Cuxhaven . Die „Glory Amsterdam“ liegt mit Schweröl an Bord vor der Insel Langeoog fest und kann bis auf weiteres nicht freigeschleppt werden.

Gut sichtbar vor dem Strand von Langeoog kämpft die 22köpfige Besatzung der „Glory Amsterdam“ um ihr Schiff. Seit Sonntag liegt der 225 Meter lange Schüttgutfrachter quer zum Strand auf der 2 Kilometer entfernten Sandbank. Wind und Strömung drücken es auf den Strand und wühlen den Ozeanriesen immer tiefer in den Schlick.

Am Montag sagten Havariekommando und Bergungsunternehmen die geplante Bergung ab. Bis einschließlich Donnerstag soll kein Versuch mehr gestartet werden, das im Nationalpark Wattenmeer havarierte Schiff bei Hochwasser freizuschleppen. Es hat 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinediesel an Bord.

Stärkere Schlepper und längere Leinen angefordert

„Das Wasser ist zu flach, und die Schlepper sind nicht stark genug“, befanden die Experten. „Außerdem muss das Schiff leichter werden“, sagte Hans-Werner Monsees, Leiter des Havariekommandos. Jetzt wurden erst mal stärkere Schlepper und längere Leinen angefordert. Bis zum Wochenende soll das Schiff freikommen.

Die Besatzung sei wohlauf, die Stimmung den Umständen entsprechend erträglich. Ein eingeflogener Techniker der Reederei versuche seit Montag, die Ruderanlage zu reparieren. Bislang ohne Erfolg.

Umweltschützer befürchten eine Ölpest

Der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) hat sich vor Ort über die Lage informiert und die Bergungsplanung gelobt. Es säßen die richtigen Fachleute an einem Tisch. Fischer und Naturschützer aber sind in Sorge. Denn das unter panamaischer Flagge laufende Schiff der Reedererei „Glory Ships S“ aus Singapur könnte Leck schlagen oder sogar durchbrechen. Eine Ölpest im rund eine Million Hektar großen Nationalpark würde die Fanggründe auf Monate verseuchen und der Natur auch langfristig schwer schaden.

Jeden Herbst und im Frühjahr rasten rund zehn Millionen Watvögel, Enten und Gänse in der Wasserlandschaft aus Watt, Sandbänken und Prielen, Dünen und Salzwiesen. Auf dem Weg in ihre Brut- und Überwinterungsgebiete nutzen die Vögel den durch Ebbe und Flut „gedeckten Tisch“ im Wattenmeer zum Kraft tanken.

WWF fordert Verbot von Schweröl als Treibstoff

Der World Wildlife Fund (WWF) erneuerte seine Forderung nach einem weltweiten Verbot von Schweröl als Treibstoff für Schiffe. „Das Öl ist praktisch Sondermüll, ein hochgiftiger Reststoff aus Raffinerien. Er gehört nicht aufs Meer“, sagte WWF-Sprecherin Wiebke Elbe.

Derzeit wird das Schiff aus der Luft überwacht, um gegebenenfalls Leckagen und Ölaustritte umgehend feststellen und bekämpfen zu können. Fachleute haben das Schiff auch an Bord untersucht und gaben Entwarnung. Es sei in der Struktur bis auf die Ruderanlage unbeschädigt. Vier Spezialisten des Bergungsteams bleiben an Bord. Außerdem befinden sich mehrere Schiffe in der Nähe des Havaristen. Sie können eingreifen, falls es die Lage erfordern sollte.

Umweltminister fordert mehr Sicherheit

Minister Wenzel bescheinigte dem Krisenmanagement von Havariekommando und Bergungsunternehmen zwar gute Arbeit. Aber auch er forderte schärfere Sicherheitsvorschriften für die Lagertanks der Schiffe, die Bauvorschriften und die Ruderanlagen.

Gestern Abend wurde der neue, stark überarbeitete Bergungsplan bekannt gegeben. Demnach sollen die rund 20.000 Tonnen Ballastwasser aus dem Schiff abgepumpt werden, um es zu leichtern. Das Schweröl und der Marinediesel sollen auf dem Frachter verbleiben. Das Abpumpen stelle den Experten zufolge ein größeres Verschmutzungsrisiko dar als der Verbleib der giftigen Substanzen an Bord. Auf dem Schiff würden stündlich Sicherheitsbegehungen und Tankpeilungen vorgenommen, so dass bei Gefahr im Verzuge sofort reagiert werden könne.

Mehr Schub dank längerer Leinen

Zwei stärkere Schlepper, die „Fairmount Summit“ und die „Union Manta“, sind im Anmarsch. Die entscheidende Neuerung des Bergungskonzepts sind die eigens angeforderten 1000 Meter langen Schleppleinen, mit denen der Frachter von der Sandbank gezogen werden soll. Die enorme Länge der Leine soll sicherstellen, dass die Schlepper nicht im Flachwasser selbst aufpassen müssen, nicht auf Grund zu gehen, sondern im tiefen Wasser ungehindert vollen Schub geben können.

Die „Glory Amsterdam“ hatte am Sonntag früh trotz Sturmwarnung den Hamburger Hafen verlassen, um in der Deutschen Bucht vor Helgoland zu ankern. Dem Vernehmen nach sollte das Schiff nicht leer im Hafen bleiben und teure Liegegebühren verschlingen, sondern günstig auf Außenreede warten, bis sich Ladung ankündigt. Im Wüten des Sturmes „Herwart“ aber riss sich das Schiff los und trieb alsbald manövrierunfähig auf Langeoog zu. Die Notfallschlepper des Havariekommandos konnten nichts ausrichten.

Langeoogs Bürgermeister übt Kritik

Bei den sieben Meter hohen Wellen und Windstärke neun gelang es zwar vier Mal, den Frachter auf den Haken zu nehmen, doch riss die Verbindung immer wieder ab. Die Belastung der Trossen sei einfach zu hoch gewesen in der stürmischen See, hieß es in Cuxhaven.

Langeoogs Bürgermeister Uwe Garrels (parteilos) dagegen kritisierte im NDR das Havariekommando. „Wenn es noch nicht mal gelingt, einen unbeladenen Frachter, der auf die Küste zutreibt, innerhalb von sechs Stunden zu stoppen, dann läuft etwas schief“, sagte Garrels. „Wenn die Stärke der Trossen vorschriftsmäßig war, dann stimmt etwas an den Vorschriften nicht.“ Das Havariekommando wies gegenüber dem Abendblatt darauf hin, dass die Trossen in Seenotfällen schwimmfähig sein und von Menschen bewegt werden können müssen, weil schwere Winschen für dicke Stahltrossen im Katastrophenfall möglicherweise gar nicht mehr funktionsfähig sind.

Nach der hoffentlich erfolgreichen Bergung wird die Hamburger Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen die Ursachen der Havarie analysieren, um etwaige Fehler im System zu finden.