Nach dem Start eines Hilfsprogramms für pädophile Männer in Schleswig-Holstein hofft Kinderschutzexpertin Barbara Schäfer-Wiegand auf weitere Initiativen in anderen Bundesländern. “Das Projekt ist eine wirklich gute Chance, um an Täter heranzukommen, die sich sonst im Dunkelfeld bewegen.“
Kiel/Karlsruhe. Das Projekt an der Kieler Uniklinik konzentriere sich nicht wie die meisten anderen Kampagnen auf Opfer, sondern spreche potenzielle oder bereits aktive Täter direkt an, erläuterte die Vorsitzende der bundesweit aktiven Kinderschutzstiftung Hänsel und Gretel. Der Schutz der Kinder werde erheblich verbessert, zudem werde das Thema enttabuisiert, erklärt die ehemalige baden- württembergische Sozialministerin.
Als erstes Land bundesweit unterstützt Schleswig-Holstein das Projekt mit zunächst 80 000 Euro im Jahr. Vorreiter ist eine Initiative an der Berliner Charite, die 2005 an den Start ging. Seitdem haben sich dort etwa 800 Männer anonym gemeldet. "Ich bin glücklich, dass der Zug jetzt auch über Berlin hinaus ins Rollen gekommen ist", sagte die 74 Jahre alte CDU-Politikerin, die sich für eine Umsetzung des Projekts in Baden-Württemberg einsetzt. Ähnliche Pläne laufen in Niedersachsen, Sachsen und Bayern. "Das Hauptproblem ist, dass es noch zu wenig Ärzte und Psychotherapeuten gibt, die im Bereich Sexualmedizin ausreichend ausgebildet sind."
Die ambulanten Gruppen- oder Einzeltherapien in Berlin und Kiel erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa einem Jahr. In Gesprächen und Rollenspielen sollen die Pädophilen lernen, mit ihrer Neigung zu leben, ohne zu Tätern zu werden. Dabei geht es auch um "indirekte sexuelle Übergriffe" wie die Nutzung von Kinderpornografie in Internet. Die User dieser Seiten hätten kein klares Unrechtsbewusstsein entwickelt, sagt Schäfer-Wiegand. "Sie machen sich nicht klar, dass sie durch ihr Tun den Markt anheizen und dazu beitragen, dass auf der ganzen Welt immer mehr Kinder für solche Videos missbraucht werden." Nach Angaben der Expertin werden mit den Kinderporno-Seiten Milliarden-Umsätze gemacht: "Das ist der größte Markt im Internet."
Umso wichtiger sei die Initiative von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), den Zugang zu solchen Seiten mit einem Filter sperren zu lassen. Die Stiftung Hänsel und Gretel unterstützt zudem die Entwicklung einer speziellen Vorschaltseite durch die Charite in Berlin. Wenn Nutzer künftig Kinderpornos aufrufen wollen, gelangen sie stattdessen auf eine Seite, die ihnen die Kriminalität und Strafbarkeit ihres Handelns verdeutlicht und auf die Hilfsprojekte in Kiel und Berlin verweist. Schließlich wüssten nur die wenigsten, dass solche anonymen und kostenfreien Angebote existieren, sagte Schäfer-Wiegand.