Ein vorbestrafter Sexualstraftäter in Neustrelitz vergeht sich an Neunjährigem. Er stand unter Beobachtung der Polizei.
Neustrelitz. Trotz einer laut Behörden engmaschigen Kontrolle durch Bewährungshelfer, Polizei und Staatsanwaltschaft hat ein einschlägig vorbestrafter Sexualstraftäter in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) offenbar einen neunjährigen Jungen missbraucht. Der Mann, der Mitte 2008 aus der Haft entlassen worden war, lockte das Kind in seine Wohnung, verging sich dann an ihm. Die Eltern erstatteten Strafanzeige. Inzwischen ist der Mann im Gefängnis.
Der Vorfall wirft erneut ein Schlaglicht auf das Problem mit aus der Haft entlassenen Triebtätern.
Gerd Zeisler, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg, bestätigte am Freitag, dass ein Haftbefehl gegen den 26 Jahre alten mutmaßlichen Kinderschänder erlassen wurde. Der Täter habe eine Auflage gehabt, nach der es ihm verboten war, sich Kindern zu nähern. In den Jahren 2004 und 2006 war der Mecklenburger wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern jeweils zu Haftstrafen verurteilt worden.
Nach seiner Entlassung im Jahr 2008 sei er laut dem Schweriner Justizministerium "engmaschig" kontrolliert worden. Neben dem vorgeschriebenen Kontakt zu seinen Bewährungshelfern habe der Mann sich auch immer wieder bei Polizei und Staatsanwaltschaft melden müssen. Bis zu dem Verbrechen an dem Neunjährigen gab es laut den Behörden keine Vorkommnisse.
Details zur angeblichen Engmaschigkeit der Kontrolle gab das Justizministerium in Schwerin nicht preis. "Die Kontrollen gehören zu einem neuen Konzept, das keine allgemeingültigen Regeln vorsieht", sagte ein Sprecher lediglich. Die Zahl der Kontakte und die Art der Meldeauflagen seien jeweils individuell abzustimmen gewesen.
Über den Gesundheitszustand des offenbar missbrauchten Jungen machte die zuständige Staatsanwaltschaft in Neubrandenburg am Freitag keine Angaben. Der mutmaßliche Täter hat gegenüber den Ermittlern jegliche Aussage zu den Geschehnissen verweigert. Der 26-Jährige lässt sich anwaltlich vertreten.
In Sicherungsverwahrung war der mutmaßliche Kinderschänder nicht - auch hatte er offenbar keine an die Höchststrafe grenzende Verurteilung erfahren. Er war nach mehreren verbüßten Haftjahren auf Bewährung entlassen worden - was eine im Sinne der Resozialisierung gängige Praxis ist. Dennoch dürfte der Vorfall in Neustrelitz die Diskussion um den Umgang mit entlassenen Straftätern, insbesondere mit Triebtätern, neuerlich anfachen.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist Deutschland verpflichtet, mehrere Dutzend weiterhin als gefährlich eingestufte Serientäter aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen. Zum Zeitpunkt der Verurteilung dieser Gefangenen war die Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt. Erst später war die Regelung dahingehend verlängert worden, dass Sicherungsverwahrung auch unbefristet verhängt werden konnte. Für die Straftäter, deren Urteile vor Gültigkeit der neuen Regelung gesprochen wurden, müsse jedoch noch die alte Version gelten, so der EGMR.
Bundesweit sind bereits diverse Delinquenten in Freiheit entlassen worden. Sie werden, sofern Gutachter davon ausgehen, dass sie weiterhin gefährlich sind, rund um die Uhr von Polizeibeamten bewacht. In Hamburg wird voraussichtlich im Dezember ein wegen Totschlags verurteilter Langzeithäftling entlassen. Noch ist unklar, wo er untergebracht werden soll.
Nach wie vor hält sich der in Freiburg aus der Haft entlassene Sexualstraftäter Hans Peter W. in Niendorf auf. Auch über seine nähere Zukunft ist noch nicht entschieden worden. Die Hamburger Senatskanzlei sucht nach einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit, in der W. sowohl kontrolliert als auch therapiert werden kann.