545 Einwohner, aber eine Million Euro auf der Kante: Raa-Besenbek geht es gut. Ein paar Kilometer weiter steckt Elmshorn in der Schuldenfalle.
Elmshorn/Raa-Besenbek. Arm und Reich liegen in Schleswig-Holstein dicht beieinander. "In Elmshorn ist die finanzielle Lage dramatisch", sagt Bürgermeisterin Brigitte Fronzek (SPD). Im Nachbardorf Raa-Besenbek ist die Kasse gut gefüllt. "Uns geht es prächtig", freut sich Bürgermeister Bernhard Rösecke (CDU). Beide Bürgermeister wissen, worüber sie reden. Elmshorn (48 300 Einwohner) muss 2010 gut 20 Millionen Euro Kredite aufnehmen, hat Ende des Jahres mehr als 80 Millionen Euro Schulden und nichts auf der hohen Kante. Raa-Besenbek (545 Einwohner) hat einen ausgeglichen Haushalt, keine Schulden und mehr als eine Million Euro in einer Rücklage gebunkert.
Der krasse Unterschied zwischen Stadt und Dorf ist in Schleswig-Holstein keine Ausnahme, eher die Regel. Die kreisfreien Städte, insbesondere Lübeck und Kiel, aber auch Neumünster und Flensburg, sind chronisch klamm, ebenso viele kreisangehörige Städte wie Elmshorn. Den restlichen gut 1000 Orten in Schleswig-Holstein geht es vergleichsweise gut. Etwa 350 Dörfer wie Raa-Besenbek sind schuldenfrei.
Der Landesrechnungshof (LRH) hat das auffällige Stadt-Land-Gefälle in seinen Kommunalberichten untersucht und zwei Gründe für die Schieflage ausgemacht. Der eine ist die Struktur der Städte. Sie haben hohe Sozialkosten (Hartz IV) und unterhalten zahlreiche Einrichtungen, die Bürger aus dem Umland mitnutzen.
In Elmshorn leben nach Kreisangaben 2950 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften, deren Unterkunft von der Stadt mitfinanziert wird. Allein das kostet Elmshorn 1,9 Millionen Euro im Jahr. Einige der Hartz-IV-Empfänger sind aus dem Umland zugezogen. "Bei uns ballt es sich", berichtet Fronzek. In Raa-Besenbek ist Hartz IV kein Thema. Rösecke: "Wir haben eine Familie, die Hilfe braucht."
Stolz ist Fronzek auf die vielen Angebote in Elmshorn, das Industriemuseum, die Stadtbücherei, das Stadttheater, die Volkshochschule. Allein diese vier Einrichtungen erhalten aus der Stadtkasse jährlich einen Zuschuss von gut 1,2 Millionen Euro. Viele Besucher stammen aus Elmshorn, aber längst nicht alle. In den Schwimmbädern kommt jeder vierte Gast aus dem Umland.
In Raa-Besenbek geht es beschaulicher zu. "Viele fahren in die Stadt, um dort zu arbeiten, einzukaufen oder etwas zu unternehmen", so Rösecke. Das Dorf hat keine eigene Kita, sondern Plätze in einer Elmshorner Einrichtung eingekauft. "Das ist günstiger." Eine Schule leistet sich das Dorf ebenfalls nicht. Die Kinder büffeln in Elmshorn.
Solche einseitigen Nachbarschaften werden beim Kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt. Städte wie Elmshorn bekommen einen Zuschlag, der zulasten von Dörfern wie Raa-Besenbek geht. Die Verteilungsquoten sind landesweit umstritten. Städte wie Dörfer fühlen sich benachteiligt, hätten gern ein größeres Stück vom Finanzkuchen.
Diese Hoffnung könnte für Raa-Besenbek in Erfüllung gehen. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat eine Reform des Finanzausgleichs angekündigt. Im Landeshaus wird erwartet, dass insbesondere die CDU wie beim neuen Landesentwicklungsplan Orte im ländlichen Raum stärken will. In Dörfern wie Raa-Besenbek ist die CDU zu Hause (44,4 Prozent bei der Landtagswahl 2009), in Städten wie Elmshorn oft nur zweite Wahl (28,6 Prozent).
Die Not vieler Städte lässt sich allerdings nicht nur mit Unwuchten im Finanzausgleich erklären. "Es kommt immer auch darauf an, wie eine Kommune mit ihrem Geld wirtschaftet", weiß LRH-Präsident Aloys Altmann. Die Einstellung, wirklich nur so viel ausgeben zu dürfen wie man einnimmt, sei in Dörfern ausgeprägter als in größeren Städten.
Fronzek mag dem so nicht zustimmen, Bösecke schon. "Wir halten unseren Haushalt in Ordnung." Menschen aus der Stadt hätten oft höhere Ansprüche, erklärt er und erinnert an das Baugebiet im Dorf. Einige Neubürger forderten einen schönen, aber teuren Bürgersteig. Die Gemeinde bewilligte nur einen Kiesweg.
Um die Zukunft ist beiden Bürgermeistern nicht bange. Brigitte Fronzek möchte die Finanzprobleme in den Griff kriegen und setzt dabei auch auf die Solidarität des Umlands. Bernhard Rösecke möchte einen kleinen Bürgerwindpark einrichten, die Dorfkasse so weiter füllen und vor allem eines verhindern - dass Raa-Besenbek von Elmshorn eingemeindet wird.