Seit vier Tagen geht mir der kleine Tim nicht mehr aus dem Kopf - nicht nur weil ich von Berufs wegen mit dem Fall des vermißten Jungen beschäftigt bin. Es ist vor allem der unfaßbare Schrecken, der wohl jeden Vater, jede Mutter bei der Vorstellung ergreift, das eigene Kind könnte von einem Moment auf den anderen verschwunden sein. Bei der Recherche, beim Fotografieren in Elmshorn habe ich mich ertappt, wie ich in Gebüsche und hinter Zäune geguckt habe. Wo bist du, Tim? Beim Beobachten der Suchaktion am Fluß Krückau verspürte ich Angst, im nächsten Augenblick könnte ein Taucher mit einer Kinderleiche aus den trüben Fluten aufsteigen. Nach vielen Jahren auch als Polizeireporter halte ich mich für "hartgesotten", aber immer wenn es um verletzte oder getötete Kinder geht, habe ich einen dicken Kloß im Hals. Wenn bloß meinen Kleinen nie etwas passiert - Kinder machen verletzbar.
Meine sind etwas älter als Tim. Seit vier Tagen frage ich mich: Würden meine beiden in der Dunkelheit alleine aus der Wohnung laufen? Niemals! Aus dem Schlaf geschreckt, in Angst geraten, würden sie rufen, dann weinen. Still und leise aus der Wohnung, die steile Treppe runter, durch die Haustür, auf die dunkle Straße - die Vorstellung, daß ein so kleiner Steppke sich derart verhält, will nicht in meinen Kopf. Und dann kommen die alptraumhaften Vorstellungen vom "schwarzen Mann", der die Kinder holt. Dennis, Hilal - und jetzt Tim?
Als ich gestern spät nach Hause kam, lagen meine Augensterne tief und friedlich schlafend in ihren Betten. Lange stand ich neben ihnen . . . nachdem ich das Türschloß nochmals umgeschlossen hatte.