Jost de Jager findet keine Führung für das Krankenhaus. Kandidaten fürchten Ränkespiel mit dem Aufsichtsratschef.
Kiel. Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) gibt es trotz Pleiten, Pech und Pannen keinen klaren Schnitt. Der Landtag lehnte gestern die Entlassung des umstrittenen Wissenschafts-Staatssekretär Jost de Jager (43, CDU) ab. Der gelernte Journalist leitet den UKSH-Aufsichtsrat, der händeringend nach einem Vorstandschef für die Großklinik sucht und bisher nur Körbe bekam. "Das Maß ist voll", begründete Grünen-Fraktionschef Karl-Martin Hentschel den Rücktrittsantrag. SPD und FDP kreideten de Jager zwar Fehler an, lehnten seinen Rauswurf aber gemeinsam mit der CDU ab, die sich hinter ihren Staatssekretär stellte. Der SSW enthielt sich.
Unbestritten ist, dass sich das UKSH als eine der größten deutschen Kliniken (10 600 Beschäftigte, 2400 Betten) nach dem Abschied des Vorstandschefs Professor Bernd Kremer bei der Suche nach einem Nachfolger beispiellos blamierte. Ende 2008 winkten gleich zwei nominierte Kandidaten ab, darunter der Essener Radiologe Professor Michael Forsting. Begründung: "Die Politik in Schleswig-Holstein hat in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass man weder auf ärztliches noch auf kaufmännisches Wissen im Vorstand Wert legt." Die Einflussnahme des Aufsichtsratschefs sei "gravierend", so Forsting. Der Staatssekretär klopfte daraufhin beim dritten Kandidaten an, dem Berliner Professor Thomas Kersting. Dieser sagte zu, machte vor Kurzem aber einen Rückzieher und de Jager so zum Gespött. Die Berufungspanne wiegt besonders schwer, weil es im UKSH weitere Personalquerelen gibt. Der zweite Vorstandsposten (Finanzen) konnte erst nach Monaten besetzt werden, der dritte Top-Job (Krankenpflege) ist seit fast einem Jahr verwaist, und im Aufsichtsrat haben inzwischen zwei Mitglieder das Handtuch geworfen. Professorin Eva-Bettina Bröcker aus Würzburg schrieb nach Kiel, dass sie nicht länger bereit sei, teils kaum nachvollziehbare Veränderungen im UKSH abzusegnen.
Uwe Petersen, für die Wirtschaft im Aufsichtsrat, nannte bei seinem Rücktritt Ross und Reiter. Er könne seine Zeit besser nutzen, als sich "in fruchtlosen Diskussionen mit Staatssekretär Jost de Jager zu beschäftigen, der von keinerlei Selbstzweifeln geplagt ist". De Jager keilte zurück. Petersen sei ein zorniger alter Mann, der ohnehin hätte aussteigen wollen.
Der muntere Schlagabtausch über die Medien erklärt sich daraus, dass UKSH-interne Schreiben sofort im Landeshaus die Runde machen und als Munition im erbitterten Machtkampf hinter den Kulissen der Klinik dienen.
Eine der Frontlinien verläuft innerhalb der Großen Koalition. De Jagers CDU möchte das marode UKSH (400 Millionen Euro Sanierungsbedarf) mithilfe privater Großkliniken auf Vordermann bringen, die SPD hat das bisher verhindert. Ziel beider Parteien ist es nun, über den Aufsichtsrat einen Vorstand einzusetzen, der den jeweiligen Kurs vertritt.
Noch härter belastet ein anderer Grabenkampf die Großklinik. Das Land hatte das Universitätsklinikum im Jahr 2003 unter Zwang aus den Klinika in Lübeck und Kiel gebildet und dabei unterschätzt, wie verbissen beide Standorte um Einfluss streiten. Seitdem blieb fast jede Struktur- und Personalfrage umstritten und das UKSH gelähmt.