Bürgermeisterin Petra Reiber sieht bei den Bränden keinen Zusammenhang mit dem Ruf Sylts als Insel der Reichen und Schönen.

Westerland. Für die einheimischen Sylter scheinen die unbeschwerten Zeiten vorbei zu sein. Die Brandserie auf der Nordseeinsel beschäftigt die Einwohner – und das in der Hochsaison. In den letzten Tagen brannten gleich mehrere Feuer – der Schaden geht in die Millionen. Betroffen waren auch eine Hotelanlage und eine Volkshochschule. Hunderte Menschen mussten vorübergehend evakuiert werden. Vieles spricht für Brandstiftung, die Polizei hat noch keine Gewissheit.

Was könnte hinter der Serie stecken? Dirk Ipsen, Bürgervorsteher der Gemeinde Sylt, vermutet einen pyromanisch veranlagten Feuerteufel: „Das ist doch krankhaft, ein Altenheim oder ein Hotel anstecken zu wollen.“

Dass die Taten möglicherweise politisch motiviert sein könnten, kann sich Bürgermeisterin Petra Reiber nicht vorstellen. Einen Zusammenhang mit dem Ruf Sylts als Insel der Reichen und Schönen sieht sie nicht. „Wir leben ja durchaus von dem Ruf der Exklusivität“, sagte Reiber am Mittwoch. Sie sei „nicht der Auffassung, dass das in irgendeinem Verhältnis zu den Bränden steht“.

Der Chef des Strandrestaurants „Sansibar“ in den Sylter Dünen gab sich noch gelassen. „Das ist bei meinen Gästen nicht Tischgespräch, darüber redet hier keiner", sagte Herbert Seckler.

Legende ist der Jet Set, den einst Gunter Sachs von Saint Tropez an die Nordsee brachte. „Ich lag auf Sylt an Buhne 16, dem Strand für alle sonnenhungrigen Nackten der Republik. Trotz der Transparente „Badehose runter – Gunter“ behielt ich meinen Lendenschurz an“, erinnert sich der ehemalige Playboy in seinen Memoiren „Mein Leben“ (2005) an unbeschwerte Zeiten, die die Promis der Gegenwart fortzuschreiben scheinen.

Erst vor einer Woche zeichnete „Der Spiegel“ eine düstere Perspektive von einer „Insel ohne Insulaner“. „Die Sylter sterben aus, weil sich die Einheimischen ihre eigene Insel nicht mehr leisten können“, schrieb das Nachrichtenmagazin. Dabei steigt seit Jahren die Zahl der Übernachtungen: In 2009 waren es fast sieben Millionen, 57000 registrierte Gästebetten gibt es. Ob in der Hochsaison maximal 100000 oder sogar bis zu 200000 zur selben Zeit das schmale Eiland bevölkern, darüber streiten Fachleute.

+++ Bilder der Löscharbeiten auf Sylt +++

Ipsen bestätigt, dass der Tourismus-Boom für die einheimische Bevölkerung auch negative Auswirkungen hat – nicht nur wegen neuer Hotelbauten und zunehmendem Flugverkehr. „Wir bluten aus, weil die Grundstücke so teuer sind und viele auf der Insel sie sich nicht selbst leisten können.“ Ipsen schätzt, dass es nur noch etwa 12000 bis 14000 waschechte Sylter gibt, die auch auf der Insel ganzjährig wohnen. Früher war es fast das Doppelte.

Inzwischen haben Schulen und Kindergärten schließen müssen, die Alterspyramide dürfte noch ungünstiger sein als im Bundesdurchschnitt, sagt Ipsen. Manche Insulaner verkaufen ihr Haus und bauen für einen Bruchteil des Geldes auf dem benachbarten Festland neu. Zum arbeiten kämen sie dann auf die Insel, die Arbeitslosenquote liege in der Saison bei zwei Prozent.

Immobilienmakler Reinhold Riel, seit über 30 Jahren auf Sylt, bringt das Problem auf den Punkt: „Wenn Oma stirbt und zwei Kinder ihr Haus erben, was sollen die denn machen? Wenn einer ausgezahlt werden will, muss verkauft werden.“ Haushälften in der Gemeinde Sylt beginnen laut Riel bei 350000 bis 400000 Euro, oft geht es aber um Millionen, „nach oben ist keine Grenze erkennbar“. „1968 kostete eine 25 Quadratmeter-Wohnung in einem Hochhaus an der Kurpromenade zur Seeseite 25000 D-Mark, jetzt müssen Sie 250000 Euro dafür bezahlen.“

Wirt Seckler empfindet die Gefahr der Überfremdung durch reiche Touristen, die sich eine Immobilie zulegen auf Sylt, als „Luxusproblem“. Alle seine 160 Mitarbeiter lebten auf der Insel, versichert er. „Und was wäre Sylt ohne Tourismus?“, gibt er zu bedenken: „Außer Militär und Landwirtschaft wäre da sonst doch gar nichts.“

Hilke Ohsoling stammt aus einer alteingesessenen Sylter Familie. Ihre Eltern leben noch dort; sie selbst wohnt mit ihrer Familie in Lübeck, wo sie auch arbeitet. Auf Sylt sieht sie „eine erschreckende Entwicklung, die auch unsere Familie durchaus betrifft“. Das Problem, jungen Leute Wohnraum und Grundstücke zu bieten, hätten viele Gemeinden seit langem erkannt und versuchten dem Trend entgegenzuwirken. Aber hinzu komme, dass es begrenzte berufliche Perspektiven auf Sylt gebe.

+++ Wieder Brände auf Ferieninsel! Zündelt der Feuerteufel weiter? +++

Mit „Grips“ will die Gemeinde Sylt „intelligente Lösungen finden“, wie Ipsen sagt. In bestem Behördendeutsch steht „Grips“ für „Geografisches Informations- und Planungssystem Sylt“. Die Gemeinde, ein Zusammenschluss von sieben Gemeinden mit rund 15000 Einwohnern, will derzeit erst einmal genaue Fakten zusammentragen, bevor es konkrete Vorschläge geben soll, wie Ipsen erläutert.

Eine Idee: Grundsätzlich sollten einheimische Familien an bezahlbare Grundstücke kommen können, die dann aber auch über Generationen nur an Inselbewohner veräußert werden dürften. Aber wie sich das juristisch wasserdicht umsetzen lässt, weiß auch Ipsen noch nicht. Makler Riel wirft den Gemeinden auf Sylt vor, bezahlbare Grundstücke für Privatinvestoren, die Mietwohnungen errichten wollen, praktisch nicht zur Verfügung zu stellen.

Auf die Frage nach der Stimmung auf der Insel zögert Ohsoling. „Dafür bin ich zu wenig hier, aber was ich beobachte ist ein gewisser Ausverkauf, ein Trend, dass Menschen, die hohe Preise bezahlen, Möglichkeiten haben, die anderen verschlossen sind – auch manchmal zu Lasten des Naturschutzes. Mich wundert es zum Beispiel, dass in direkter Nachbarschaft zu Dünen, die zum Nationalpark Wattenmeer gehören und die niemand betreten darf, eine Golfanlage entstehen kann.“

Die Bautätigkeit auf der Insel sieht auch Gastronom Seckler kritisch: „Sylt braucht irgendwann einen Stopp, wir können nicht alles zubetonieren. Nur wo die Grenze liegt, das maße ich mir nicht an zu sagen.“