Jever. Impfzentrum-Mitarbeiterin in Niedersachsen hatte Vakzin gegen Kochsalzlösung ausgetauscht. 9673 Impfungen betroffen.
Nach Impfungen mit Kochsalzlösungen im April im Kreis Friesland (Bundesland Niedersachsen) könnten nach Behörden-Angaben mehr Menschen als zunächst angenommen betroffen sein. „Es geht um insgesamt 8557 Menschen, die womöglich ganz oder teilweise keinen Impfschutz erhalten haben, obwohl sie davon ausgehen“, sagte Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD) bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Jever.
Die möglicherweise fehlenden Impfungen sollen nun schnellstmöglich nachgeholt werden. „Wir müssen den Schaden von diesen Menschen abwenden, auch wenn wir nicht wissen, wie viele Menschen wirklich betroffen sind“, sagte Ambrosy.
Nach polizeilichen Ermittlungen müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschuldigte in dem Zeitraum von 5. März bis 20. April bei insgesamt 9673 Impfungen auch noch weiteren Menschen Kochsalz-Lösungen verabreicht habe statt der gewünschten Impfstoffe von Biontech, Moderna und Astrazeneca, sagte der Landrat. Demnach war die Krankenschwester, die um die 40 Jahre alte sein soll, damit betraut, die Spritzen mit den Impfungen vorzubereiten. Betroffen seien vor allem Gruppen der Priorität zwei und Menschen über 70 Jahren.
Nach Kochsalzlösung-Impfung: Tausende Nachimpfungen geplant
Ende April war bekannt geworden, dass eine Mitarbeiterin eines Impfzentrums bei Schortens eingeräumt, sechs Spritzen statt mit dem Biontech-Impfstoff mit Kochsalzlösung gefüllt zu haben. Ihr soll zuvor beim Anmischen ein Fläschchen mit dem Vakzin heruntergefallen sein, was sie anschließend vertuschen wollte. Danach wurde der Impfschutz von mehr als 100 Menschen, die an diesem Tag geimpft wurden, zunächst mit Antikörpertests überprüft. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seitdem in dem Fall.
Die zusätzlichen Impfungen, auch wenn es die dritte oder gar vierte Impfung ist, seien nach Rücksprachen mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und der Ständigen Impfkommission (STIKO) medizinisch unbedenklich, sagte der Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz. Die Nebenwirkungen könnten dann aber so ausfallen wie bei einer zweiten Impfung - „vielleicht etwas ausgeprägter“, sagte Pulz. „Aber es sind auf der Stelle dann zu erwartende Nebenwirkungen und nicht ungewöhnliche Komplikationen.“
Kochsalz statt Biontech: Mitarbeiterin schweigt
Wie der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, Peter Beer, bei der Pressekonferenz sagte, habe es bei Zeugenvernehmungen von Mitte bis Ende Juni konkrete Hinweise auf weitere Fälle gegeben. Details nannte Beer nicht. Auch über das mögliche Motiv machte die Polizei keine weiteren Angaben. Bislang gehen die Ermittler von einer Vertuschungstat aus.
Beer bestätigte aber bereits bekannt gewordene Berichte, wonach die Beschuldigte vor dem 21. April in einem sozialen Netzwerk Beiträge teilte, in denen Corona-Maßnahmen der Regierung kritisiert wurden. Zudem habe die Frau über einen Chat „corona-kritische Informationen“ verteilt, sagte Beer. „Das ist aber alles, was wir bisher im Rahmen der Ermittlungen festgestellt haben.“ Die Frau schweigt laut Polizei zu dem Geschehen.
Der Leiter des niedersächsischen Corona-Krisenstabs, Heiger Scholz, sagte, die Ermittlungen hätten ergeben, dass die Einlassung der Frau damals „wohl nicht richtig war.“ Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass die Beschuldigte „in großem Umfang Kochsalzlösung verimpft hat als Impfgegnerin“, sagte Scholz. „Das ist schon ziemlich perfide, sich in ein Impfzentrum zu schleichen mit dem einem Vorsatz so etwas zu tun und dann den Menschen, die ja auf eine Impfung und den Schutz der Impfung hoffen, in der Weise zu hintergehen, zu täuschen. Da fällt einem ganz wenig dazu ein.“