Strafanzeige, Intrigenvorwürfe, Indiskretionen - in Kiel geht es auch bei Dauerfrost heiß her und SPD-Chef Stegner steckt mitten drin.

Kiel. Strafanzeige, Intrigenvorwürfe, Indiskretionen, SPD-Landeschef Ralf Stegner räumt einen „Rechtsirrtum“ ein und will 8800 Euro an die Landeskasse überweisen, die er wohl zu Unrecht aus früherer Tätigkeit im Aufsichtsrat der HSH Nordbank bezogen hat - sieben Monate nach dem Scheitern der CDU/SPD-Koalition geht es an der Kieler Förde auch bei Dauerfrost wieder heiß her. Stegner schickte seinem Ex-Chef, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), am Montag eine Unterlassungserklärung wegen dessen Aussagen über ein Telefonat zwischen beiden im September 2007. Seinerzeit überlebte die Koalition in letzter Minute nur, weil der damalige Innenminister Stegner das Kabinett verließ.

Der heutige SPD-Landes- und Fraktionschef stellte am Montag auch Strafanzeige gegen unbekannt, weil ein Briefwechsel von ihm mit Innenstaatssekretär Volker Dornquast beim „Focus“ landete. Es geht um die Bezüge, die Stegner aus seiner früheren Tätigkeit im Aufsichtsrat der in schwere Schieflage geratenen HSH Nordbank erhalten hatte. Eine Klärung nach der „Focus“-Veröffentlichung habe ergeben, dass er nach seinem Ausscheiden als Innenminister wohl eine „Ablieferungspflicht“ in Bezug auf 2008 hatte, sagte Stegner. Er hatte für 2007 gut 14 000 Euro bekommen, die erst 2008 flossen, als er schon SPD-Fraktionschef und nicht mehr Minister war.

Ex-Landtagspräsident durchforstet Stegner-Akten Stegner ging nach seinen Worten bisher davon aus, dass das Jahr des „Zuflusses“ entscheidend war. Er habe sich auf telefonische Auskünfte aus dem Innen- und Finanzministerium sowie auf jahrelange Praxis gestützt. Als Minister hätte Stegner nur 5500 Euro behalten dürfen, als Fraktionschef die gesamte Summe.Die gut 8800 Euro will Stegner überweisen, sobald ein entsprechender Bescheid kommt. Bereicherungsvorwürfe wies er strikt zurück. „Das trifft alles nicht zu, das ist aber politisch rufschädigend und infam“, sagte er. „Ich wollte keinen Tag einen Euro zu viel haben.“ Ex-Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU) habe sich bereiterklärt, seine Akten durchzusehen, einschließlich der Steuerunterlagen.

Aus Sicht von FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki musste Stegner wissen, dass für die Abrechnung von Nebentätigkeiten nicht mehr das „Zuflussprinzip“, sondern das „Zeitraumprinzip“ gelte. Im Übrigen wolle er von Stegner die Namen der Sachbearbeiter wissen, bei denen er sich Auskunft geholt habe.

„Schmutzige Tricks“ oder „Heuchelei“?

Gegen Carstensen leitete Stegner rechtliche Schritte ein, weil der Regierungschef ihm vor wenigen Tagen sinngemäß vorgehalten hatte, er habe bei dem Telefonat im September 2007 um seine Ministerpension gefeilscht. Stegner bestreitet dies und führt den damaligen SPD- Fraktionschef Lothar Hay als Zeugen an. Carstensen hat bereits erklärt, er sehe einer möglichen Klage gelassen entgegen.

Ganz offenkundig sieht Stegner in der Attacke Carstensens und in Indiskretionen im Zusammenhang mit dem „Focus“-Beitrag eine gezielte Kampagne: „Das sind schmutzige Tricks, die ich auf mir nicht sitzenlassen kann und will“. Der Begriff „schmutzige Tricks“ steht für den größten Politik-Skandal in Schleswig-Holsteins Nachkriegsgeschichte: Damals hatte der Referent Reiner Pfeiffer aus der Staatskanzlei von Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) heraus üble Machenschaften im Landtagswahlkampf gegen SPD-Spitzenkandidat Björn Engholm angezettelt. In dieser Affäre liegen die Wurzeln für die Härte, mit der auch spätere Konflikte ausgetragen wurden.

FDP-Fraktionschef Kubicki mutmaßte, Indiskretionen zu Stegners HSH-Tantiemen könnten nicht aus der Regierung stammen, sondern von „einer armen Seele aus der SPD, der die Heuchelei Stegners auf die Nerven geht“. Grünen-Kollege Robert Habeck meinte, eigentlich sollten alle HSH-Aufsichtsratsmitglieder ihre Bezüge spenden. Er sieht auch eine unheilvolle Tradition: „Je schwächer die Regierung ist, desto härter werden die persönlichen Feindschaften ausgefochten“. Wenn Politik so agiere, sei das ein Zeichen von Verkommenheit.