Jedes fünfte Kind in Deutschland ist zu dick. Fernsehköchin Sarah Wiener will Kindern Spaß am Kochen geben und Erzieher sensibilisieren.

Osnabrück. Der kleine David vom Kindergarten St. Barbara in Osnabrück fischt vorsichtig die frisch gemachten Spätzle aus dem heißen Topf und schreckt sie in einer Schale mit kaltem Wasser ab. „Prima“, lobt Sarah Wiener. Die aus dem Fernsehen bekannte Köchin war am Montag Gast bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück und bereitete mit 45 Kindern aus Melle und Osnabrück frische Salate und Spätzle zu.

Als die ersten selbst gemachten Teigwaren fertig sind, sagt die 48-Jährige herzlich lachend: „Diejenigen, die gearbeitet haben, dürfen jetzt essen.“ Wenn es um gutes und gesundes Essen geht, will die Fernsehköchin keine Kompromisse machen. „Kochen ist die wichtigste Grundfertigkeit, die es gibt“, sagt Wiener energisch. Schon seit 2007 engagiert sie sich über ihre eigene Stiftung dafür, dass Kinder und Jugendliche vor allem aus sozialen Brennpunkten mit vollwertigem Essen in Kontakt kommen. Jetzt will die Sarah-Wiener-Stiftung angehende Erzieherinnen und Erzieher bereits in der Ausbildung auf die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung hinweisen und entsprechende Schulungsmöglichkeiten unterstützen. Auch für schon berufstätige Kita-Mitarbeiter soll es solche Angebote geben.

Am liebsten würde sie jedem Einzelnen beibringen, wie man gut kocht, erzählt Wiener, und beißt von einer Möhre ab. Da das aber leider nicht gehe, setze sie auf die Ausbildung von Multiplikatoren. „Das ist wie wenn man einen Samen sät und der wächst“, schwärmt sie in ihrem österreichischen Akzent. Wer Kinder kochen lasse, fördere ihre Urteilskraft für das, was für sie gut ist und was nicht. „Und das stärkt ihr Selbstbewusstsein.“ Sie habe es auch noch nie erlebt, dass Kinder ihre selbstgekochten Werke nicht gegessen hätten. „Man muss ihnen die Angst vor dem heißen Öl nehmen“, sagt sie. Kurz und gut: Wer den Unterschied zwischen glasig gedünsteten, angebratenen und verbrannten Zwiebeln aus eigenem Erleben kenne, ernähre sich bewusster und habe Spaß an gutem Essen.

An der Kindertagesstätte St. Marien in Melle werde bereits regelmäßig mit den Kindern gekocht, sagt die Leiterin der Einrichtung, Ulrike Eickmeyer. Beim gemeinsamen Werkeln an Schneidbrett und Herd gehe es nicht nur um eine gemeinsame Mahlzeit, sondern es sei generell ein Gemeinschaftserlebnis. „Da kommt auch Mathematik ins Spiel, schließlich muss man die Mengen ausrechnen. Die Kinder machen das absolut gern“, sagt sie. So gesehen sei es sinnvoll, dass die Berufsfachschulen das Thema Kochen und Ernährung in den Lehrplan aufnehmen. „Zu meiner Zeit war das noch kein Thema.“

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert das Projekt mit 125 000 Euro. Der Stiftung gehe es dabei vor allem darum, den Absatz regionaler Produkte zu unterstützen, erläutert Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Stiftung. Das sei gut für die Erhaltung der Artenvielfalt. Und es sei gut fürs Energiesparen und den Klimaschutz. So schlügen aus Übersee importierte Erdbeeren mit 1100 Gramm des Klimagases Kohlendioxid (CO2) zu Buche, bei Früchten aus der Heimat seien es nur 325 Gramm CO2.

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"Bloß keine Schockmethoden!"

Hamburger Abendblatt:

1. Sind Eltern hysterisch, die nicht möchten, dass ihre Kinder beim Töten eines Tieres zusehen wie kürzlich in Ratekau?

Sarah Wiener:

Ich halte nichts von einer Art Schockmethode, Kindern unvorbereitet irgendwelche Art von Tötungen zuzumuten. Allerdings kann auf dem Land das Schlachten der Tiere ein völlig normaler integrativer Akt des Zusammenlebens sein, so wie es dort schon immer war. Viele verstehen den Zusammenhang zwischen dem eigenen Fleischkonsum und dem Tier nicht mehr, das dafür gestorben ist. Geistige, körperliche oder seelische Gewalt, um dieses Wissen zu vermitteln, ist jedoch strikt abzulehnen.

2. Sie sind selbst einmal in die Kritik geraten, haben das Töten aber pädagogisch begründet. Was lernen Kinder dabei?

Wiener:

Das Zusehen bei einer Schlachtung war ein kleiner Aspekt eines sehr umfänglichen Ernährungssommercamps für den Sender Arte. Die Serie "Sarah und die Küchenkinder" läuft gerade wieder in der Wiederholung. In diesem geschützten und pädagogisch begleiteten Rahmen fand und finde ich es absolut richtig, 12- bis 14-jährigen Kindern zuzumuten, selber wählen zu können, ob sie einer Schlachtung beiwohnen wollen und sich Gedanken zu machen, woher unsere Lebensmittel kommen. Allein dieses Wissen macht uns zum mündigen Mitbürger.

3. Das Kaninchen ist für viele ein Kuscheltier. Sind andere Tiere vielleicht besser geeignet, um Respekt vor Lebensmitteln zu steigern?

Wiener:

Ich sehe in moralischer Hinsicht überhaupt keinen Unterschied zwischen einer Garnele, einem Schwein oder einem Kaninchen. Wollen wir dem einen Geschöpf Respekt entgegenbringen, weil es ein weiches Fell hat und dem anderen darum nicht?

4. Im Unterricht werden auch Fische seziert. Ist es verlogen, jetzt das Töten eines Kaninchens zu skandalisieren?

Wiener:

Es erklärt ganz gut unsere Zerrissenheit, das Messen mit zweierlei Maß. Hier das vermenschlichte Kuscheltierchen, dort bestialische Massentierhaltung, wo Millionen Tiere in ihrem eigenen Kot bei Dunkelhaft nicht artgerecht auf Betonböden gehalten werden. Ich bin leidenschaftliche Köchin. Meine Sympathien liegen ganz klar bei den Nutztieren. Sie haben keine breite Lobby. Auch bei unserem Kaninchen: Geht es da um das Tier oder um die Kinder?

5. Wie sehr sind Kinder und Jugendliche schon von Lebensmitteln entfremdet?

Wiener:

Ich habe Kinder kennengelernt, die hielten Tomaten für Äpfel und Karotten für Gurken. Die Botschaft muss lauten: mehr kochen!