Mit dem traditionellen Biikebrennen wollen Nordfriesen die kalte Jahreszeit vertreiben.

Utersum. Heinz-Jürgen Fischer ist es gewohnt, dass ihm die Menschen vertrauensvoll folgen. Seit 54 Jahren geleitet der Wattführer Urlauber sicher durch das nordfriesische Wattenmeer. Seine kürzeste Route führt ihn aber nicht durch den Schlick. Jedes Jahr am Abend des 21. Februar organisiert er in Utersum auf Föhr den Fackelzug vom Dorfgemeinschaftshaus zum Biikebrennen. "Ich gehe vornweg, meine Frau am Schluss des Feldes", sagt der 74-Jährige.

Das Biikebrennen ist eine Art Nationalfest der Friesen. Das friesische Wort Biike bedeutet Leuchtzeichen. Jedes Jahr brennen an diesem Tag zwischen Sylt und Eiderstedt an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste Feuer. Der Feuerschein der mehrere Meter hohen Holzhaufen ist in der Abenddämmerung an der Küste weithin zu sehen. "Der Ursprung dieser Tradition liegt auf den nordfriesischen Inseln", sagt der Geschäftsführer des Nordfriesischen Vereins, Wolf-Rüdiger Konitzki. Später sei sie auf das Festland "hinübergeschwappt". "Heute hat jedes kleine Dorf eine Biike."

In grauer Vorzeit sollten die Flammen den heidnischen Gott Wotan gnädig stimmen. An diesen Opfercharakter erinnern teilweise noch heute auf den Haufen verbrannte Pider, wie die Strohpuppen genannt werden. Später hätten die Menschen mit Feuern die Seefahrer verabschiedet, sagt Konitzki. Im 17. und 18. Jahrhundert gingen viele Insulaner dem Walfang nach und brachten durch die Jagd nach Pottwalen Wohlstand auf die nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr, Amrum, Pellworm und Nordstrand. "Vor allem Föhr und Amrum haben in dieser Zeit ungeheuren Reichtum angehäuft", berichtet Konitzki.

Seit Tagen sammeln die Nordfriesen wieder Holz für das Schauspiel am 21. Februar. Vertrocknete Tannenbäume und morsche Äste werden auf Inseln und Halligen sowie auf dem Festland zusammengetragen und aufgetürmt. Traditionell bewachen die Jugendlichen des Dorfes die Biike in der letzten Nacht vor dem Feuer, damit sie nicht von Saboteuren aus Nachbargemeinden zu früh angezündet wird. Vielerorts harren die Jugendlichen in dieser Nacht bis in die Morgenstunden aus.

Das Biikebrennen soll heute den Winter vertreiben. "Inzwischen ist es an der Nordseeküste zu einer touristischen Attraktion geworden", sagt Konitzki. Vor allem auf Sylt reihen sich jedes Jahr zahlreiche Urlauber in die Fackelzüge ein, die von den Dörfern zu den Biikeplätzen führen.

Rund 800 Meter lang ist der Weg des Fackelzuges auf Föhr. Rund 100 Menschen würden in Utersum zum Fackelzug erwartet, sagt Wattführer Fischer. Am Biikeplatz des 250-Seelen-Ortes angekommen entzünden die Kinder mit ihren Fackeln das Stroh. Immer mit dabei ist die Feuerwehr. "Aus alter Tradition haben viele Teilnehmer des Fackelzuges Thermoskannen mit Teepunsch oder Grog dabei", berichtet Fischer.

Und wenn der letzte "Biikeschluck" genommen ist, und das Feuer langsam verglimmt, machen es sich die Nordfriesen drinnen gemütlich. Die heimischen Küchen und Restaurants tischen dann vielerorts das traditionelle Gericht dieses Tages auf: deftiger Grünkohl mit reichlich Fleisch, Wurst und Bratkartoffeln.