Ein Kanal soll den Schiffbau mit der Nordsee verbinden. Damit könnte der kranke Fluss geschont werden.

Papenburg/Hannover. Viermal hat das Land Niedersachsen die Ems flussabwärts von Papenburg trotz aller Proteste von Umweltschützern und den um ihre Sicherheit fürchtenden Anwohnern vertiefen lassen. Anders hätten die immer größeren Schiffe der Meyer Werft den Weg in die Nordsee gar nicht antreten können. Jetzt ist der Fluss aus der Sicht der Umweltverbände fast tot, neue Untersuchungen belegen zudem eine Dioxinbelastung, die um ein Mehrfaches über den Grenzwerten liegt.

Nun wird über das Verhalten der Landesregierung, aber auch kontrovers zwischen Umweltschützern darüber diskutiert, ob für die Meyer Werft ein eigener Kanal gebaut werden sollte, der die schwierigsten ersten 15 Kilometer auf der Ems überflüssig macht und erst bei Leer wieder in den Fluss führt. Trotz der Kosten von 500 Millionen Euro befürwortet inzwischen sogar Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) eine Machbarkeitsstudie für das Projekt.

Wegen einer Planungs- und Bauzeit von mindestens zehn Jahren aber löst das weder die aktuellen Probleme der Meyer Werft noch die Sorgen der Umweltschützer. Gestern ging es bei einer Anhörung in Leer eigentlich nur darum, ob das Land künftig auch im Sommer trotz drohender Sauerstoffarmut die Ems mithilfe des Emssperrwerks so aufstauen darf, dass die riesigen Kreuzfahrtschiffe die Reise ans Meer antreten können.

Die Meyer Werft ist der größte Arbeitgeber des Emslands, und entsprechend legte sich Landrat Hermann Bröring bei der Anhörung für Ausnahmegenehmigungen ins Zeug, unterstrich die riesige Bedeutung des Arbeitgebers und Auftraggebers Meyer: "Die Reedereien bestimmen die Ablieferungstermine."

Nicht einmal ein Gutachter des Landkreises bestritt, dass der Sommerstau eine Gefahr für seltene Brutvogelarten ist. Dafür wolle man sich aber um Ausgleichsmaßnahmen bemühen.

Und nicht einmal das Landwirtschaftsministerium in Hannover dementiert, was der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer pünktlich zum Erörterungstermin zutage gefördert hat. Vermutlich als Folge des vorangegangenen Probestaus im Sommer liegt die PCB- und Dioxin-Belastung um das Fünffache höher als erlaubt. Ein Sprecher des Ministeriums versuchte die Situation gestern allerdings mit dem Hinweis zu entschärfen, die an der Ems gefundenen Dioxine seien nachweislich nicht verantwortlich für die soeben landesweit festgestellte gesundheitsgefährdende Anreicherung von Dioxin in den Schaflebern. Dieses Problem, so versicherte das Ministerium, müsse auf andere Ursachen zurückzuführen sein, nach denen fieberhaft gesucht werde.

Seit der bislang letzten Vertiefung auf 7,30 Meter fließt die Ems noch schneller, zudem sind Jahr für Jahr umfangreiche Unterhaltungsbaggerungen nötig. Während aber die örtlichen Bürgerinitiativen im Deichhinterland der Ems fordern, dass die Meyer Werft an die Küste umzieht, setzen sich gleich zwei große Gruppierungen, die Umweltstiftung WWF und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), für den Kanal zwischen Papenburg und Leer ein. Anders sei der Fluss nicht zu retten, sagt Beatrice Claus von WWF, während Hajo Rutenberg für die örtliche Initiative "Rettet die Ems" einen Kanal "absurd" nennt. Aus Sicht der Anwohner handeln die großen Organisationen über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Vor Ort ist der Frust groß, weil sich in der Vergangenheit immer wieder Meyer durchgesetzt hat.

Verkehrte Fronten auch in der Politik: Ministerpräsident Wulff will jetzt sogar prüfen, ob ein solcher Kanal nicht sogar noch weitergeführt und ans deutsche Binnenwasserstraßennetz angeschlossen werden könnte. Von Geldverschwendung dagegen spricht Stefan Wenzel, Chef der grünen Landtagsfraktion. So ein Kanal, schätzt er, werde Milliarden kosten und sei ein "Rieseneingriff in die Natur".

Bei allen Machbarkeitsstudien kann auf alte Unterlagen zurückgegriffen werden. Bereits 1938 ist mit dem Bau eines "Adolf-Hitler-Kanals" im Emsland begonnen worden, der den Dortmund-Ems-Kanal Richtung Nordsee entlasten sollte. Reste der Bauarbeiten, die 1942 eingestellt wurden, sind bis heute sichtbar.