Der Kriminologe sagt, welche Stadtteile am gefährlichsten sind. Insgesamt gibt es aber weniger jugendliche Täter.

Hannover. Der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer begeht wieder einmal einen Tabubruch: In welchen Stadtteilen von Hannover besonders viele junge Gewalttäter leben, wo sie besonders häufig zuschlagen, wo überdurchschnittlich viele Rechtsradikale wohnen und wo besonders viel gedealt wird - all das kann künftig jedermann nachschlagen. Bericht 105 des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN) hat einen Kartenanhang, der keine Fragen offenlässt. Er nennt die Problemstadtteile wie Linden-Süd, Nordstadt oder Lahe beim Namen mit konkreten Prozentangaben.

Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) und Polizeipräsident Uwe Binias waren gestern dabei, als Pfeiffer seinen KfN-Bericht vorlegte, und man konnte den beiden Männern anmerken, dass ihnen der Vorstoß nicht wirklich recht war. Binias etwa warnte, er sehe bei diesem Vorgehen "mehr negative Faktoren, weil es zu einer Stigmatisierung von Stadtteilen führt". Das sieht Pfeiffer anders, der die klare Nennung von Ursachen für die Kriminalität von Jugendlichen als erste Voraussetzung sieht, die Dinge zum Bessern zu wenden.

Diese Wende sieht er mindestens in Hannover sogar geschafft. Zwischen 1998 und 2006, so belegen es die regelmäßigen Umfragen unter jungen Menschen mit zuletzt stattlichen 3600 Teilnehmern, gibt es einen deutlichen Rückgang der wichtigsten Gewaltdelikte. Die Opferbefragung von Neuntklässern belegt einen Rückgang bei Raub, Erpressung, Körperverletzung und sexuelle Gewalt um ein Viertel. Es gibt eine Vielzahl neuer Initiativen, an den Schulen wurde eine Kultur des Hinschauens bei Gewalt entwickelt, neue Programme haben die Zahl der Schulschwänzer fast halbiert. So hatten denn Oberbürgermeister und Polizeipräsident doch noch Grund zum Strahlen, denn Pfeiffer bestätigte: "Hannover kann stolz sein auf das, was es geleistet hat."

Erfreulich aus Pfeiffers Sicht ist, dass die Gruppe der türkischen männlichen Jugendlichen, die mehrfach straffällig werden, sogar noch schneller sinkt als die der deutschen jungen Tatverdächtigen. Und auch hier liefert er eine provokante Begründung: Immer mehr Eltern türkischer Jungen entscheiden sich gegen die Empfehlung der Grundschullehrer, ihre Söhne auf die Hauptschule zu schicken. Sie melden sie stattdessen bei Gymnasien, Real- und Gesamtschulen an. Pfeiffers vernichtendes Urteil über die Hauptschule: "Sie ist in den vergangenen zehn Jahren schrittweise zu einem eigenständigen Verstärkungsfaktor der Jugendgewalt geworden." Weswegen er es gut findet, dass die Neuanmeldungen in Hannover jetzt auf vier Prozent des Jahrgangs gesunken sind, der niedrigste je gekannte Wert in Hannover. Steigende Zahlen der Gewaltkriminalität bei jungen Türken in München führt er eindeutig darauf zurück, dass in Bayern die Eltern der Schulempfehlung der Grundschule folgen müssen.

Im weiteren Kampf gegen Jugendgewalt setzt sich Pfeiffer für einen massiven Ausbau von Ganztagsschulen ein, die sich zu kleinen Stadtteilzentren entwickeln sollen.