„Der Fehler bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen ist der Standard, nicht die Ausnahme“, sagte die Bürgerbeauftragte in Kiel.

Kiel. Die Bürgerbeauftragte Schleswig-Holsteins hat die Betreuung von Langzeitarbeitslosen im Norden scharf kritisiert. „Der Fehler ist da der Standard, nicht die Ausnahme“, sagte Birgit Wille-Handels in Kiel. Die Bürger litten unter der langen Bearbeitungsdauer, unübersichtlichen Bescheiden, mangelnder Beratung und geringen Integrationserfolgen in den Arbeitsmarkt. Die Sozialbehörden machten immer wieder Fehler bei der Anwendung des Rechts. Bei den Unterkunftskosten steuere das Sozialministerium zu wenig. 2009 hatten sich rund 3500 Bürger an Wille-Handels gewandt. 38 Prozent der Eingaben hatten mit Hartz IV zu tun.

Reformen für den Arbeitsmarkt

Die Bundesregierung hatte vor kurzem ein Bündel von Beschlüssen zur Arbeitsmarktpolitik gefasst, etwa zur Kurzarbeit und den Hartz-IV-Jobcentern. Zudem werden Ferienjobs für Schüler aus Hartz-IV-Familien attraktiver. Für Rentner wurde die Nullrunde zum 1. Juli beschlossen. Eine Übersicht über die gesetzlichen Änderungen.

Kurzarbeit

Unternehmen werden länger als bislang geplant bei Kurzarbeit gefördert. Die Sonderregelung, wonach die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld vom siebten Monat an voll erstattet, wird bis Ende März 2012 ausgeweitet. Ursprünglich sollte sie nur bis Ende des Jahres gelten. Gestrichen wird aber die Konzernklausel, die vorsah, dass Unternehmen die Sozialabgaben schon vom ersten Tag der Kurzarbeit erstattet bekamen, wenn sie an einem anderen Standort bereits Kurzarbeit eingeführt hatten.

Grundsätzlich ist der Bezug von Kurzarbeitergeld auf ein halbes Jahr befristet. Derzeit gilt jedoch die Ausnahmeregel, nach der für Kurzarbeit, die 2010 beginnt, bis zu 18 Monate Geld gezahlt werden kann. Die weitere Übernahme der Sozialbeiträge belastet die BA laut Gesetzentwurf mit etwa 820 Mio. Euro. Derzeit gibt es noch etwa 800?000 Kurzarbeiter, nach über 1,5 Millionen im Mai vorigen Jahres.

Jobcenter

Die Zusammenarbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen in den Jobcentern wird fortgesetzt, damit die Betreuung von Langzeitarbeitslosen weiter „aus einer Hand“ erfolgt. Um diese Mischverwaltung, die derzeit verfassungswidrig ist, rechtlich abzusichern, beschloss die Ministerrunde im März bereits eine Grundgesetzänderung. Nun einigte sich das Kabinett auf die organisatorischen Einzelheiten. Jobcenter sollen künftig die Regel sein (75 Prozent), Optionskommunen – in denen Langzeitarbeitslose von den Kommunen in Eigenregie betreut werden – die Ausnahme (25 Prozent). Die Reform soll 2011 in Kraft treten.

Optionskummunen

Bislang arbeiten 69 Kommunen bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen unabhängig von der BA. Bis zum 1. Januar 2012 sollen maximal 110 Optionskommunen zugelassen werden. 41 Städte und Kreise haben also noch die Möglichkeit, die alleinige Betreuung der „Hartz IV“-Empfänger zu beantragen. Dazu ist ein schlüssiges Konzept und eine Zweidrittel-Mehrheit in den kommunalen Gremien notwendig.

Jobcenter und Optionskommunen müssen sich regelmäßig einem bundesweiten Vergleich stellen und an ihrem Erfolg messen lassen. Geplant ist dafür ein bundeseinheitliches Zielvereinbarungssystem, das neben der Bundesagentur für Arbeit auch die Länder und Kommunen in die Pflicht nimmt.

Jugendliche

Die Vermittlung von Jobsuchenden unter 25 Jahren soll beschleunigt werden, indem alle jungen „Hartz IV“-Empfänger innerhalb von sechs Wochen ein verpflichtendes Arbeits- oder Fortbildungsangebot erhalten. Wer dieses Angebot ablehnt, muss mit einer Kürzung von „Hartz IV“ rechnen. Der Betreuungsschlüssel wird leicht verbessert: Auf einen Vermittler kommen künftig 75 Betroffene unter 25 Jahren. Bisher waren es 83.

Alleinerziehende

In fast jeder fünften Familie in Deutschland ist ein Elternteil alleinerziehend. Davon sind 40 Prozent von „Hartz IV“ abhängig, obwohl die Betroffenen (zumeist Frauen) genauso qualifiziert sind wie etwa Mütter in Paarbeziehungen. In den Jobcentern sollen künftig Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt sich um eine bessere Vermittlung alleinerziehender Mütter kümmern.

Ältere

Im vergangenen Jahr bezogen 1,2 Millionen Erwerbsfähige über 50 Jahren „Hartz IV“. Bestehende Beschäftigungspakte für Ältere wie die „Perspektive 50plus“ sollen flächendeckend ausgeweitet werden.

Kosten

Im Bundeshaushalt für dieses Jahr sind 900 Millionen Euro für die Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt gesperrt worden. Diese Gelder dürfen erst verwendet werden, wenn ein effektiver Umgang mit dem Steuergeld belegt wird. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) fordert nun eine Freigabe der Mittel.

Ferienjobs

Schüler aus Hartz-IV-Familien sollen ihr in Ferienjobs verdientes Geld bis zu 1200 Euro komplett behalten dürfen, ohne dass es Abzüge bei den Hartz-IV-Regelleistungen gibt. Der monatliche Freibetrag von 100 Euro für regelmäßige Schülerjobs wie etwa Prospekte austragen gilt unabhängig davon weiter.

Rente

Das Kabinett beschloss auch die Rentenwerte zum 1. Juli und besiegelte damit eine Nullrunde für die rund 20 Millionen Ruheständler. Ohne die im vorigen Jahr beschlossene Rentengarantie hätten die Renten sogar gekürzt werden müssen, da die Löhne sanken.