Hannover. Tierschützer schockieren mit heimlich aufgenommenen Horror-Videos aus niedersächsischen Schlachthöfen. Behörden versprechen Änderungen.
"Vom Anhänger bis zum Haken": Die Fraktionen von CDU und Grünen thematisieren an diesem Dienstag im niedersächsischen Landtag Missstände in Schlachthöfen des Landes. Aus einem Betrieb in Oldenburg hatte der Verein Deutsches Tierschutzbüro mit versteckter Kamera aufgenommene Videos gezeigt. Der Vorwurf: Rinder würden unzureichend und nicht fachgerecht betäubt, abgestochen und bei Bewusstsein getötet. Die Parlamentsdebatte fällt zusammen mit der Eröffnung der nach Veranstaltergaben weltgrößten Nutztiermesse, der "Eurotier 2018" in Hannover. Auch bei ihr wird das Thema Tierwohl eine große Rolle spielen. Das wirft Fragen nach dem Stand der Überwachung auf:
Welche Verantwortlichkeiten gibt es bei den Kontrollen?
Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) prüft die Einhaltung der Kriterien für die EU-Zulassung der 333 Schlachthöfe im Lande. Vor der Schlachtung etwa müssen zudem die Tiere selbst untersucht werden, danach findet eine Überprüfung des Fleisches und der Hygienebedingungen statt. Kritiker rügen jedoch, der Staat habe dabei die Kontrolle verloren. Auch das Agrarministerium räumt den Bedarf neuer Kontrollmechanismen ein. "Offensichtlich hat sich da über viele Jahre ein System etabliert, das nicht ausreichend kontrolliert worden ist", meint der CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer, der die Abläufe zum Schwerpunktthema seiner Partei in dieser Legislaturperiode machen will.
Kann eine verpflichtende Videoüberwachung die Lösung sein?
Eine rechtliche Grundlage für die kontinuierliche Videoüberwachung gibt es bisher noch nicht. Sie stößt auf Hürden des Datenschutzes - etwa, wenn Mitarbeiter drauf zu sehen sind. In Einzelfällen gab es aber bereits freiwillige Betriebsvereinbarungen mit der Belegschaft.
Reicht die freiwillige Videoüberwachung aus?
Aus Sicht der Kritiker würde der Bock zum Gärtner gemacht, sollten Schlachthöfe ihre Anlagen per Video selber überwachen. Die Grünen fordern daher, dass die Behörden dafür sorgen müssen und eine sachgerechte Bewertung nur durch amtliche Veterinäre stattfindet.
Gibt es genügend Veterinäre in den Ämtern?
Das Agrarministerium gibt zu, dass die Zahl der Amtstierärzte nicht optimal ist. Es hat daher sechs zusätzliche Stellen für Referendare bewilligt und lässt eine Art Rotationsprinzip prüfen. Zudem soll das neue Berufsbild des Veterinärassistenten die Arbeit der Veterinäre erleichtern. Die Ausbildung soll voraussichtlich 2019 beginnen. Die Linken fordern jedoch deutlich mehr Personal für die Veterinärämter, um in ausreichendem Maße Tierschutzkontrollen durchzuführen und etwaige Missstände aufzudecken oder gar zu verhindern.
Wie regelmäßig wird kontrolliert?
Unangemeldete Kontrollen sollen die Regel sein, stoßen in der Praxis laut Agrarministerium mitunter aber auf Hürden. Sie scheitern mitunter daran, dass das Auftauchen der Veterinäre nicht unbemerkt bleibt. Einige Veterinäre schauen zudem auch mal weg. Im Fall des inzwischen aufgelösten Schlachthofs in Bad Iburg (Kreis Osnabrück) hält das Agrarministerium das für offenkundig. In Oldenburg müssen drei städtische
Veterinäre Auskunft über ihr Verhalten auf dem Schlachthof geben. Es handle sich aber um Einzelfälle. Vor allem kleinere und mittelgroße Schlachthöfe vergeben zudem oft Aufträge an Subunternehmen, deren oft schlecht angelernte Werkvertragsarbeiter - meist aus Osteuropa - unter hohem Leistungsdruck arbeiten.
Gibt es auch kritische Stimmen gegen heimlich gedrehte Videos?
Ja. Die Agrarbranche fordert härtere Strafen für Stalleinbrüche, bei denen Aktivisten mögliche Missstände dokumentieren wollen. Auch die FDP befeuert die Debatte mit dem Antrag, die steuerlich vorteilhafte Gemeinnützigkeit von Tierschutzorganisationen zu überprüfen, wenn diese heimlich gedrehte Aufnahmen aus Ställen veröffentlichen.
Wie sehen die Perspektiven aus?
Die Praktiken der Schlachthöfe haben sich seit Jahrzehnten kaum geändert. Kritiker fordern daher den Einsatz moderner Technik, um das Schlachten effektiver zu machen. Sie warnen allerdings auch, dass Qualitätssteigerungen beim Tierwohl durchaus ihren Preis haben.