Diesmal wurde kein Kind ausgesetzt, diesmal trennte die Bahn Mutter und Kinder. Die Kinder fuhren alleine nach Bremen weiter, die Mutter blieb auf dem Bahnsteig zurück.

Bremen/Hude. Ein Missverständnis führte dazu, dass eine Mutter von ihren drei Kindern im Alter von neun, elf und zwölf Jahren getrennt wurde. Die 53-Jährige aus Kassel hatte vergessen, ihre Fahrkarte zu entwerten. Als sie kurz hinter Hude bei Oldenburg aus eigenem Antrieb zum Schaffner ging, um diesem die Situation zu erklären, drängte dieser die Frau, die Tickets beim nächsten Halt nachzustempeln. Doch dann fuhr der Zug ohne sie weiter. Die Bahn bedauert den Vorfall, weist die Schuld aber von sich.

Die ortsfremde Frau war mit ihren Kindern zu Besuch in der niedersächsischen Kleinstadt und wollte mit dem Zug zurück nach Hessen fahren. Dass sie die Tickets vor der Fahrt hätte entwerten müssen, wusste sie nicht. Als die 53-Jährige ihren Fehler bemerkte, meldete sie sich umgehend beim Kontrolleur. "Unwirsch forderte mich der Schaffner auf, den Zug zu verlassen, um die Fahrkarten auf dem Bahnsteig zu entwerten", sagte sie der Bremer Zeitung "Kurier am Sonntag". "Der Mann hat mich richtig genötigt, den Zug zu verlassen." Als dieser dann ohne sie weiterfuhr, rief sie mit ihrem Handy die Polizei, die den Lokführer informierte. In Bremen nahmen Bundespolizisten die Kinder in Empfang, ihre Mutter folgte mit dem nächsten Zug.

Die Deutsche Bahn bedauere den Vorfall, sagte ein Sprecher in Hannover. "Es ist dumm gelaufen. Das tut uns leid." Dennoch treffe den Schaffner keine Schuld. "Wir haben mit dem Kollegen gesprochen. Er sagte, von Kindern war keine Rede." Außerdem sei nicht er, sondern der Lokführer für das Abfahren des Zuges verantwortlich. Da der Entwerter auf dem Bahnsteig anscheinend kaputt gewesen sei, habe die Frau wohl im Bahnhof nach einem anderen gesucht. "Der Lokführer ist dann losgefahren, weil er niemanden mehr auf dem Bahnsteig gesehen hat." Der einzige Fehler des Schaffners sei gewesen, dass er die Frau habe Nachstempeln lassen. Eigentlich hätte er ein Bußgeld von ihr verlangen müssen. "Hätte er sich nicht kulant verhalten, wäre das alles nicht passiert."

Der Fahrgastverband Pro Bahn bezeichnete den Vorfall als "Unding". "Ob mit oder ohne Kinder, der Schaffner hätte die Frau nie zum Nachstempeln nach draußen schicken dürfen", kritisierte der Sprecher des Regionalverbands Oldenburger Land, Eckhardt Ritter. Etwa die Hälfte der Automaten sei sowieso defekt. Der Fahrtgastverband fordert deshalb von der Bahn, auch in den Zügen Stempelautomaten aufzustellen. Bei der regionalen Nordwestbahn sei dies zum Beispiel schon lange üblich. "Woher sollen Leute von außerhalb wissen, dass sie Fahrkarten für bestimmte Verbindungen auf dem Bahnsteig entwerten müssen?", betonte Ritter. Das System sei fahrgast- und touristenfeindlich.

Der Rechtsexperte von Pro Bahn, Rainer Engel, macht die Bahn-Führung für das "fahrgastfeindliche" Verhalten ihres Personals verantwortlich. "Seit Anfang 2007 hat die DB den Fahrkartenverkauf in ihren Regionalzügen eingestellt und das Zugpersonal systematisch zur Jagd auf tatsächliche und vermeintliche Schwarzfahrer angesetzt", sagte er in einer Mitteilung. Der Vorfall hätte vermieden werden können, wenn Schaffner Fahrkarten verkaufen oder abstempeln dürften. Dies dürfen sie jedoch nicht mehr. Wenn sie es trotzdem täten, drohten ihnen Schwierigkeiten bis hin zur Entlassung.

Zuletzt war die Bahn negativ aufgefallen, weil ihre Kontrolleure Kinder ohne gültige Fahrkarten kurzerhand aus dem Zug verwiesen hatten. Teilweise waren die Minderjährigen noch Kilometer weit von ihren Heimat-Bahnhöfen entfernt.