Ostfriesischer Anlagen-Hersteller Enercon testet neues Transportschiff. Die “E-Ship 1“ wird zusätzlich mit Segel-Rotoren angetrieben.

Merkwürdig sieht das Schiff schon aus, das da am Werftkai im Emdener Hafen liegt. Es erinnert eher an eine abgesenkte Bohrinsel, deren vier Säulen in den Himmel ragen. Es könnten auch riesige Schornsteine sein.

Tatsächlich stellen die vier jeweils 27 Meter hohen Röhren aber einen Wind-Antrieb dar, der in den kommenden Jahren den Schiffbau revolutionieren könnte: Die "E-Ship 1" wurde von dem ostfriesischen Windenergieanlagen-Hersteller Enercon entwickelt. Vor wenigen Tagen kam sie aus dem Dock der Emdener Cassens-Werft und soll jetzt zu ersten Probefahrten auf die Nordsee auslaufen. Wobei die Enercon-Ingenieure schon jetzt nach ersten Standtests und Windkanalversuchen von der Funktionstüchtigkeit der vier Rotoren überzeugt scheinen: "Nach der langen Bauphase werden wir nun zeigen, was das E-Ship kann", sagt Projektleiter Rolf Rohden zuversichtlich.

Der Rotoren-Antrieb ist reichlich effektiv, zumindest in der Theorie: Gut 40 Prozent der Treibstoffkosten des Frachters können so eingespart werden, hoffen die Entwickler.

Für ein Frachtschiff dieser Größe könnten dann mehr als eine Million Euro pro Jahr gespart werden. Die Windkraft wird dabei zu vorhandenen Maschinen quasi dazugeschaltet. Bei kräftigen Winden ab Windstärke 7 könnte das 130 Meter lange Schiff auch vollständig von den Rotor-Segeln angetrieben werden, vermuten Windkraftexperten. Mehr als 17 Knoten, was etwa 32 Kilometer pro Stunde und damit der üblichen Marschgeschwindigkeit von kleineren Frachtschiffen entspricht, könnten erreicht werden.

Mit der "E-Ship 1" will Enercon zunächst eigene Windkraftanlagen zu Kunden nach Übersee transportieren. Man hoffe aber auch auf eine gute Vermarktung des Antriebs, falls die Treibstoffpreise weiter steigen, heißt es bei dem Unternehmen, das 1984 in Aurich gegründet wurde und inzwischen als größter Windkraftanlagen-Hersteller Deutschlands gilt.

Enercon entwickelte für die "E-Ship 1" eine Idee weiter, die eigentlich schon vor Jahrzehnten hätte zum Einsatz kommen können. Kam sie aber nicht, weil Kohle- und später Ölpreise lange Zeit sehr niedrig waren und so maschinenangetriebene Dampfer die Ära der Windjammer ablösten und nicht moderne Windantriebe.

Doch inzwischen gehen die Vorräte zur Neige. Auch die Hamburger Firma Sky-Sails setzt daher auf neue Techniken und rüstete erste Frachter mit großen Lenkdrachen aus, um Sprit zu sparen.

Der Windantrieb über Rotoren basiert indes auf einer Entdeckung des Berliner Physikers Gustav Magnus. Schon 1853 erkannte Magnus, dass Luft, die auf ein rotierendes Objekt strömt, nicht gleichmäßig wirkt. Es entsteht ein Überdruck, der das Objekt in eine Richtung schieben kann.

In den 1920er-Jahren entwickelte der hessische Ingenieur Anton Flettner diesen Effekt zu einem "Flettner-Rotor" weiter. Statt eines Mastes ließ Flettner massige Rotoren auf einem Prototypen bauen. Sobald Wind auf diese rotierenden Zylinder traf, wurde das Schiff nach vorne gedrückt. Beim "E-Ship 1" sind diese Rotoren im Durchmesser vier Meter breit und werden mit Elektromotoren in Drehung gebracht. Sobald Wind von der Seite einfällt, wird der Vortrieb erzeugt. "Das ist ähnlich wie beim Segeln, nur zehnmal effektiver", sagt Enercon-Sprecher Volker Uphoff. "Segel-Rotoren" nennen die Enercon-Ingenieure daher auch die Röhren. Nur wenn der Wind direkt von vorne oder achtern einfällt, funktioniere das Prinzip nicht.

Allerdings hat Enercon nicht nur das Flettner-Prinzip in heutige Technologie umgesetzt, für die "E-Ships 1" ließ sich das Unternehmen noch mehr einfallen: Zum Beispiel soll auf dem Frachter auch eine neue Ruder- und Propeller-Einheit zum Einsatz kommen, die auf der Erfahrung aus dem Bau von Wind-Rotorblättern und Wasserturbinen basiert. Geplant ist, dass ein herkömmlicher Propeller im Wechsel mit der Neuentwicklung gefahren wird, um reale Vergleichswerte zu bekommen. Die Rumpf-Form des Schiffs wurde zudem optimiert, um den Strömungswiderstand zu mindern. Selbst beim Unterwasseranstrich setzten die "E-Ship"-Entwickler auf Neues. Die Farbe auf Silikonbasis erzeugt eine besonders glatte Oberfläche und hilft, Treibstoff zu sparen.

Im Sommer sollen die Probefahrten und Tests bereits abgeschlossen sein. Dann will Enercon mit dem Schiff erste Windanlagen transportieren. Geliefert wird auch sicherlich eine Idee für die Zukunft. Enercon-Projektleiter Rohden: "Ich bin überzeugt davon, dass das Schiff ein erster, ernsthafter Schritt zur Energiewende in der Schifffahrt ist."