Gorleben . 60 Vermummte schüchterten den Beamten und seine Familie ein. Boris Pistorius: “Unfassbare Grenzüberschreitung.“
Nach einer friedlichen Demonstration in Gorleben (Landkreis Lüchow-Dannenberg) sind nach Polizeiangaben rund 60 teils Vermummte vor dem Haus eines Polizisten aufgetaucht. Dort sollen sie am Freitagabend versucht haben, die Familie einzuschüchtern. Wie ein Polizeisprecher sagte, blieben zwei Männer nach dem Vorfall nahe Hitzacker am Sonnabend noch in Gewahrsam, weil sie zu Straftaten aufgerufen haben sollen. Eine Frau, die in der Nacht wegen Widerstands gegen Polizeibeamte ebenfalls festgenommen worden war, wurde ihm zufolge am Morgen entlassen.
Nach Polizeiangaben hatten etliche der teils vermummten Personen zuvor an der Demonstration mit rund 2000 Teilnehmern teilgenommen. Dem Sprecher zufolge findet sie traditionell am Freitag vor Pfingsten an den atomaren Anlagen in Gorleben statt. Nach der Demonstration sollen die Personen aus der linken Szene vor dem Haus des Polizisten Banner angebracht und lautstark gerufen haben. Nach dem Eintreffen der Beamten kam es laut dem Bericht der Polizei zu „Handgreiflichkeiten und Widerstandshandlungen“. Die Polizei erteilte Platzverweise und nahm mutmaßliche Täter in Gewahrsam. In Absprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft seien Strafverfahren unter anderem wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch und Bedrohung eingeleitet worden.
Innenminister: Das können wir nicht hinnehmen
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) reagierte entsetzt auf den Vorfall. "Das ist eine unfassbare Grenzüberschreitung dieser Gruppe. Ich hoffe, dass möglichst viele dieser Personen schnell ermittelt und für diese Tat bestraft werden", schreibt Pistorius auf seiner Facebook-Seite. "Wenn der Name und die Adresse dieses Beamten aus Hitzacker auf einschlägigen Seiten der linksautonomen Szene veröffentlicht werden und er dann zuhause mit seiner Familie Opfer einer solchen Bedrohungslage wird, können wir das nicht hinnehmen und müssen reagieren."
Nach Angaben der Elbe-Jeetzel-Zeitung gehörten einige Angreifer zum Umfeld eines autonomen Tagungshauses und Gasthofes in Meuchefitz. Eine 80-köpfige Spezialeinheit der Polizei hatte dort Mitte Februar ein am Gasthof angebrachtes Transparent beschlagnahmt, weil darauf die Flagge der YPG, einer kurdischen Miliz, abgebildet war. Die umstrittene Polizeiaktion hatte zu einer Protestkundgebung in Lüchow geführt. Der Polizist, gegen den sich der Angriff am Freitag richtete, soll laut Zeitungsbericht im Rahmen seiner Tätigkeit in der Abteilung Staatsschutz an dem Einsatz in Meuchefitz beteiligt gewesen sein. Auf einer linksautonomen Internetseite, auf der sich auch Slogans wie „Hasst die Polizei“ finden, waren der Name des Polizeibeamten und seine Wohnanschrift veröffentlicht worden.
Polizeigewerkschaft übt scharfe Kritik
„Dieser Angriff zeigt deutlich, wie weit mittlerweile die Gewalttaten gegen Polizeibeamte vorangeschritten sind und dass es Gruppen in dieser Bevölkerung gibt, die überhaupt keine Skrupel mehr haben, gegen Polizisten auch persönlich vorzugehen“, sagte der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Alexander Zimbehl. Die Veröffentlichung von Namen und Privatadressen, verbunden mit dem Aufruf zur Gewalt auf linksradikalen Internetseiten, habe in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. „Nun erleben wir zweifelsfrei eine neue Dimension, die man nur noch als verabscheuungswürdig bezeichnen kann“, sagte er. Zimbehl forderte erneut „eine eindeutige Reaktion seitens der Politik“.