Buxtehude. Abendblatt-Reporter Maximilian Bronner rast mit Rallycrosspilot Andreas Steffen im neuen Pantera RX6 über den Estering in Buxtehude.
„Du kannst schon mal einsteigen“, sagt Andreas Steffen und deutet auf den Beifahrersitz des Pantera RX6. 537 Pferdestärken leistet das Rallycross-Supercar, in knapp drei Sekunden schießt das Auto von Null auf 100 Stundenkilometer. Grund genug, um vor der Fahrt eine allgemeine Verzichtserklärung unterschreiben zu müssen.
Mit Sturmhaube und Rennhelm zwänge ich mich unter den Flügeltüren hindurch auf den Beifahrersitz, die massiven Streben des Überrollkäfigs machen bereits den Einstieg zum Abenteuer. Komfort? Fehlanzeige! Klimaanlage? Natürlich nicht vorhanden! Schnell merkt man, dass dieses Rallycross-Auto ein reiner Rennsportwagen ist.
Um Gewicht zu sparen, ist insbesondere der Innenraum auf das Nötigste beschränkt. Sitz, Lenkrad, Handbremse, Schaltknüppel, Brems- und natürlich Gaspedal. Mehr braucht das speziell für die neue Rennserie Titans RX entwickelte Rallycross-Auto nicht.
Während ein Mechaniker meinen Vier-Punkt-Gurt befestigt, nimmt auch Andreas Steffen im Auto Platz. Der Vorsitzende des Automobilclubs Niederelbe (ACN) wird beim Grand Final der neuen Titans-Serie im Oktober auf dem Estering starten. Vorab präsentierte er den Motorsportfans im Rahmen der Belgischen Meisterschaft das neue Auto.
„Keine Angst, wenn ich den Gurt festziehe. Du bekommst schon noch Luft“, sagt der Mechaniker und fixiert mich im Schalensitz, so dass ich meinen Oberkörper kaum mehr bewegen kann. „Das wird schon alles für meine Sicherheit sein“, denke ich, während mich der Gurt immer weiter in den Sitz zu pressen scheint. Airbags gibt es nicht. Umso wichtiger erscheint mir der Sicherheitsgurt.
Von Null auf 100 Sachen in weniger als drei Sekunden
Die Tür geht zu, der Motor startet. Für wichtige Gespräche ist es nun zu spät, bereits im Leerlauf dröhnt der Motor unaufhörlich, das gesamte Auto vibriert. Je länger wir auf die Streckenfreigabe warten, desto heißer wird es im Auto. Endlich gibt der Streckenposten den 952 Meter langen Rundkurs frei, Andreas Steffen tritt auf das Gaspedal. Der Motor lärmt, die Beschleunigungskraft drückt mich nochmal tiefer in die Sitzschale.
In weniger als drei Sekunden haben wir die 100 Stundenkilometer erreicht, die Strecke geht vom Asphalt-Belag zur Schotterpiste über. Mit der Handbremse prügelt Steffen den Pantera driftend um die erste Spitzkehre. Zeit zum Durchatmen bleibt nicht, auf der folgenden, nur wenige Meter breiten Schotter-Geraden jagt der ACN-Vorsitzende das Auto mit bis zu 180 Stundenkilometern über die staubigen Bodenwellen, um wenige Sekunden später den nächsten Drift anzusetzen.
Mit der Handbremse driftet Andreas Steffen durch die letzte Kurve
Der Estering ist Steffens Heimstrecke, kaum einer kennt sich hier so gut aus wie der Buxtehuder. Während er mit der rechten Hand die Gänge schaltet, lenkt er mit der linken präzise um die nächste Links-Rechts-Kombination. „Der muss doch jetzt mal bremsen“, denke ich vor der letzten Kurve. Doch Steffen tritt nur umso stärker aufs Gaspedal, um daraufhin mit einem kurzen Reißen an der Handbremse den Drift um die Kurve einzuleiten. Mit quietschenden Reifen biegen wir auf die Start-Ziel-Gerade ein, hinter uns eine riesige Staubwolke.
„Das waren jetzt maximal 75 Prozent. Im Rennen muss man natürlich noch mehr an die Grenzen gehen“, sagt Andreas Steffen, als er aus dem Auto aussteigt. Entspannt trinkt der Rallycross-Pilot etwas Wasser, während ich nassgeschwitzt aus dem Überrollkäfig klettere.
Der Pantera RX6 ist das Einheitsauto der neuen Rennserie
Neben der Präsentation des Pantera RX6 startete die internationale Konkurrenz in der offenen Belgischen Rallycross-Meisterschaft (BORA). Auch einige Gastfahrer, die normalerweise in der Rallycross-Europameisterschaft starten, nutzten die Möglichkeit, auf dem Estering unter Wettkampfbedingungen zu testen. Am Sonnabend und Sonntag, 17. und 18. August, gastiert die FIA Rallycross-Europameisterschaft in der Estestadt.
Ganz andere Ziele verfolgte der Buxtehuder Rallycross-Fahrer Ralph Wilhelm. Der 60-Jährige startete mit seinem 235 PS starken Renault Clio in der Fahrzeugklasse der Supernationals (bis 2000 Kubikzentimeter). „Mir geht es einfach darum, heil durchzukommen und Spaß zu haben“, sagt Wilhelm. Gemeinsam mit seinem Bruder betreibt er hauptberuflich ein Autohaus in Buxtehude. Normalerweise startet Wilhelm in der Deutschen Rallycross-Meisterschaft (DRX). Aufgrund von Differenzen zwischen dem ACN und der DRX findet in diesem Jahr aber kein DM-Lauf auf dem Estering statt, so dass Wilhelm kurzerhand in der Belgischen Meisterschaft startete.
Ralph Wilhelm aus Buxtehude fährt bei den Supernationals
Der Motorsport ist für ihn nur ein kostspieliges Hobby. „Mein Auto habe ich fast komplett selber zusammengeschraubt. Da muss man schon viele Spezialteile kaufen“, erklärt er. In dieser Saison startet der Buxtehuder bei fünf Läufen zur Deutschen Meisterschaft. „Ohne großen Unfall muss man mit Kosten von etwa 10.000 Euro pro Saison rechnen“, sagt Wilhelm. Und wenn doch etwas passiert? „Natürlich landet man auch hin und wieder auf dem Dach. Das ist aber nun mal so. Wir versuchen dann eben, das Auto wieder zu reparieren“, gibt sich Ralph Wilhelm pragmatisch.
Eine Rallycrosssaison kostet etwa 10.000 Euro – ohne Unfall
Seit mehr als 40 Jahren fährt der Autohausbesitzer Rallycross. „Als ich 1977 angefangen habe, konnte man auf dem Estering nach Feierabend noch ein paar Runden fahren“, erinnert sich Wilhelm. Das ist heutzutage nicht mehr möglich. Am Sonntag kam der Buxtehuder bei den Supernationals nicht über das Halbfinale hinaus. Nach einem guten Start drehte ihn ein Konkurrent im Kampf um die vorderen Plätze. Wilhelm musste seinen beschädigten Renault Clio abstellen und schied aus. Am kommenden Wochenende geht es für ihn zum DRX-Lauf auf den Gründautalring in Hessen – falls er sein Auto bis dahin wieder flott bekommt.
Siegerin in Wilhelms Klasse wird die Norwegerin Camilla Antonsen
Den Sieg in Ralph Wilhelms Klasse holte die Norwegerin Camilla Antonsen im Audi S1. In der Klasse der größeren Supernationals, denen mit mehr als 2000 ccm, siegte der belgische Volvo-S40-Pilot Maris Luc. In der stärksten Klasse, den sogenannten „Super 1600“ gewann Pavel Vimmer aus Tschechien, der mit seinem Skoda Fabia normalerweise in der Europameisterschaft startet.