Soltau . Pünktlich zu Ostern heißt es im Heide Park Soltau Resort: Freie Fahrt für „Colossos“ – Europas höchste und schnellste Holzachterbahn.
Morgens, 10 Uhr, Heide Park Soltau. Die Sonne blinzelt über zartgrüne Baumwipfel. Während sich die Menschen in der norddeutsche Tiefebene für gewöhnlich mit einer Tasse heißem Kaffee auf Tour bringen, sind die ersten Besucher im Freizeitpark schon hellwach: Spitze Schreie gellen vom Freifallturm „Scream“. Eine ringförmige Menschentraube befindet sich im freien Fall aus gut 70 Metern Höhe von der Plattform des ehemaligen Aussichtsturms. Kontrolliert, versteht sich.
Einen Steinwurf entfernt lehnt Bastian Lampe lässig an einem Geländer. Den jungen Mann mit dem weißen Bauhelm und den schmalen Brillengläsern kann das nicht erschüttern. Der technische Leiter Fahrgeschäfte des Vergnügungsparks interessiert sich für größere Dinge. Die Wiedereröffnung von „Colossos“, die höchste und schnellste Holzachterbahn Europas und Herzstück des Parks, steht unmittelbar bevor.
„Colossos“ wurde in zig Testfahrten überprüft
Scheinbar beiläufig schaut der Ingenieur auf den Gipfel von „Colossos“. Ganz oben, in gut 60 Metern Höhe, ist ein kleiner schwarzer Punkt zu erkennen. Es ist einer der vier TÜV-Spezialisten aus München, die seit einigen Tagen auf dem Gelände herumwuseln und „Colossos“ in unzähligen Fahrten im Testbetrieb überprüfen. Der Mann in luftiger Höhe ist mit einem Seil gesichert.
Ein Wagen mit 14 „Passagieren“ an Bord wird vor seinen Füßen die steile Rampe emporgezogen. Anstelle von Menschen sitzen jeweils zwei mit Wasser gefüllte Kunststoff-Dummys nebeneinander. Sicher ist sicher. Dann jagt der Waggon zu dramatischer Musik mit bis zu Tempo 120 über steile Kurven, Höhen und Tiefen und das wellenförmige, gigantische Holzgewirr durch den weitläufigen Park.
Drei Jahre stand „Colossos“ still
Ein Fauchen, greller Feuerschein, Rauchsignale – plötzlich endet die Schiene, der Wagen rast scheinbar ins Nichts. Nach dem ultimativen Höhepunkt ist das wilde Spektakel nach zweieinhalb Minuten vorbei. Die Dummys sitzen stumm auf ihren Sitzen. Sie sind geschüttelt, nicht gerührt. Wenn Menschen aus Fleisch und Blut ihre Plätze einnehmen, dürfte das anders sein.
Bastian Lampe lächelt zufrieden. „Na, Sie interessieren sich für unser neues Kinderkarussell?“ fragt der Ingenieur und beginnt, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Drei Jahre stand „Colossos“ still. 15 Jahre Dauerbetrieb hatten der weltweit bekannten Achterbahn im Heide Park stark zugesetzt. „Bei der Notreparatur einer einzelnen Schiene wurde das gesamte Ausmaß der Schäden sichtbar“, sagt Lampe.
Modernisierung hat zwölf Millionen Euro gekostet
Angesichts der zu erwartenden hohen Instandsetzungskosten sei es äußerst fraglich gewesen, ob „Colossos“ jemals wieder starten würde. Doch dank massiver Proteste gegen eine endgültige Schließung und nach intensiver Marktforschung entschloss sich der Betreiber schließlich, die bei den Besuchern so beliebte Bahn wieder flott zu machen.
„Colossos“ im Heide Park
„Colossos“ im Heide Park
Zwölf Millionen Euro hat die Modernisierung gekostet – in etwa so viel wie ein Neubau. Alle 320 Stahlschienen der 1,5 Kilometer langen Strecke wurden erneuert und von Zimmerleuten mit rund 10.000 Schrauben fest in der hölzernen Unterkonstruktion verankert. Zusätzlich wurden 300 „Ledger“ verbaut. „Die Konstruktion besteht aus Kerto-Hölzern. Das sind gefräste, millimeterdünne Furniere, die erst druckimprägniert und dann fest verleimt werden“, sagt der Ingenieur. Das Resultat: höchste Stabilität und Langlebigkeit des Kiefernholzes. Erst vor wenigen Tagen montierte die Hamburger Firma RCS die letzte Schiene in das Passfeld 5 am sogenannten Airtime-Hügel, „die Ikone des Heide Parks“, wie es Heide Park-PR-Managerin Svenja Heuer nennt.
Star der Achterbahn ist die Fantasy-Figur „Big Bastian“
An der Aussichtsplattform verfolgen Besucher den Testbetrieb. Eine gigantische Fantasy-Figur mit aufgerissenem Mund und brachialem Gehörn thront über der Fahrstrecke. Die Figur ist nagelneu und das Highlight der neu erschaffenen Themenwelt „Kampf der Giganten“, mit der die rustikale Achterbahn noch spannender und attraktiver gemacht werden soll. „Big Bastian“, so heißt die Fantasy-Figur, ist gut 25 Meter hoch.
„Er wiegt über 50 Tonnen und ist aus Beton“, sagt Svenja Heuer. Ein weiterer Waggon bahnt sich den Weg durch die Parklandschaft, die an die Filmkulisse des Steven-Spielberg-Klassikers „Jurassic Park“ erinnert. „Drei, zwei, eins!“ Lampe zählt die Sekunden, bis ein riesiger Feuerball in den Himmel schießt, als der Dummy-Waggon „Big Bastian“ passiert. Ein mächtiges Grollen übertönt für einen Augenblick den von der Firma Imascore aus Paderborn eigens für die Bahn komponierten Soundtrack auf dem Gelände. Lampe nickt. „Das Timing stimmt.“
TÜV-Prüfer haben die Konstruktion freigegeben
Marco Werner aus Oyten schaut fasziniert auf die Dummys und das Gewirr aus Tausenden Kiefernholzplanken, die die Bahn stützen. Der Familienvater ist mit seiner Frau Nicole und den Kindern Mina und Mick frühmorgens aus der Nähe von Bremen angereist und kann es kaum erwarten, in die modernisierte Bahn einzusteigen. Den Heide Park kennt Werner „schon von Kindesbeinen an“, wie er sagt. Und er ist einer der ersten Fans von „Big Bastian“. „Sieht doch großartig aus“, sagt der junge Familienvater, als sich eine Wasserdampfwolke über der mächtigen Skulptur erhebt. „Und der Sound stimmt auch.“
Inzwischen hat die Bahn sämtliche Sicherheitsprüfungen und Notstopps der vergangen Wochen ohne Beanstandungen hinter sich gebracht. Die TÜV-Prüfer sind zufrieden. Karfreitag gaben sie grünes Licht. Ab sofort heißt es damit endlich wieder: Bahn frei für „Colossos“.
Ist es aber nicht dennoch gefährlich, sich in die offenen Wagen zu setzen und durch die Kurven zu sausen? Lampe schüttelt den Kopf. „Diese Bahn ist sicherer als ein Flugzeug. Die Fahrgäste werden mit Bügeln fest an den Sitzen fixiert“, sagt der Ingenieur und fügt hinzu: „Wenn Sie mit dem Auto anreisen, haben sie praktisch den gefährlichsten Teil des Parkbesuches hinter sich.“
10.000 Besucher am Tag
Das Heide Park Resort ist mit 850.000 Quadratmetern der zweitgrößte Themen- und Freizeitpark Deutschlands. Mit 40 Fahrgeschäften und zahlreichen weiteren Attraktionen zählt es zu den beliebtesten Freizeitparks.
Täglich besuchen mehr als 10.000 Gäste den Park. Die meisten Besucher kommen aus einem Umkreis von 200 Kilometern – viele auch von weit darüber hinaus.
Die Holzachterbahn „Colossos“ wurde erstmals 2001 eröffnet. Vier TÜV-Prüfer haben die Bahn vor der Wiederöffnung überprüft. Zwei Zimmermänner kümmern sich ständig um „Colossos.“ Mitfahren dürfen Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahre.
Den Soundtrack für „Colossos“ hat die Firma Imascore aus Paderborn komponiert. Sie hat auch Disney-Produktionen wie „König der Löwen“ musikalisch unterlegt.
Preisbeispiele: Der Eintritt kostet ab 34,50 Euro pro Person (Online-Buchung) und 47,50 Euro an der Tageskasse. Ein Saisonpass (180 Tage) kostet 49 Euro – gilt aber nicht an vielen Ausschlusstagen. Ein Jahrespass kostet 80 Euro (online) und gewährt zudem freien Eintritt in 14 weitere Attraktionen wie das „Sea Life“ in Timmendorf
Nähere Informationen unter www.heidepark.de.