Lüneburg/Hamburg. Im Jahr 1989 verschwand Birgit M. Ihr Bruder Wolfgang Sielaff ließ bei den Ermittlungen nicht locker. Jetzt ist der Mord aufgeklärt.
Eine lange Suche ist endlich zu Ende. 28 Jahre nach ihrem Verschwinden sind die sterblichen Überreste von Birgit Meier gefunden worden. Entdeckt wurden sie von ihrem Bruder Wolfgang Sielaff. Der ehemalige Leiter des Landeskriminalamts Hamburg hatte nie die Suche aufgegeben, obwohl Polizei und Staatsanwaltschaft die Akten längst geschlossen und den Fall eingestellt hatten.
Gefunden wurde das Skelett der Frau auf einem Grundstück in Adendorf bei Lüneburg. Es ist das Grundstück, auf dem Kurt-Werner Wichmann lebte. Er war bereits kurz nach dem Verschwinden der damals 40 Jahre alten Birgit Meier ins Visier der Ermittler geraten. Mehrmals war das Grundstück von der Polizei abgesucht worden, ohne dass die Leiche gefunden wurde. Der Fall, so zeigt sich heute, ist auch eine Blamage für die Strafverfolgungsbehörden in Lüneburg.
Sielaff war geschockt und empfand doch Erleichterung
„Menschliche Knochen“. Gegen 12 Uhr schallte am vergangenen Freitag dieser Ruf aus der Garage auf dem Grundstück, auf dem Sielaff mit Freunden und Unterstützern selbst suchte. Er sei in dem Moment geschockt gewesen, so Sielaff. Dann habe er Erleichterung empfunden, weil ihm gleich klar war, dass er nach den jahrelangen Mühen seine Schwester gefunden hatte.
Dabei war erst gegen 22 Uhr klar, dass hier alle sterblichen Überreste von Birgit Meier versteckt wurden. Nach dem Auffinden von zwei kleinen Fußknochen, die von einer Expertin aus dem Team von Hamburgs Rechtsmediziner Klaus Püschel identifiziert wurden, stoppte die Suche. Für Sielaff war klar, dass die Polizei am Zug war. Die rückte an, darunter Ermittler, die erfolglos in dem Fall „Birgit Meier“ ermittelt hatten. Vorsichtig wurde Erdschicht um Erdschicht abgetragen und Knochen um Knochen gefunden. Gegen 22 Uhr lag das komplette Skelett einer Frau auf einem etwa fünf mal fünf Meter großen Tuch, das am Fundort ausgebreitet worden war. Rechtsmediziner Klaus Püschel konnte anhand des Zahnschemas mit großer Sicherheit sagen, dass es Birgit Meier ist. Eine DNA-Analyse soll im Laufe der Woche die endgültige Bestätigung bringen.
Gefunden wurde die Tote in einer Kfz-Grube in der Garage, gleich neben dem Haus des Friedhofsgärtners Wichmann, der sich im April 1993 in Untersuchungshaft mit einem Gürtel erhängt hatte. Er hatte dort nicht wegen des Mordes an Birgit Meier gesessen, sondern weil nach einem Verkehrsunfall Teile einer Maschinenpistole in seinem Wagen gefunden wurden. Für Wolfgang Sielaff hatte das Grundstück immer „eine hohe Relevanz“ bei der Suche nach seiner Schwester. 2002, gleich nach seiner Pensionierung, hatte er sich noch intensiver mit dem Verschwinden seiner Schwester befasst.
Er war nicht allein. Der hoch geschätzte Kriminalist hatte enge Weggefährten. Darunter sein Nachfolger als LKA-Chef, Reinhard Chedor, oder der ehemalige Chef der Hamburger Staatsanwaltschaft, Martin Köhnke, aber auch Beamte, die heute noch im Dienst sind, wie Polizeipsychologin Claudia Brockmann, der Rechtsmediziner Klaus Püschel oder Strafverteidiger Gerhard Strate. Unterstützung fand Sielaff auch bei den neuen Eigentümern des Grundstücks, die ihm die Suche dort erlaubten.
Man habe laut Sielaff viele Gespräche geführt und analysiert. Wichmann, den Mörder seiner Schwester, sah Sielaff als „narzisstischen, sadistisch veranlagten Psychopathen“, dem Kontrolle wichtig ist. Entgegen aller Logik hatte er auf seinem Grundstück in Adendorf schon seinen fast nagelneuen Ford vergraben. Das Auto war bereits 1993 von der Polizei entdeckt und ausgegraben worden. Leichenspürhunde hatten am Kofferraum angeschlagen. Die Leiche von Birgit Meier, die schon damals in der Nähe lag, war nicht gefunden worden.
Wolfgang Sielaff hatte es immer für möglich gehalten, dass seine Schwester dort verscharrt wurde. Dass sie von dem Mann getötet wurde, war Sielaff früh klar. Im Haus von Wichmann hatte die Polizei bei der ersten Durchsuchung auch ein „geheimes Zimmer“ gefunden, in dem Waffen oder Fesselungsmaterial lagen, darunter eine Handschelle mit Blutanhaftungen, die erst 2016 durch eine DNA-Analyse als das Blut von Birgit Meier identifiziert wurden. Pikanterweise hatte das Zimmer eine Art „Abwurf“ der genau in die Garage führte, in der jetzt die sterblichen Überreste entdeckt wurden.
Im April dieses Jahres entdeckten die neuen Eigentümer in der Garage die Kfz-Grube. Über Jahre hatte dort ein altes Auto gestanden. Die Grube war mit Bohlen abgedeckt. Es war eine ungewöhnliche Kfz-Grube: Sie war viel zu flach. So, als hätte man nachträglich einen Teil aufgeschüttet und einen neuen Boden eingezogen. Das bestätigte sich bei der Suche von Sielaff nicht. Aber etwas anderes wurde gefunden. Der Boden war nicht gleichmäßig dick. An einer Stelle war er offenbar aufgebrochen und wieder zubetoniert worden. Es war die Stelle, an der Birgit Meier vergraben worden war.
Für die Polizei und die dortige Staatsanwaltschaft ist der Fall kein Ruhmesblatt. Nach dem Verschwinden von Birgit Meier im August 1989 hatte die zuständige Polizei in Lüneburg dies als Vermisstenfall eingestuft. Als ein Tötungsdelikt angenommen wurde, geriet der Mann der Vermissten in Verdacht. Er hatte sich kurz zuvor von Birgit Meier getrennt.
Als es 1993 Durchsuchungsbeschlüsse für das Haus von Wichmann gab, ließ man den Mordverdächtigen entwischen. Der tauchte unter. Danach wurde kein Haftbefehl erlassen. Hinweisen in seinen Abschiedsbriefen an Frau und Bruder, die auf seine Täterschaft im Fall „Birgit Meier“ und ein mögliches Versteck der Leiche auf dem Grundstück in Adendorf hinwiesen, wurden offenbar falsch eingeschätzt.
2003 stellte Sielaff fest, dass seit 1994 nicht mehr ermittelt worden war. Der Fall war eingestellt worden, weil der Hauptverdächtige sich erhängt hatte. Sielaff sah das als Fehler an, zumal es immer noch einen Verdacht gegen den Exmann von Birgit Meier gab.
Die Familie wird Abschied nehmen können
Dass die in dem „geheimen Zimmer“ gefundene Handschelle noch auf DNA untersucht werden konnte, war ein Glücksfall, weil sie entgegen der Anordnung nicht als Beweismittel vernichtet worden war.
In dem sogenannten geheimen Zimmer entdeckte Sielaff noch selbst 2013 relevantes Material, das 20 Jahre dort gelegen hatte. 2007 wurde ein Kripomann mit neuen Ermittlungen beauftragt. 2015 wurde erneut von der Polizei eine Ermittlungsgruppe gegründet. 2016 gab es eine erneute Suchaktion. Im Mai dieses Jahres wurden die Ermittlungen eingestellt.
Sielaff gab nicht auf. Auch im Interesse der Familie. Sie habe sehr gelitten. Vor allem die Tochter von Birgit Meier. Die Familie wird Abschied nehmen können. Die sterblichen Überreste von Birgit Meier werden im engsten Familienkreis beigesetzt, wenn sie von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden.