Wer nur wenige Titel aus dem Internet holt, bleibt im Norden unbehelligt. Größere Sorge macht dem Ankläger der Anstieg der Jugendgewalt.

Kiel. Die Justiz in Schleswig-Holstein drückt bei illegalem "Filesharing" (Herunterladen von Musik aus dem Internet) ein Auge zu: "Wenn jemand nur einige Musiktitel herunterlädt, ermitteln wir seine Daten nicht", sagte Generalstaatsanwalt Erhard Rex gestern bei der Vorlage seiner Jahresbilanz in Kiel. Im Norden gehe es damit liberaler zu als in anderen Bundesländern, die mögliche Verletzungen des Urheberrechts konsequent verfolgen.

"Die Sicherheit in Schleswig-Holstein hängt nicht vom Filesharing ab", erklärte der Chefankläger des Landes. Es sei vielmehr ein typisches Jugenddelikt, gelegentlich Musik aus dem Internet zu kopieren und damit zu verbreiten. "Das sind kleine Fische." Rex verwies zudem auf den Aufwand, den eine Strafverfolgung kleiner Musikpiraten machen würde. Im vergangenen Jahr habe es unter anderem eine Massenanzeige mit 5000 IP-Adressen (PC-Kennungen) gegeben. Das wären auf einen Schlag 5000 Ermittlungsverfahren gewesen, sagte Rex. Er zog die Reißleine und stoppte solche Verfahren.

Ein Freibrief für Internetpiraten ist das nicht, weil die Ermittler Musikklau im größeren Stil nach wie vor verfolgen. Wo die Grenze liegt, will Rex nicht verraten. Weiterhin kein Pardon kennt er, wenn neue Filme herunter geladen oder Nazi-Propaganda verbreitet wird. "Hier ermitteln wir."

Der neue Kurs beim Filesharing schlägt auch auf die Jahresbilanz der vier Staatsanwaltschaften im Land durch. Sie leiteten 2007 mit insgesamt rund 300 000 Verfahren gut 5000 weniger ein als im Vorjahr. Besorgt äußerte sich Rex über die zunehmende Jugendgewalt. Im vergangenen Jahr ermittelten die Staatsanwaltschaften gegen 16 185 junge Menschen (14 bis 21 Jahre) wegen Körperverletzung, Nötigung, Raub oder Tötung. Das sind 2500 mehr als im Vorjahr, doppelt so viele wie 2001 und dreimal so viele wie 1998.

Zugleich hat sich das Tatmuster verändert. "Früher hat Person A Person B geschlagen", sagte Rex. Heute suche sich eine Gruppe ein Opfer aus, um es zu demütigen und zu misshandeln. Unter den Gewalttätern sind mehr Mädchen als früher. Im Kampf gegen die Jugendgewalt setzt Rex auf das vorrangige Jugendverfahren, bei dem Beschuldigte sich spätestens vier Wochen nach der Tat vor Gericht verantworten sollen. 2007 gelang das in 132 Fällen, allerdings zieht die Staatsanwaltschaft Lübeck bei Schnellverfahren seit Jahren nicht mit. Rex will sie nun dazu verpflichten.