Stade: Der Abriß des Kraftwerks soll 2015 beendet sein. Die Abfälle müssen zunächst in ein Zwischenlager. Aber das auch nur für die nächsten 40 Jahre.
Stade. Wenn etwas abgerissen wird, müssen die Reste irgendwo hin. So ist es auch in Stade, wo nach dreißig Jahren ein Atomkraftwerk verschwinden soll. Deshalb baut Michael Bächler (40), seit Jahresbeginn Projektleiter des gigantischen Unternehmens, derzeit nicht nur ab, sondern auch auf: ein Atommüll-Zwischenlager für leicht- und mittelradioaktive Stoffe, kurz Lara. Es soll 2007 fertig sein und darf 40 Jahre genutzt werden. Der Grund: Bislang gibt es kein Endlager in Deutschland. Das könnte sich bald ändern (siehe Infowinkel). "Wir warten gespannt, ob Schacht Konrad genehmigt wird", sagt der Ingenieur.
An den Rückbau-Plänen des 1972 in Betrieb gegangenen Atommeilers ändert das nichts. "Wir haben jetzt mit den ersten nuklearen Demontagen begonnen", sagt Bächler. Das hört sich dramatisch an, aber der Abrißbau-Experte schwächt ab. "Mit dem Abtransport der Brennelemente vor knapp einem Jahr waren 99 Prozent der Radioaktivität weg." Das Problem ist das letzte Prozent. Denn im nuklearen Bereich des 2003 stillgelegten Druckwasserreaktors muß Stück für Stück abgebaut, dekontaminiert und gemessen werden: insgesamt 128 436 Tonnen Stahl und Beton. "Das ist reine Fleißarbeit", sagt Bächler. Nur 2,3 Prozent seien radioaktiver Abfall.
Nachdem alle nichtnuklearen Bereiche, wie die große Turbine, abgebaut wurden, läuft jetzt die erste Rückbauphase im Kontrollbereich. "Dort ist es sehr eng. Wir müssen erst mal Platz schaffen", so Abbauchef Bächler. 4800 Punkte umfaßt sein Projektplan. Wenn 2015 alles abgearbeitet ist, soll das 100-Hektar-Areal nach fast 50jähriger Atomkraftgeschichte wieder "grüne Wiese" sein. "Wir haben uns für den direkten Rückbau entschieden", sagt Petra Uhlmann, Sprecherin des Betreibers E.on Kernkraft. 500 Millionen Euro kostet das Projekt. Der Vorteil: 200 Kernkraftwerker haben weiter Beschäftigung, dazu kommen etwa 200 externe Kräfte.
Im Reaktorraum zerlegt David Grasedieck (25) mit Kollegen eine Schraubspannvorrichtung mit einem Durchmesser von fünf Metern. Wie alle im Kontrollraum trägt er bei der Arbeit einen Overall, Überschuhe und Handschuhe. Beim Rein- und Rausgehen werden penible Messungen gemacht. "Alles muß so zerlegt werden, daß es in unsere Gitterboxen paßt", erklärt Detlef Hubert, Chef des betriebseigenen Informationszentrums. Die etwa ein mal ein Meter großen Stahlbehälter sind das Grundgerüst des Rückbaus. "Das System haben wir beim Abbau im Werk Würgasen entwickelt", so Hubert. Abends muß alles durch eine sogenannte Freimeßanlage, die genau auf die Gitterboxen zugeschnitten ist.
"Wir schaffen am Tag etwa fünf Tonnen", sagt Chef-Rückbauer Bächler. Während seine Männer den Reaktorraum freiräumen - parallel werden derzeit im Abklingbecken die Gitter demontiert, auf denen die Brennelementebehälter gestanden haben - ist Bächler in Gedanken schon beim Abbau der Dampferzeuger, der wahrscheinlich noch in diesem Jahr beginnen soll. "In der dritten Phase geht es an den am stärksten verstrahlten Bereich, den Reaktorkern", so der Projektleiter. Schon Mitte 2007 ist es wahrscheinlich soweit. "So schnell wie dieses Kernkraftwerk", sagt Bächler, "ist in Deutschland noch kein Kernkraftwerk rückgebaut worden."