlin wurde hier mit ihrem einjährigen Sohn Sebastian-Tyler und der zwei Jahre alten Tochter Thea-Sophie untergebracht: "Wir sind gut aufgehoben", sagt die 21-Jährige und spielt mit ihren beiden Kindern im Wohlfühlraum. "Wir bieten unseren Bewohnern viel Abwechslung. Sport ist dabei ein wichtiger Bestandteil", sagt Schwarz. An ein Aus für St. Franziskus will er nicht denken: "Für viele Kinder ist diese Einrichtung ihre Heimat. Einige wurden hier geboren und leben seit mehr als zwölf Jahren hier."
Das Erzbistum Hamburg will eine Lösung finden
Nun hat der Kampf um das Heim begonnen. "Die katholische Kirche sollte sich schämen. Das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel der Verantwortung zwischen Gemeinde, Caritas und Erzbistum ist nicht mehr zu ertragen. Es gibt nur ein Ziel: Das Kinderheim muss bleiben", sagt Unterstützer Peter Schmidt.
Die katholische Gemeinde St. Knud gehört zum Erzbistum Hamburg. Dessen Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der zugleich Vorsitzender des Caritasverbandes Schleswig-Holstein ist, fordert: "Das Erzbistum Hamburg muss hier dringend eine Lösung finden und sich gemeinsam mit allen Beteiligten an einen Tisch setzen." Der Weihbischof versprach dem Abendblatt: "Ich werde alles dafür tun, damit diese wichtige Einrichtung erhalten bleiben kann."