Meeresbiologen sind ratlos. Immer mehr tote Tiere werden im Nordosten an der Küste aufgefunden. Die Ostsee-Schweinswale sind bedroht.
Stralsund. Die Meeresbiologen des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund stehen vor einem Rätsel: In der Ostsee vor Mecklenburg-Vorpommern werden immer mehr tote Schweinswale gefunden. Allein seit Januar 2007 verzeichnete das Meeresmuseum, das die Todfunde an der Küste des Landes registriert und auswertet, 54 tote Schweinswale. Damit habe sich die Zahl der tot aufgefundenen Tiere in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdreifacht, sagte der Meeresbiologe Klaus Harder am Rand einer Tagung zu Delfinen und Schweinswalen. Mit geschätzt rund 600 Exemplaren gilt der Ostsee-Schweinswal als vom Aussterben bedroht. Allerdings stammen diese Angaben über die Populationsstärke aus einer Flugzählung im Jahr 1995.
Die Ursachen für die Zunahme der Todfunde sind weitgehend unklar. "Die Zahlen lassen sich in zwei Richtungen interpretieren - eine positive und eine negative", sagte Museumsdirektor und Schweinswalforscher Harald Benke. Möglicherweise deute der Anstieg der Todfunde auf eine Zunahme der Population hin. Die Zahlen ließen aber auch den Schluss zu, dass die Gefahren für die Schweinswale durch den Schiffsverkehr und den daraus resultierenden Lärm gewachsen seien. Mit jährlich rund 65 000 Frachtschiffen gilt die Ostsee laut Umweltverband WWF als eines der meist befahrenen Meere der Welt.
Einen weiteren Grund für den Anstieg der Schweinswalfunde führt Harder an: Strandbesucher und Fischer seien zunehmend sensibilisiert und würden immer mehr Tiere den Behörden melden. Offenbar spielen aber die Gefahren aus der Fischerei eine untergeordnete Rolle. "Von den 54 gefundenen Tieren waren nur zwei als wirkliche Beifänge zu identifizieren", sagte Harder. Die Tiere werden im Meeresmuseum gesammelt und zunächst tiefgefroren. Ein- bis zweimal im Jahr werden die Tiere seziert und Gewebeproben entnommen. Von deren Analysen erhoffen sich die Forscher weitere Informationen zu den Todesursachen.
Die Ostsee-Schweinswale stellen nach Ansicht der Forscher eine eigene Unterart dar. Sie mischen sich nicht mit dem als stabil bewerteten Bestand der rund 230 000 Nordsee-Schweinswale. "Jedes tote Tier ist ein dramatischer Verlust an genetischem Material", sagte der Fachbereichsleiter Meeresbiologie vom Bundesamt für Naturschutz, Henning von Nordheim. Um aktuelle Informationen über die Population der Ostsee-Schweinswale zu erlangen, plant das Bundesamt für Naturschutz zusammen mit dem Meeresmuseum ein einzigartiges Pilotprojekt. Sie wollen eine neuartige Technologie testen, bei der unbemannte Flugobjekte, sogenannte Drohnen, die Population der Schweinswale exakter erfassen. "Wir benötigen mehr Informationen." Diese Technik stecke noch in den Kinderschuhen, werde aber bereits am Great Barrier Reef vor Australien getestet.