Der Regierungschef über die Konkurrenz der Häfen, die Finanzkrise und die vier Duelle Werder - HSV.
Bremen. Hamburger Abendblatt:
Werder Bremen und der HSV werden in der nächsten Zeit viermal gegeneinander antreten. Der Bessere gewinnt. Wie ist es um das Verhältnis der beiden Städte bestellt?
Bürgermeister Jens Böhrnsen:
Ich hatte sehr gehofft, dass Werder und der HSV sich zweimal im Endspiel begegnen, also im DFB-Pokal und im Uefa-Cup. Das wird nun nichts, aber wir sind für Werder guten Mutes. Zu Hamburg und Bremen: Wir haben traditionell ähnliche Interessen. Wir wollen in der Hafenkooperation noch besser werden, die Interessen der deutschen Seehäfen machtvoll vertreten. Es gibt gemeinsame Marketingauftritte, Verabredungen, wie wir mit den Gebühren in den Häfen umgehen und ökologische Fragen in den Häfen lösen. Ich glaube, es wird auch nach der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise für beide Städte im Bereich von Hafenumschlag und Seehandel so viel Arbeit vorhanden sein, sodass wir nicht Konkurrenten, sondern Kooperationspartner sein sollten. Wir sind zwei unterschiedlich große, aber gleichbedeutende wichtige Zentren im Norden.
Abendblatt:
Sie haben die Gemeinsamkeiten betont, wo aber setzt die Konkurrenz ein? Bei der Elbvertiefung ist man unterschiedlicher Meinung.
Böhrnsen:
Die rot-grüne Koalition in Bremen hat sich ausdrücklich zur Vertiefung der Unterweser bekannt. Ich weiß, dass das in Hamburg anders ist. Die Weser ist unsere Lebensader - dort ist die Elbe die Lebensader. Aber an der Elbvertiefung ist Bremen nicht beteiligt, sondern das Land Niedersachsen.
Abendblatt:
Spricht der Norden bei Ausbau von Häfen und Infrastruktur überhaupt mit einer Stimme?
Böhrnsen:
In der Tat hat der Norden das in Berlin lange nicht gemacht. Im vergangenen Jahr haben sich die fünf norddeutschen Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern in Absprache mit den Handelskammern erstmalig auf eine gemeinsame Liste von 19 Verkehrsprojekten im Norden geeinigt. Im Mai treten die fünf Länder zum dritten Mal gemeinsam beim Bundesverkehrsminister auf und werden mit einer Stimme sprechen. Deutschland braucht in Zeiten der Globalisierung seine Tore zur Welt. "German Seaports" ist das Label, damit wir das Geschäft machen und nicht Häfen in anderen Ländern. Schiffe aller Größen müssen in Deutschland einen Hafen finden.
Abendblatt:
Da denkt man wieder an einen Nordstaat.
Böhrnsen:
Diese Debatte ist vollkommen überflüssig, der deutsche Föderalismus besteht aus kleinen und großen Ländern, Stadt- und Flächenstaaten. Diese Unterschiedlichkeiten sind gewollt. Es ist ein kostbares Gut, Dinge regional zu regeln. Das bedeutet ein besseres Verhältnis der Menschen zum Staat. Ich favorisiere dieses Verständnis von lebendigem Föderalismus und kann mir nicht vorstellen, dass sich zum Beispiel Finanzprobleme besser lösen lassen, wenn wir Länder zusammenlegen. Sollten Bremen und Niedersachsen fusionieren, hätte dieses Gebilde wegen unseres Finanzverteilungssystems im Jahr 500 Millionen Euro weniger Einnahmen.
Abendblatt:
Aber man könnte durch Fusionen Verwaltungskosten sparen.
Böhrnsen:
Das wären im Falle von Bremen/Niedersachsen vielleicht 50 bis 80 Millionen Euro gegen 500 Millionen Euro Mindereinnahmen. Bremen ist keine Insel, wir wissen um den Wert etwa der Metropolregion Bremen/Oldenburg. Aber unser Grundgesetz schreibt vor, dass über Länderfusionen am Ende die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Im Fall Berlin/Brandenburg waren die Menschen dagegen.
Abendblatt:
Bremen stimmte dem Verschuldungsverbot zu, das ab 2020 gelten soll. Derzeit hat das Land 15 Milliarden Euro Schulden und bekommt von 2011 bis 2019 Finanzhilfen von 2,7 Milliarden Euro. Wie soll konsolidiert werden?
Böhrnsen:
Derzeit haben alle öffentlichen Haushalte in Deutschland zusammen Schulden in Höhe von 1,6 Billionen Euro, die wir nachfolgenden Generationen auf die Schultern legen. Bremen erhält wie vier weitere Länder Konsolidierungshilfen. Das heißt, die Unterstützung von Bund und Ländern, um die neuen Regeln einhalten zu können. Das ist ein starkes Signal der Solidarität. Und es ist zugleich eine Riesenherausforderung. Aber wir brauchen gerade in dieser Zeit einen Staat, der handlungsfähig ist.
Abendblatt:
Sie wollen die Einnahmesituation Bremens verbessern. Im Augenblick ist die Perspektive aber eher düster: Die Arbeitslosenquote ist deutlich zweistellig, in Bremerhaven stehen die Export-Autos auf Halde, bei Mercedes in Bremen ist die Lage nicht rosig. Wie trifft die Wirtschaftskrise Bremen?
Böhrnsen:
Der Rückgang im Container- und Fahrzeugumschlag ist beträchtlich, wir haben Einbrüche in der Auto- und Stahlindustrie. Mithilfe des Konjunkturprogramms II des Bundes wollen wir die Binnennachfrage ankurbeln. Wir gehen fest davon aus, dass sich am für Logistikstandorte positiven globalen Trend der Handelsbeziehungen nichts ändern wird. Wir sind also gut beraten, wenn wir in den Ausbau unserer Häfen und der Hinterlandanbindungen weiter investieren.
Abendblatt:
Mit lokalen und regionalen Maßnahmen kann man aber nicht die Einbrüche in der Weltwirtschaft ausgleichen.
Böhrnsen:
Das wissen wir. Gleichwohl haben wir etwas einzubringen, nämlich die hanseatischen Tugenden. Da geht es um Haltung und Wertvorstellungen. In den Hansestädten hat man sich nie an Quartalszahlen ausgerichtet und nie auf Profitmaximierung als alleiniges Prinzip gesetzt. Hier denkt man nachhaltig und hat einen längeren Atem.
Abendblatt:
Also sollten künftig nur noch Hanseaten Bankvorstände sein.
Böhrnsen:
"Banker" könnten auf jeden Fall von den Kaufmannstugenden lernen.
Abendblatt:
Was machen Sie am 30. Mai?
Böhrnsen:
Da werde ich im Endspiel um den DFB-Pokal im Berliner Olympiastadion Werder Bremen gegen Leverkusen oder Mainz sehen. Wenn der HSV statt Werder ins Endspiel kommt, beschränke ich mich vielleicht aufs Radiohören.