Schortens. Beschäftigte spritzte in sechs Fällen in Niedersachsen Kochsalzlösung statt Impfstoff. Nun wurden Ermittlungen gegen sie eingeleitet.
Eine Mitarbeiterin des Impfzentrums Friesland hat eingeräumt, sechs Spritzen statt mit Biontech-Impfstoff nur mit Kochsalzlösung gefüllt zu haben. Nach Behördenangaben war ihr beim Anmischen des Vakzins ein Fläschchen mit Biontech heruntergefallen, was sie vertuschen wollte. Für die sechs Betroffenen besteht nach Behördenangaben keine Gesundheitsgefährdung. Die Kochsalzlösung diene zum Verdünnen des eigentlichen Impfstoffes und sei als Substanz unschädlich, sagte am Sonntag der Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz.
Frieslands Landrat Sven Ambrosy (SPD) sagte, der Fall sei für ihn zutiefst schockierend. Nach dem Bekanntwerden am Sonnabend sei sofort das Vier-Augen-Prinzip eingeführt worden. „Niemand wird mehr mit einem Impfstoff allein gelassen, dass solche Vertuschungen nicht mehr möglich sind.“ Die Beschuldigte ist examiniere Krankenschwester im Alter von etwa 40 Jahren und war beim DRK-Kreisverband Jeverland angestellt. Nach DRK-Angaben ist ihre Kündigung auf dem Weg. Die Polizei nahm in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Oldenburg Ermittlungen wegen eines möglichen Körperverletzungsdelikts auf.
Kochsalzlösung statt Biontech: Polizei geht von Einzelfall aus
Die Frau hatte am Sonnabend einer Kollegin im Vertrauen von dem drei Tage zurückliegenden Vorfall erzählt. Sie war in der Frühschicht für das Vorbereiten der Spritzen zuständig, impfte aber nicht selbst. Die Kollegin informierte sofort ihre Vorgesetzten. Die Beschuldigte habe vollständig ausgesagt, sagte der Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, Heiko von Deetzen. „Sie wirkte sehr authentisch und sehr betroffen.“ Die Ermittler gehen derzeit von einem Einzelfall aus.
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„Ich bin fassungslos und erschüttert über die Handlungen dieser Frau. Es handelt sich um ein schweres Vergehen“, sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). Das Land unterstütze den Landkreis bei der Aufklärung. Der Leiter des Impfzentrums Friesland, Uwe Nitsche, geht davon aus, dass der Beschuldigten am Mittwoch kurz vor 8.00 Uhr die Ampulle herunterfiel. Um sicherzugehen, sollen alle 200 Personen, die am 21. April bis 13.00 Uhr geimpft wurden, einen Antigentest erhalten. Mit dem Antigentest am 5. Mai kann geklärt werden, wer kein Biontech erhielt und bei wem die Impfung deshalb am 12. Mai nachgeholt werden muss.
Keine Meldepflicht, wenn Ampullen mit Impfstoff herunterfallen
Das Impfzentrum Friesland befindet sich in einer ehemaligen Schule in Roffhausen, das zur Gemeinde Schortens gehört. Wenn die Frau ihr Missgeschick sofort gemeldet hätte, wäre dies kein Problem gewesen, betonte Nitsche. Es hätten keine Impfberechtigte nach Hause geschickt werden müssen, weil es immer kurzfristige Stornierungen gebe.
„Grundsätzlich gehen die Impfzentren sehr verantwortungsbewusst mit den Impfstoffen um“, sagte die Sprecherin des Gesundheitsministerium, Stefanie Geisler. Sie seien an hohe Auflagen und Qualitätsstandards gebunden. Besondere Vorkommnisse müssten dem Land gemeldet werden. Es gebe aber keine Meldepflicht, wenn Ampullen mit Impfstoff herunterfallen oder zerbrechen. „Wir werden diesen Vorfall noch einmal zum Anlass nehmen und mit den Impfzentren die Prozesse, auch mit dem besonderen Hinweis auf das Vier-Augen-Prinzip in der Anmischung der Impfstoffe, durchleuchten“, sagte die Sprecherin.
Diese Corona-Impfstoffe sind in Deutschland zugelassen
- Biontech/Pfizer: Der erste weltweit zugelassene Impfstoff gegen das Coronavirus wurde maßgeblich in Deutschland entwickelt. Der mRNA-Impfstoff, der unter dem Namen Comirnaty vertrieben wird, entwickelt den vollen Impfschutz nach zwei Dosen und ist für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat er eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent – das heißt, die Wahrscheinlichkeit, schwer an Covid-19 zu erkranken, sinkt bei Geimpften um den genannten Wert. Ebenfalls von Biontech stammt der erste für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren zugelassene Impfstoff in Deutschland.
- Astrazeneca: Der Vektorimpfstoff des britischen Pharmaunternehmens wird unter dem Namen Vaxzevria vertrieben. Aufgrund von seltenen schweren Nebenwirkungen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko), den Impfstoff nur für Patienten zu verwenden, die älter als 60 Jahre sind. Offiziell zugelassen ist der Impfstoff aber für Menschen ab 18 Jahren. Vaxzevria weist laut BMG nach zwei Impfdosen eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen auf.
- Moderna: Der von dem US-Unternehmen entwickelte mRNA-Impfstoff mit dem Vertriebsnamen Spikevax ist für alle ab 12 Jahren zugelassen, die Stiko empfiehlt aufgrund eines erhöhten Risikos schwerer Nebenwirkungen aber, ihn auf die Altersgruppe der über 30-Jährigen zu beschränken. Der Moderna-Impfstoff hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent in Bezug auf schwere Erkrankungen, wenn der volle Impfschutz nach zwei Impfdosen erreicht worden ist.
- Johnson&Johnson: Das US-Unternehmen hat einen Vektorimpfstoff entwickelt, der bereits nach einer Impfdosis Schutz vor dem Coronavirus entwickelt. Er wird unter dem Namen Covid-19 Vaccine Janssen vertrieben. Das Präparat hat laut BMG eine Wirksamkeit von bis zu 70 Prozent bezogen auf schwere Erkrankungen – zudem ist die Zahl der Impfdurchbrüche im Vergleich zu den anderen Impfstoffen erhöht, daher empfiehlt die Stiko für mit Johnson&Johnson Geimpfte schon nach vier Wochen eine zusätzliche Impfdosis mit Comirnaty oder Spikevax, um den vollständigen Impfschutz zu gewährleisten.
- Novavax: Das US-Unternehmen hat den Impfstoff Nuvaxovid entwickelt. der mitunter zu den sogenannten Totimpfstoffen gezählt wird. Er enthält das Spike-Protein des Covid-19-Erregers Sars-CoV-2. Dabei handelt es sich aber genau genommen nicht um abgetötete Virusbestandteile, die direkt aus dem Coronavirus gewonnen werden. Das Protein wird stattdessen künstlich hergestellt. Das menschliche Immunsystem bildet nach der Impfung Antikörper gegen das Protein. Der Impfstoff wird vermutlich ab Ende Februar in Deutschland eingesetzt und soll laut BMG in bis zu 90 Prozent der Fälle vor Erkrankung schützen.
- Weitere Impfstoffe sind in der Entwicklung: Weltweit befinden sich diverse Vakzine in verschiedenen Phasen der Zulassung. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA prüft derzeit das umstrittene russische Präparat Sputnik V sowie die Impfstoffe der Hersteller Sinovac, Sanofi und Valneva. Der deutsche Hersteller CureVac hat seinen Impfstoff vorerst aus dem Zulassungsverfahren zurückgezogen.