Wut. “Und so einer darf wieder raus?“

Neumünster. Jennifers Vater Michael Haack (40) hat in Samtens auf Rügen mit Wut auf die Nachricht reagiert, dass der Mann, der seine Tochter ermordet haben soll, ein mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter ist. "Solche Leute müssen weggeschlossen werden", forderte er. "Ich habe immer gesagt, so etwas ist nicht heilbar." Die Reaktionen in Jennifers Berufsschulklasse gehen in die gleiche Richtung. Die Einzelhandelslehrlinge der Theodor-Litt-Schule in Neumünster besuchten am Mittwoch den Tatort, um zu trauern. "Und so etwas darf wieder raus?", fragte Annekathrin (16). "Es kann doch nicht sein, dass Jennifer sterben musste, nur weil der wieder rausgekommen ist", sagte Frank (21). Bei Kunden in der Shell-Tankstelle, in der Stefan Z. sich vor dem Mord aufhielt, ist die Forderung "Lebenslang" noch die harmloseste. "Kalte Wut" bekundet Tankstellen-Mitarbeiterin Stefanie Kannsdat. Konsequenzen aus dem Mordfall Jennifer werden absehbar bald auch in der Politik diskutiert werden. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, fordert "eine seriöse Debatte" über die Fälle Jennifer und Jakob. "Es darf keine Schnellschüsse geben", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Der Fall Jennifer deute allerdings auf eine Sicherheitslücke hin. "Wenn vor Jahren verurteilte Sexualstraftäter ihre Haftstrafe verbüßt haben, müssen wir sie aus dem Gefängnis entlassen, selbst wenn wir dabei ein mulmiges Gefühl haben." Von der Lücke profitieren solche Sex-Verbrecher, die wie der mutmaßliche Mörder von Jennifer vor 1998 verurteilt wurden. Erst seit 1998 können Gerichte bereits bei der ersten Rückfalltat eine Sicherungsverwahrung nach Haftende verhängen. Und erst seit Juni 2002 dürfen Gerichte im Urteil festlegen, dass sie erst während des Strafvollzugs entscheiden, ob Schwerverbrecher nach Haftende auf freien Fuß kommen oder eben in Sicherungsverwahrung. Besonders brisant ist die Sicherheitslücke im Fall Jennifer, weil ihr mutmaßlicher Mörder nach Haftende nur noch per "Führungsaufsicht" kontrolliert werden konnte. Angeordnet wird Führungsaufsicht vom Gericht, wenn bei einem Häftling die Gefahr besteht, dass er nach der Entlassung wieder straffällig wird. In solchen Fällen kümmert sich ein Bewährungshelfer zwei bis fünf Jahre lang um den Ex-Häftling, vor allem darum, dass er sich an Weisungen des Gerichts hält. Mögliche Auflagen sind eine regelmäßige Meldepflicht und Verbote, bestimmte Orte und Personen aufzusuchen. Die Kontrolle gilt als schwierig. Ein Grund: Bewährungshelfer müssen zu viele Fälle betreuen. "Die Führungsaufsicht ist ein stumpfes Schwert", sagt Richterbundchef Mackenroth. Schleswig-Holsteins Justizministerin Anne Lütkes (Grüne) kündigte gegenüber dem Hamburger Abendblatt an, "das Instrument der Führungsaufsicht zu verbessern". Das sei bereits vor dem Fall Jennifer geplant gewesen. Die Führungsaufsicht solle enger werden und bei Nichtbefolgung Sanktionen umfassen. Sie habe Verständnis für wütende Reaktionen in Neumünster, sagte Lütkes. Aber: "Wir dürfen die Verfassung nicht brechen." Niedersachsens Justizminister Christian Pfeiffer (SPD) wies die Forderung nach Neuregelung der Sicherungsverwahrung zurück. Die Gesetzesverschärfung von 1998 reiche aus, sagte er dem Hamburger Abendblatt. Notwendig seien mehr Therapieplätze. Zudem würden in Niedersachsen nach Sexualtaten meist die DNA-Analysen gespeichert und von Vergewaltigern Speichelproben genommen. "Die Wahrscheinlichkeit des Erwischtwerdens", so Pfeiffer, "ist für einen beachtlichen Teil potenzieller Sexualstraftäter ein Grund, sich zusammenzureißen und es zu lassen."